Kostenrechnung in Krankenhäusern

  • Hallo liebe Forumsleser!

    Mich würde interessieren, nach welchen Kriterien Controlling-Verantwortliche in Krankenhäusern und Consultants, welche Krankenhäuser in diesem Bereich beraten, entscheiden, welches Kostenrechnungssystem bei welchem Mandanten einführt wird.
    Die Kostenstellen- und Kostenartenrechnung wurde vor Einführung der DRGs oftmals als ausreichendes Mittel der Kostenkontrolle angesehen. Die Fachliteratur ist sich weitestgehend einig, dass diese Techniken unter den neuen Anforderungen (DRG) zu kurz greifen. Eine Kostenträgerrechnung (KTR) wird als elementar angesehen. Dennoch wird in der Literatur bzgl. der KTR oft bemängelt, dass die Gemeinkosten, welche bei Kliniken bis zu 80% ausmachen, durch die KTR unzureichend verteilt werden.
    Gerade dies ist einer der Entwicklungsgründe für die Prozesskostenrechnung (PKR), welche sich bei Industrien anbietet, bei denen der Gemeinkostenanteil wesentlich den Einzelkostenanteil übersteigt.
    Daher jedoch die KTR vollkommen zu vernachlässigen wäre sicherlich aufgrund der vielen Vorteile dieser ignorant.
    Wie wird also in der Praxis vorgegangen? Ist es ggf. eine Kostenfrage (KTR evtl. günstiger und mit geringerem Aufwand implementierbar als die PKR)? Oder wird auf Wunsch oder Empfehlung sogar beides implementiert, um die Vorteile beider Verfahren zu kombinieren?

    In wiefern spielt das Target Costing(TC) in der Praxis eine Rolle? Vom Ansatz her wäre die Verwendung des TC sehr gut zu rechtfertigen, da der Preis fix durch die DRG-Vergütung gegeben ist.

    Viele Grüße und vielen herzlichen Dank vorab
    Gregor Meyer

    • Offizieller Beitrag

    Guten Abend, Herr Meyer,

    Zitat


    Original von GregorMeyer:
    [...]Dennoch wird in der Literatur bzgl. der KTR oft bemängelt, dass die Gemeinkosten, welche bei Kliniken bis zu 80% ausmachen, durch die KTR unzureichend verteilt werden.
    [...]

    Könnten Sie diese Ihre Aussage bitte etwas näher erläutern.
    Merci und Gruß
    B. Sommerhäuser

  • :p Grüß\' Sie, Herr Meyer,
    die Prozesskostenrechnung als stand-alone System der KLR zu sehen, ist etwas kurz gefasst. Gescheiter weise sollten die Standardkostenrechnungsarten solange beibehalten werden, bis für alle Prozesse Prozessketten gebildet sind und die PKR einen hohen Standard der Detaillierung erreicht hat. Das Target Costing würde dann Sinn machen, wenn von der DRG tatsächlich auf den Ressourcenverbrauch zurückgeführt werden könnte. Es wird ein bestimmter Automatisierungsgrad vorausgesetzt.
    Grüße
    Barbara Stutzke
    pr&consulting

  • Die einzelnen Kostenrechnungen sind ja nur unterschiedliche Betrachtungsweise der gleichen Sachverhalte. Ich denke es handelt sich hier nicht um Alternativen.

    Die Kostenträgerrechnung hat natürlich bei einem hohen Gemeinkostenanteil das Problem, dass diese Gemeinkosten (verursachungsgerecht) verteilt werden müssen.

    An der Stelle ist die Kostenträgerrechnung auch stark angreifbar durch die Kostenverantwortlichen.

    Die Prozesskostenrechnung stellt in der Industrie die Lösung für dieses Problem dar. Nur hat die Industrie auch nur eine begrenzte Anzahl an Prozessen und diese sind dann auch exakt definiert.

    Will man im Krankenhaus eine Prozesskostenrechnung einführen, so müssen zunächst einmal die Prozesse definiert werden. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass damit gleichzeitig Behandlungsleitlinien durchgesetzt werden könnten.

