Diagnosenver(w)irrungen

  • Liebes Forum,
    mich plagen im Moment Probleme bei den Fachabteilungsdiagnosen. Theoretisch muß ja jeder Patient, der von und nach Intensiv verlegt wird, eine andere Fachabteilungsdiagnose haben. Nun ist es bei bestimmten Krankheitsbildern - insbesondere großen abdominellen Eingriffen - in der Chirurgie ja (noch) Usus, den Patienten eine Nacht auf der Intensivstation zu beobachten.
    Was geben Sie denn üblicherweise hier als Diagnose an? Wenn ich immer die Ateminsuffizienz bemühe, wird man sich irgendwann die Frage nach der Insuffizienz der Anästhesie stellen. Das Beibehalten der HD ist auch problematisch.
    Wie löst man dieses Problem in anderen Häusern?

    Gruß,

    J. Cramer

    Dr. J. Cramer
    AGAPLESION Diakonieklinikum Hamburg

  • Hallo Herr Cramer,
    warum sollte ein auf INT verlegter Patient eine andere Diagnose haben? Prinzipiell sollten alle Diagnosen codiert werden, für die irgendeine Leistung erbracht wird. Dies muß nicht (kann aber auch) die Diagnose sein, wegen der der Patient operiert wird. Die INT erbringt viele zusätzliche Leistungen, an die Chirurgen gar nicht denken. Hinweis kann auch aus codierten Prozeduren kommen. Die Codierung gehört auf jeden Fall in den ärztlichen Verantwortungsbereich und sollte wenn möglich auch von Ärzten selbst vor Ort vorgenommen werden. Wir verfahren seit Einführung so und sind immer gut damit gefahren. Auf Verlegung nach INT verzichten wir bei nicht überwachungspflichtigen Patienten. Diese werden nur im Aufwachraum überwacht.

    Freundlichen Gruß aus Schorndorf

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Hallo Herr Dr. Cramer,
    wieso ist das Beibehalten der Diagnose problematisch? Wir erfassen für die von Ihnen beschriebenen "normalen" und "problemlosen" Intensiv-Aufenthalte nach einer größeren OP die Diagnose, die operiert wurde. Evtl. auftretende postoperative Komplikation werden dabei als Nebendiagnose kodiert. Es steht nirgens geschrieben, dass für eine Verlegung auch eine andere Diagnose angegeben werden muss.
    Gruß
    Christa Bernauer

  • Hallo Dr. Cramer!

    Es gibt m. E. zwei unterschiedliche Konstellationen. Einerseits gibt es Grunderkrankungen wie z. B. den akuten Herzinfarkt, die per se auf der Intensivstation behandelt werden, wobei ich meine, dass in diesen Fällen die HD gleich bleiben kann (wobei es aber meist gravierende Nebendiagnosen gibt). Andererseits gibt es z. B. größere Eingriffe, bei denen der Zustand des Patienten darüber entscheidet, ob er postoperativ auf Intensiv, IMC oder Normalstation kommt. Hier gibt es z. B. die T 88 -Kodierungen, die man nehmen könnte, wobei die Definition des Begriffs "Komplikation" entscheidend ist. Die Kodierrichtlinien sind da leider wenig hilfreich.

    Gruß
    --
    Manfred Nast
    Medizincontrolling Bethesda AK Bergedorf Hamburg

    Manfred Nast

  • Zitat


    Original von Cramer:
    ...mich plagen im Moment Probleme bei den Fachabteilungsdiagnosen. Theoretisch muß ja jeder Patient, der von und nach Intensiv verlegt wird, eine andere Fachabteilungsdiagnose haben...


    Hallo Forum, hallo Herr Cramer,

    das mit der Fachabteilungsdiagnose ist m. E. kalter Kaffee, es kann (ebenfalls m. E.) unter DRG-Bedingungen so nicht bestehen bleiben.

    Aber zunächst einmal historisch gesehen: eine Fachabteilungsdiagnose beschreibt nach altem Pflegesatzrecht bzw. §301-Datenübermittlungsverordnung die ressourcenaufwändigste Diagnose für die Dauer des Fachabteilungsaufenthaltes des Patienten und wird im FAB-Segment übermittelt. Bei unserem KIS heißt diese Diagnose dann auch sinngemäß Fachabteilungsentlassdiagnose, weil sie ähnlich wie die Hauptentlassdiagnose erst am Ende des Fachabteilungsaufenthaltes festgelegt wird, quasi bei der Entlassung aus der einen Abteilung. Eine Fachabteilungsaufnahmediagnose gibt es m. Wissens nicht, obwohl diese vom medizinischen Standpunkt aus gesehen mindestens genauso interessant wäre (warum wird der Patient verlegt?).

    Was vielleicht noch zur Klärung Ihres Problems beitragen könnte, ist die Frage, ob es sich bei der Intensivstation um eine eigenständige bettenführende Abteilung handelt. Nur dann hat diese ITS ein eigenes Fachabteilungskennzeichen und benötigt (laut prä-DRG-Regeln, die allerdings noch gelten) überhaupt eine Fachabteilungsdiagnose. Bei kurzfristigen Hin- und Herverlegungen eine lästige Angelegenheit.

