Epilepsie bei Alkoholkrankheit

  • OK, nächste Runde.

    Erst mal herzlich willkommen, Herr Kessler! Gut, dass sich immer mehr Neurologen hier zu Wort melden..

    trotzdem widerspreche ich Ihnen.

    Zitat


    Original von kkess:
    Es wurde offenbar ein Entzugssyndrom unterstellt und prophylaktisch mit Distra und Haldol behandelt, hierunter bildeten sich keine Entzugssymtome aus, wunderbar, d.h. die Behandlung war effektiv und das Entzugssyndrom darf somit kodiert werden.

    Falsch. Es lag eben kein Entzugssyndrom vor, und es trat auch im Verlauf keins auf. Die D001a verbietet eindeutig die Kodierung in solchen Fällen.

    Zitat


    Original von kkess:
    Wir kodieren G40 nur, wenn eine Epilepsie diagnostiziert wurde, was bei einem einmaligen Anfall, noch dazu evtl. provoziert, oft nicht möglich ist. Gerade unter G40.5 heißt es \"Epileptische Anfälle (sic!) im Zusammenhang mit...\"

    Nur bedingt richtig. Natürlich darf man nach einem erstmaligen Anfall noch nicht die Diagnose Epilepsie stellen; trotzdem ist auch ein erstmaliger Anfall ein epileptischer Anfall (vgl. Berlit, Klin. Neurologie: \"Das isolierte Auftreten eines epileptischen

    Zitat


    Original von kkess:
    (sic!)


    Anfalls rechtfertigt nicht die Diagnose eines Anfallsleidens.\"

    Es gibt also epileptische Anfälle ohne Epilepsie, und die werden mit G40._ sehr viel spezifischer verschlüsselt als mit R56.8; gemäß der Einleitung zu Kapitel XVIII (... Zustände, für die an anderer Stelle keine klassiizierbare Diagnose vorliegt...) ist letzterer Code also nicht zu wählen.
    Sie mögen erwidern, dass das Kapitel G40.- mit \"Epilepsie\" und nicht mit \"Epileptische Anfälle\" überschrieben ist. Hier liegt wahrscheinlich der Hund begraben, über den wir streiten - die ICD trennt die beiden Begriffe nicht scharf.

    Zitat


    Original von kkess:
    Die Alkoholabhängigkeit selbst wurde jedoch von Ihnen offenbar nicht behandelt, sondern nur deren Komplikationen, würde daher F10.2 als HD nicht zustimmen, sondern würde für F10.3 plädieren (oder F10.0, wenn Pat. stark alkoholisiert).

    Der Patient hätte die genannte Medikation nicht erhalten, wenn er nicht alkoholabhängig wäre, somit erfüllt F10.2 hier durchaus die Nebendiagnosendefinition und darf kodiert werden. Zu Ihrem Vorschlag F10.3 siehe oben.

    Zitat


    Original von kkess:
    HD R56.8 und ND F10.2

    Na also, wenigstens sind wir uns einig darüber dass der Anfall - wie auch immer kodiert - HD und F10.2 Nebendiagnose ist. Wenn Sie sich jetzt noch für G40._ erwärmen können...

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo,

    Zitat


    Original von ETgkv:
    Codierung: -->Alphab. Verzeichnis <Entzugskramf, Alkohol F10.3>
    (Kontrolle Syst Verzeichnis: in .03 für F10-F19 sind symptomatische Krampfanfälle mit drin.)

    Die ausführlichen Vorbemerkungen zu den einzelnen Kodes im Kapitel V der ICD-10 dienen der genaueren Beschreibung des Krankheitsbildes und sind nicht mit Inklusiva zu verwechseln. Unter F10-F19, \".3 Entzugssyndrom\" findet sich der Hinweis \"Das Entzugssyndrom kann durch symptomatische Krampfanfälle kompliziert werden.\" Das bedeutet aber keineswegs, daß Krampfanfälle \"mit drin\" sind!

    Auch der Hinweis auf das alphabetische Verzeichnis zieht nicht, da es nicht maßgeblich für die Kodierung ist (DKR D014d).