    Target Costing? Ja angesichts von festen Marktpreisen klingt das gut. Nur damit müssten eben die Erlöse auch immer kostendeckend sein oder aber die Leistung müsste durch das Krankenhaus verweigert werden können, falls sie nicht zu Zielkosten zu erbringen ist. Target Costing macht eigentlich nur Sinn, wenn es alternative Behandlungswege gibt und man auch den Spielraum hat zwischen den Alternativen zu wählen. In der Industrie stelle ich mir das so vor: BMW hat bei der Entwicklung eines Autos eben die Alternative, ob sie teure Motorentechnik oder einen hochwertigen und teuren Innenraum verbauen. Würde man beides tun, könnte das für ein Fahrzeug mit niedrigem Verkaufspreis das Kostenziel überschreiten. Durch Target Costing rechnet man nur vom Marktpreis rückswärts, welche Ausstattungsspielräume und -alternativen man hat. Aber ist dies im Gesundheitswesen möglich?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    weil es gerade so schön passt, hier das \"Motto des Tages\" des heutigen hmannage-Newsletters:

    \"Es gibt in der Wissenschaft Fragen, die aus der Natur der Sache heraus nicht beantwortet werden können. Dazu gehört die naheliegende, aber laienhafte Frage: Was kostet die Leistung? Es kann nicht Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre sein, dem praktischen Bedürfnis nach Beantwortung dieser Frage dadurch entgegenzukommen, dass sie Verrechnungsmethoden zu entwickeln und konservieren hilft, die nichts anderes als eine Mischung aus viel Dichtung und wenig Wahrheit darstellen\".

    (Paul Riebel 1976)

    Vielleicht gibt es ja aber diebezügliche Fortschritte in den letzten knapp 30 Jahren.....

  • Vielen Dank erst einmal für die hilfreichen Beiträge.

    Zur Frage von Herrn Sommerhäuser, als Ergänzung zum Beitrag von User Ramon: Die Kosten im Krankenhausbereich sind primär Gemeinkosten, welche dadurch nicht direkt dem Kostenträger zurechenbar sind. So z.B. verschiedene Personalkosten, welche in allen Bereichen des Krankenhauses anfallen (z.B. Verwaltung, Küche, Pflege, usw.). Diese Kosten müssen dann über Bezugsgrößen den einzelnen Fällen zugeordnet werden. Dies ist jedoch unter Umständen sehr schwierig, da eindeutige Kostentreiber als Bezugsgröße nicht immer vorliegen (Problem heterogener Bezugsgrößen, sprungfixe Kosten etc.).
    Der Einzelkostenanteil, welcher direkt einem Kostenträger zuordenbar ist, ist dementsprechend klein (z.B. verbrauchtes Material o.ä.).

    Zum Hinweis von Frau Barbara Stutzke: Ich habe bisher schon sehr oft gelesen, dass die Prozesskostenrechnung neben der KTR eingesetzt wird, um die Gemeinkosten besser verteilen zu können. Aus Ihrem Beitrag erkenne ich, dass in der Praxis auch ein vollkommener Ersatz der KTR durch die PKR üblich oder sogar angestrebt ist?
    Ihr Kommentar zum TargetCosting sehe ich genauso. Ich möchte kurz das Verfahren des TC erläutern: Die Ausgangsfrage ist, wie viel ein Produkt kosten darf. Hierfür wird beim traditionellen TC eine Marktanalyse durchgeführt und ein Target-Preis bestimmt. Dieser Target-Preis ist im Gesundheitswesen durch das G-DRG-System vorgegeben, so dass der Target-Preis der G-DRG-Vergütung entspricht. Der Target-Preis wird um eine Gewinnspanne vermindert (Target Profit) und man erhält die Allowable Costs. Liegen diese oberhalb der derzeitigen (oder prognostizierten - sofern die Leistung noch nicht angeboten wird - ) Kosten, so liegt ein Kostenreduktionsbedarf vor. Man versucht nun die Kosten so weit zu optimieren, bis diese - in der Literatur Drifting-Costs genannten - Kosten unter den Allowable Costs liegen.
    Um aber die Drifting-Costs feststellen bzw. berechnen zu können muss bereits ein Kostenrechnungssystem vorliegen. Meines Erachtens eignet sich das TC daher nur als strategisches Kontrollmittel bei der Entscheidung ob bestehende Leistungen weiterhin angeboten werden können oder ob bestimmte Leistungen angeboten werden sollten. Traditionelle Kostenrechnungssysteme wie die KTR oder die PKR sind weiterhin nötig, um die Kosten zu berechnen oder zu planen.
    Ich bitte mich zu korrigieren, sofern ich bei meinen Ausführungen falsch liege.
    Durch die Ausführungen zum TC habe ich teilweise den Betrag von Ramon zu beantworten versucht. Ausgestaltungsspielräume sehe ich in diesem Falle gleich mit dem Versuch die Kosten zu drücken. Wenn ich einzelne Kostenblöcke versuche zu minimieren kann ich dies durch eine andere (effizientere) Ausführung der Teilaktivitäten bzw. günstigere externe Kosten (z.B. andere Zulieferer von med. Material) erreichen.

    Für weitere Hinweise und Diskussion zu obigen Punkten bin ich sehr dankbar.

    Viele Grüße
    Gregor Meyer

    (PS an den Forums-Admin: Die E-Mails zur Benachrichtigung bei Antworten sind bei mir allesamt im Spam gelandet.)

  • Das Problem was ich beim TargetCosting habe ist folgendes:

    Ich vergleiche den Marktpreis mit den IST-Kosten und stelle fest:

    1. DRG X verursacht mehr Kosten als Erlöse
    2. DRG Y verursacht weniger Kosten als Erlöse

    Fazit: Ich versuche bei DRG X die Kosten zu drücken.

    ABER: Wenn man bei DRG X die Kosten einfach so drücken kann, warum versucht man das gleiche nicht auch bei DRG Y?

    Für mich ist Target Costing einfach das Durchrechnen von Handlungsalternativen und deren Kostenvergleich mit dem Marktpreis. Bei einem Industrieunternehmen ist mir das ganze sehr anschaulich. Aber im Krankenhaus? Bei einem Industrieunternehmen könnte man schon innerhalb der Produktentwicklung immer auf das Kostenziel achten und bei jedem Entwicklungsschritt sich vor Augen halten, wie sich die Entscheidung auf das Gesamtkostenziel auswirkt.

    Aber kann der Arzt sagen: Der Patient hat schon Implantat X erhalten, wenn ich nun noch ein weiteres teures Y Implantat einsetze, dann bin ich über dem Marktpreis. ???

  • Zitat


    Aber kann der Arzt sagen: Der Patient hat schon Implantat X erhalten, wenn ich nun noch ein weiteres teures Y Implantat einsetze, dann bin ich über dem Marktpreis. ???

    Das wäre zu kurz gefasst. Ich denke, man kann nicht den einzelnen Fall betrachten, sondern immer nur die Fallgruppe, also die Zusammenfassung aller Fälle unter einer bestimmten DRG. Bei der strategischen Überlegung, eine neue Leistung ggf. anzubieten, stelle ich mir die Anwendung so vor:
    Der erzielbare Preis ist gegeben. Wir sehen nun, was die IST-Kosten (bzw. PLAN-Kosten) der Leistungserbringung im Durchschnitt(!) wären. Hierzu gibt es sicherlich Kostenstellschrauben. Ich versuche ein Beispiel zu konstruieren (ich bitte zu entschuldigen, wenn das ganze medizinisch nicht fundiert ist, aber in dem Gebiet bin ich leider Laie):
    Überlegung, sollen Herzschrittmacher-Implantationen durchgeführt werden, oder nicht? Die zugehörige DRG ist die F32Z (Neuimplantation Kardioverter / Defibrillator). Die Bewertungsrelation ist 7,576. Laut AOK wurde im BRD-Schnitt ein Basisfallwert von 2616,71 Euro festgelegt. Demnach ist im Durchschnitt mit Erlösen von 19824,20 Euro zu rechnen. Rechnen wir einen Gewinn (Target Profit) von 10% ab, so sind wir bei 17841,78 Euro (Allowable Costs).
    Berechnung der Drifting-Costs:
    Der Mediziner gibt an, wie die \"Mindestausstattung\" aussehen muss. Einzelne Prozesse, Laufzeiten, Materialien werden spezifiziert. Aus dem G-DRG-Browser ist zu entnehmen, wie die Verweildauern aufgeteilt sind (11.6% Kurzlieger, 71% Normallieger, 10,4% Langlieger). Aus der laufenden Kostenrechnung sollte bekannt sein, wie viel Kosten ein Patient pro Tag verursacht (z.B. 124 Euro Verpflegung/d, 10,22Euro Verwaltung/d, 230 Euro Pflege/d, etc.). Es können verschiedene Angebote für verschiedene Herzschrittmacher eingeholt werden.
    Nehmen wir nun an, der Patient kostet das KH im Schnitt 18000 Euro, so müssen die Kosten gedrückt werden. Mit dem Mediziner muss dann besprochen werden, welche Vorgänge wie veränderbar sind und an welchen Stellen eingespart werden kann, ohne dass die Qualität unter einen akzeptablen Wert sinkt. (Z.B. anderer Herzschnittmacher einer anderen Firma, die Liegedauer minimieren, ...). Generell kann man auch versuchen nicht nur die Ausgestaltung der Behandlung zu verändern, sonder ebenso die Kosten der einzelnen Bereiche zu minimieren (mit positiven Auswirkungen auf andere Bereiche). Wir z.B: festgestellt, dass die Kosten für die Verpflegung generell höher liegen, als dies in anderen KHs der Fall ist, so sollte dies untersucht werden und die Kosten ggf. minimiert werden.
    Liegen die Drifting-Costs dann unter den Allowable Costs, so kann die Leistung angeboten werden.

    Fragt sich nun, in welcher Form das TC bei bereits bestehenden Leistungen angewendet werden kann. Hierzu der passende und berechtigte Einwand meines Vorrednert:

    Zitat


    ABER: Wenn man bei DRG X die Kosten einfach so drücken kann, warum versucht man das gleiche nicht auch bei DRG Y?

    Hierzu ein Zitat:
    \" Durch TC wird ein geschlossener Ansatz der Kostenrechnung erzielt, bei dem alle Produkte ihre Vollkosten und einen Gewinnanteil auch bei steigender Wettbewerbsintensität erwirtschaften sollen.\"

    Ziel ist es also, dass jede Leistung zu einem positiven Ergebnis beiträgt. Natürlich können wir versuchen auch die Kosten von DRG Y zu drücken, um die Gewinnspanne hier noch zu erhöhen. Das ist jedoch, m.E., der zweite Schritt. Erst sollte jede Leistung obiges Ziel erreichen.

    Und noch eins:
    \" TC ist als Instrument zur Erreichung eines langfristigen Zielgewinns anzusehen, d.h. es ist Bestandteil des strategischen Rechnungswesens. Dabei beginnt die Planung der Kosten bereits in der Entwicklungsphase, und es erfolgt über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg eine Steuerung der Wert-Kosten-Relation im Hinblick auf die vom Markt geforderten Produktfunktionen.\"

    TC setzt also bereits bei der Überlegung an, ob eine Leistung angeboten werden sollte oder nicht. Wird die Leistung schon angeboten, so kann TC eine Steuerungsfunktion übernehmen. Die im Zitat genannten \"vom Markt geforderten Produktfunktionen\" würde ich im KH-Bereich gleichsetzen mit einer angestrebten Erfolgsquote (Heilung, hier in dem Beispiel: Annahme des Herzschrittmachers).

    Habe ich hier richtig gedacht, oder interpretiere ich das TC hier falsch? Gibt es hier Praktiker, die Erfahrungen mit TC im KH-Bereich haben?

    Viele Grüße
    Gregor Meyer

  • Hierzu habe ich noch eine passende Frage, die mir interessant erscheint:

    Kann ein KH einfach selbst entscheiden, ob es gewisse Leistungen anbietet oder nicht? Wie ist hierbei die Regelung? Jedes KH versucht doch sicherlich in die Krankenhauspläne und Investitionsprogramme aufgenommen zu werden, um somit die Förderung zu genießen. Werden dann vom KH gewisse Standard-Leistungen verlangt, oder ist dies individuell festlegbar? Im KHG steht dazu nichts.

    Und als zweite Frage: Wie viele der KHs sind in diesen Plänen bedacht? Alle, oder kann jemand das ganze schätzen?

    Und als dritte Frage: Wie sind die Zeiträume, bis die Pläne neu festgelegt werden? Wird jedes Jahr eine neue Planung aufgestellt?

    Leider konnte ich zu diesen Fragen nichts in der Literatur finden.

    Grüße
    Gregor Meyer