    Auch wenn sicherlich die Fachabteilungsdiagnosen nicht immer voneinander verschieden sein müssen, verlangt das §301-Verfahren für jede neue Abteilung eine eigene (ggf. redundante Diagnose).

    <Zitat §301-Vereinbarung> DKG-Download
    Die internen Verlegungen werden für jede behandelnde Fachabteilung (bei Rückverlegungen mehrfach) je Belegungszeitraum mit Angabe des Verlegungstages, der jeweiligen Hauptdiagnose und bis zu jeweils 20 Nebendiagnosen angegeben (Entlassungsgrund `12` interne Verlegung).
    Die Segmentgruppe SG1 mit den Segmenten ETL und NDG dient der Dokumentation des Ablaufs der Krankenhausbehandlung.
    Es werden die bei der Entlassung oder Verlegung aus der Fachabteilung festgestellten Diagnosen übermittelt.
    <Ende Zitat>


    Für Dokumentationszwecke halte ich es für sinnvoll, anhand von chronologisch sortierten (also mit Zeitstempel versehenen) Diagnosen den medizinischen Grund einer Verlegung zu dokumentieren, allerdings unabhängig vom eigentlichen Verlegungszeitpunkt. Dieser kann ja schließlich unabhängig von irgendeiner Diagnose erfaßt werden (Aufgabe der Verwaltung, nicht des kodierenden Arztes!).

    Leider nimmt das §301-Verfahren auf derlei medizinischen Anspruch keinerlei Rücksichten, sondern verlangt stur anhand der Verlegungszeit rückwirkend gültige Diagnosen. Was ich bisher noch nie gefunden habe, ist eine aus diesen Daten (Fachabteilungsdiagnosen) gefertigte Statistik. Ich bezweifel nicht, dass man so eine Fachabteilungsdiagnosenstatistik machen könnte, nur, wen interessiert die eigentlich?

    Und wenn ich für DRGs keine Fachabteilungen mehr brauche (&quot;Fachabteilungsgrenzen werden fallen!&quot;, &quot;Pauschale Vergütung des gesamten Behandlungsfalles&quot;, &quot;Der Grouper braucht keine Fachabteilungsdiagnosen&quot;), wäre ein Festhalten am jetzigen System (wer beherzigt es überhaupt, Sie etwa, Herr Cramer?) wieder einmal der Beweis dafür, dass es Menschen offenbar nicht gelingt, ein kompliziertes System zu vereinfachen (es lebe die Bürokratie!).

    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • [quote]
    Original von Scholz:
    wäre ein Festhalten am jetzigen System (wer beherzigt es überhaupt, Sie etwa, Herr Cramer?) wieder einmal der Beweis dafür, dass es Menschen offenbar nicht gelingt, ein kompliziertes System zu vereinfachen (es lebe die Bürokratie!).

    Oh, Herr Scholz,
    da haben Sie mich aber erwischt...
    Nein, im Ernst, unser GWI-System will es so, und schreibt ständig diese fehlenden Diagnosen in eine Mahnliste...

    Gruß,
    J. Cramer

    Dr. J. Cramer
    AGAPLESION Diakonieklinikum Hamburg

  • Zitat


    Original von Cramer:
    Nein, im Ernst, unser GWI-System will es so, und schreibt ständig diese fehlenden Diagnosen in eine Mahnliste...

    Das ist bei fd-klinika nicht anders, allerdings haben wir keine bettenführende ITS, so dass sich die Verlegungen in Grenzen halten. Nur wenn dann so eine &quot;F&quot;-Diagnose angemahnt wird, haben die Kollegen meist schon wieder vergessen, was sie dort angeben sollen.

    Wie gesagt, mit DRG-Diagnosen hat das ja auch nichts zu tun. Das heißt also, dadurch, dass jetzt die Ärzte direkt die Verwaltungs-Software (für die Verwaltung wurde sie ja mal programmiert) bedienen müssen, müssen wir DRG-Beauftragten unseren Kollegen außer den DRG-Begriffen auch noch historische Diagnose-Definitionen vermitteln, damit die Bürokratie läuft.

    Noch einmal, ich habe überhaupt nichts gegen viele Diagnosen. Aber diese sollten den medizinischen Behandlungsverlauf halbwegs zeitgerecht abbilden und nicht den Weg des Patienten durch die Fachabteilungen. Diese zwei Dinge gehören m. E. getrennt. Die Diagnosen sind Arztsache und werden zu bestimmten Zeitpunkten, die in der Natur des Patienten und der Tätigkeit des Arztes begründet sind unabhängig von der jeweiligen Anwesenheit des Patienten in einer Fachabteilung diagnostiziert und sollten auch so dokumentiert und verschlüsselt werden.

    Wann der Patient in welcher Abteilung liegt, kann genausogut unabhängig von Diagnosen durch die Verwaltung dokumentiert werden.

    In der Zusammenschau ergibt sich dann immer ein korrektes Bild, wobei die wiederholte Nennung von redundanten Diagnosen entfallen kann.


    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Lieber Herr Scholz,
    damit wir uns nicht mißverstehen, ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu, suchte aber natürlich nach handfesten Gründen, um den Kollegen die Notwendigkeit der Eingabe zu vermitteln...X( X(

    Gruß,
    J. Cramer

    Dr. J. Cramer
    AGAPLESION Diakonieklinikum Hamburg

  • Hallo Forum,

    die Fachabteilungsdiagnose ist zum einen ein Bestandteil der §301-Daten, zum anderen gehört sie noch in das bestehende Abrechnungsrecht. Es gibt auch eine Statistik: Die L4-Statistik, die fachabteilungsbezogen zu den Pflegesatzverhandlungen vorgelegt werden muss. Leider höre ich immer wieder, dass es &quot;die Verwaltung&quot; wäre, die solche Daten bräuchte. Glauben Sie wirklich, dass die Verwaltung aus Spass an der Freude Daten erfassen oder erfasst haben will? Tatsache ist, dass die Krankenhäuser per Bundespflegesatzverordnung verpflichtet sind, die L4-Statistik zu den Pflegesatzverhandlungen vorzulegen und sie außerdem (mindestens in Baden-Württemberg) auch für den Krankenhausbetriebsvergleich an die Landesverbände senden muss.
    Was mich allerdings sehr ärgert ist unsere Gesetzgebung, die 1985 oder 1986 diese Statistiken gesetzlich vorgeschrieben hat, die sich aber nicht mehr darum kümmert, ob diese Auswertungen wirklich gebraucht werden. Damals hieß es nämlich, dass anhand der L4/L5-Statistik (=fachabteilungsbezogene Diagnosen und OP-Statistik) der Pflegesatz der entsprechenden Fachabteilung bewertet werden sollte. Die Statistiken waren damals hoch in der Diskussion und es gab sogar Häuser, die zusätzlich Daten erfasst haben, um den &quot;Schweregrad&quot; seiner Patienten zusätzlich hervorzuheben.
    Leider bleiben die Gesetze dann über die Jahre bestehen, die Daten, die man bisher gesammelt hat, muss man auch weiter sammeln, wie so oft wird meistens auch vergessen, wozu man die einen oder anderen Daten überhaupt noch braucht und der Gesetzgeber vergisst leider regelmäßig, die Auswirkung seiner Vorgaben zu überprüfen und unnützes zu verändern oder wieder bleiben zu lassen.

    Für uns heißt das, aufgrund gesetzlicher Vorgaben müssen die Fachabteilungsdiagnosen auch weiterhin erfasst werden, im Rahmen des Krankenhausbetriebsvergleiches müssen wir uns (mindestens in Baden-Württemberg)auch auf Diskussionen mit den Krankenkassen gefasst machen (weshalb die Fachabteilungsdiagnose auch möglichst repräsentativ für den den Aufwand auf der Fachabteilung sein sollte). Nach Einführung der DRG`s wird sie hoffentlich (Ein Flehen an das BMG!!!) Geschichte werden.

    Gruß Christa Bernauer
    Med. Dokumentarin
    Kreiskrankenhaus Heidenheim

  • Zitat


    Original von c_bernauer:
    Es gibt auch eine Statistik: Die L4-Statistik, die fachabteilungsbezogen zu den Pflegesatzverhandlungen vorgelegt werden muss.
    ...
    Leider bleiben die Gesetze dann über die Jahre bestehen, die Daten, die man bisher gesammelt hat, muss man auch weiter sammeln, wie so oft wird meistens auch vergessen, wozu man die einen oder anderen Daten überhaupt noch braucht und der Gesetzgeber vergisst leider regelmäßig, die Auswirkung seiner Vorgaben zu überprüfen und unnützes zu verändern oder wieder bleiben zu lassen.


    Hallo Frau Bernauer,
    Sie haben meine vollste Zustimmung.
    Wie problematisch die L4-Statistik für den Betriebsvergleich ist, zeigte sich mir bei unserer letzten BKG-Pflegesatzverhandlungs-Auftaktveranstaltung, als dort, angeblich erstmalig seit 1986 &quot;eine verbesserte&quot; Betriebsvergleichsauswertung anhand der L4-Daten vorgestellt wurde. Es gab ein Profil des Krankenhauses mit -hoppla- ICD-9 (!) Diagnosen welches in Art einer Varianzanalyse bzgl. Häufigkeiten mit einem Durchschnittsprofil der Krankenhäuser gleicher Versorgungsstufe verglichen wurde. Aussagefähigkeit in meinen Augen nahe Null. Mein Hinweis, dass ein DRG-Casemix einen um ein vielfaches aussagekräftigeren Betriebsvergleich ermögliche, wurde von den anwesenden Krankenhausmitarbeitern, denen im Vorreferat noch ausführlich vom Stand der DRG-Einführung in Deutschland berichtet wurde, mit offenkundiger Verwunderung zur Kenntnis genommen.

    Um mich hier nicht so in den Mittelpunkt zu stellen, sei auf einen Artikel von Dr. Thomas Mansky zum gleichen Thema verwiesen:
    Mansky, Der Krankenhausbetriebsvergleich
    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]