    Dagegen sind \"epileptische Anfälle im Zusammenhang mit Alkohol\" bei G40.5 inklusive und daher mit diesem Kode zu verschlüsseln, unabhängig davon, ob es zu diesen Anfällen im Rahmen eines Entzuges kam oder nicht!

    Zur Lektüre sei die DIMDI-Broschüre \"Basiswissen Kodierung\" und DKR D013c empfohlen.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Markus Hollerbach

  • Hallo Herr Leonhardt,

    freue mich, dass Sie den Handschuh aufnehmen !
    Hirn und DRG-System sind sich halt sehr ähnlich, auf den ersten Blick alles wohl geordnet, bei näherem Hinsehen deterministisches Chaos.

    Ad Entzugssyndrom: Sie argumentieren (vielleicht zu Recht) mit D001 \"Sich anbahnende oder drohende Krankheit\".
    Ich würde halt gemäß des ICD-Textes zu F10-19 (S.179 oben .3 Entzugssyndrom) argumentieren, dass der Anfall bereits Manifestation des Entzugssyndroms war, das weitere Symptome aufgrund von Distra und Haldol nicht entfalten konnte - daher
    D008b - \"Wenn eine Behandlung eingeleitet wurde und die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig waren [Findus, waren Sie das ?], ist die Verdachtsdiagnose zu kodieren - F10.3 !

    Ad G40.- : Ohne spezielle Kodierrichtlinie bleibt das natürlich interpretierbar, trifft hier nur nicht zu, weil der Anfall IMHO schon in F10.3 enthalten ist.

    Ad Entzugsbehandlung: Auch hier gibt es sicher unterschiedliche Handhabungen. Wir behandeln durchaus nicht jeden Alkoholkranken mit Distra und Haldol - diese Behandlung ist bei uns für (prä-)delirante Patienten reserviert bzw. für Pat. mit Entzugssymptomen (z.B. Anfall) und letztere haben ja durchaus nicht alle Alkoholkranken.

    Ad Mein Beispiel R56.8 + F10.2 : Ich wollte mein Beispiel bewusst anders gestalten, als die vermutliche Situation in Findus´Fall, um zu zeigen, dass die medizinische Zusammenhangsbeurteilung und damit die HD-Findung von Vorgeschichte und Therapie abhängt. Wäre in Findus´Fall nicht mit Distra und Haldol behandelt worden, täte ich mich sehr viel leichter so zu kodieren, hätte die Pat. 2 Anfälle im Abstand von mehreren Stunden gehabt, meinetwegen auch G40.5 ...

    Kompromissvorschlag: Wir erklären G40.5 und F10.3 zu konkurrierenden HD, schlagen (den mir soeben von D.Duck nahegebrachten) 1. Absatz auf S.7 der DKR auf und lesen, dass der behandelnde Arzt die Diagnose als HD auswählen darf, die die meisten Ressourcen verbraucht hat. Das war dann vermutlich die Kopfplatzwunde..... :biggrin:

    In diesem Zusammenhang finde ich Ihren persönlichen Smiley sehr passend
    und bekomme furchtbaren Durst,
    beste Grüße und bis morgen,
    Ihr K. Kessler

    P.S. Beim nächsten Post übe ich das Einfügen von Zitaten (versprochen).

    Dr. K. Kessler
    Oberarzt/DRG-Beauftragter
    Neurologische Klinik
    Kliniken Maria Hilf GmbH
    41063 Mönchengladbach

  • grübel grübel...

    erst ein mal vielen Dank an Herrn Hollerbach für die Klarstellung. Sehr wertvoller Hinweis.

    @Herrn Kessler: bei der Ausgangsfrage, ob F10._ oder Anfall Hauptdiagnose ist, bleibe ich klar beim Anfall - mit der G40.5 kann ich mich aber immer besser anfreunden (auch, wenn es sich um einen erstmaligen Anfall handelt).


    Aber da Kodieren keine \"basisdemokratische Veranstaltung\" (G. Alsmann) ist schlage ich vor, dass Sie, Findus, Ihren Fall ein mal detailliert dem InEK schildern. Ich bin gespannt bzw. \"Mal sehen was dir Zukungt so bringt!\" (Kemoli).

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy