Epidermoidzyste Hoden

  • Sehr geehrte Forumsmitglieder,

    hiermit möchte ich Sie freundlichst um Stellungnahme zur korrekten Verschlüsselung des folgenden Falles bitten.

    Ein Patient wird notfallmäßig wegen einer infizierten 3 cm großen Epidermoidzyste am Skrotum (Skrotumbasis) stationär aufgenommen.
    Es wurde eine operative Enukleation der Epidermoidzyste mit primärem Wundverschluss und Einlage eines Redon in das Subcutangewebe durchgeführt.
    Histologisch zeigt sich eine rupturierte Epidermoidzyste vom Skrotum mit phlegmonöser und abszedierender Entzündung in der Nachbarschaft.

    Epidermoidzysten (Epidermiszysten) sind in der Dermis lokalisierte gutartige Raumforderungen bis zu 5 cm (im Fall lt. OP-Bericht 3 cm). Sie werden i.d.R. ambulant in lokaler Anästhesie
    nach Abklingen der akuten Entzündung mittels Enukleation (Marsupialisation) operativ entfernt.

    Die Hauptdiagnose lautet L72.0 Epidermalzyste.

    Aufgrund der Lage in der Dermis wird ein Kode aus Kapitel 5 Operationen an Haut und Unterhaut (5-895.2c Radikale und ausgedehnte Exzision von erkranktem Gewebe an Haut und
    Unterhaut, mit primärem Wundverschluss, Leisten- und Genitalregion) verwendet. Hiermit würde sich der Fall in die DRG J11C mit einem Relativgewicht von 0,624 eingruppieren.

    Bei Verwendung der Prozedur 5-612.1 Exzision und Destruktion von erkranktem Skrotumgewebe, partielle Resektion würde der Fall in die Fehler-DRG 901D mit einem Relativgewicht von
    2,12 eingruppiert.

    Ist es korrekt, eine Prozedur aus dem Hautkapitel (5-895.2c) zu verwenden (bereits das Wort Epidermiszyste weist ja schon auf den Ursprung im Bereich der Haut hin) oder muss die Prozedur aus dem Kapitel Operationen an den männlichen Geschlechtsorgangen verwendet werden?

    Vielen Dank für Ihre Informationen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mit freundlichen Grüßen
    tehall

  • Hallo tehall,

    Zitat


    Original von tehall:
    Histologisch zeigt sich eine rupturierte Epidermoidzyste vom Skrotum mit phlegmonöser und abszedierender Entzündung in der Nachbarschaft.

    Das klingt für mich, als hätte ein Abszeß/Phlegmone am Skrotum vorgelegen als Folge der rupturierten Epidermoidzyste. Daher auch notfallmäßige Aufnahme und auch stationäre Behandlung.

    Damit wäre die HD N49.2 - die Prozedur ist mit 5.612.1 korrekt, da spezifischer.

    Es ergibt sich M04C mit RG von 0,719.

    Viele Grüße aus Melle
    Dr. Th. Wagner 8)
    Facharzt für Chirurgie
    Leiter Medizincontrolling
    christl. Klinikum Melle

  • Sehr geehrter Herr Dr. Wagner,

    vielen Dank für Ihre Antwort.

    Meines Erachtens spricht die primäre Wundversorgung, der Sonographiebefund (RF in der Skrotalhaut) und der Verlauf gegen einen Abszess.

    3 Tage präoperativ wurde ambulant eine Sonographie des Hodens durchgeführt:
    \"In der Skrotalhaut zeigt sich eine Raumforderung, umgeben von einer relativ kräftig wirkenden Kapsel, es zeigt sich eine fast echofreie Zone, Gesamtdurchmesser ca. 3 cm, Tiefenausdehnung ca. 2 cm, darunter Fettgewebe. Der Befund wäre mit einem Abszess vereinbar. Beide Skrotalfächer selbst davon nciht betroffen, unauffällige Struktur der Hoden.\"
    Im Untersuchungsbefund ambulant 3 d präoperativ wird mäßiger Schmerz angegeben.

    Der Histologiebefund zeigt ein Haut-Weichtelexcisat mit Hautbedeckung mit einer 2,5 cm großen mit putridem sämigem Mantel gefüllte cystische Struktur. 2 Kapseln, mit Rest. ... unter (2) weitere Anteile der hier teils phlegmonösen, teils abszedierenden Entzündung. ... dann auch Anteile einer plattenepithelialen Cystenauskleidung im Randbereich. An der Oberfläche regelhaft geschichtetes Plattenepithel.

    Lt. OP-Bericht linsenförmige Umschneidung des infizierten Atheroms, das zirkulär freipräpariert wird. Es wird komplett exzidiert und in toto entfernt.

    Im während der OP entnommenen Abstriches zeigt sich vereinzelt Actinomyces meyeri. Perioperativ i.v-Antibiose, ab 1. post-OP Tag Umstellung der Antibiose auf oral. Während der OP wurde ein Redon eingelegt, das am OP-Tag und post-OP Tag nichts gefördert hat, am 2. post-OP Tag wenig und am 4. post-OP Tag gezogen wurde.
    Warum das Redon 4 Tage belassen wurde, kann ich jedoch nicht ganz nachvollziehen.

    Meines Erachtens handelt es sich nicht um eine Entzündliche Reaktion des Skrotums (HD N49.2) sondern um eine Entzündliche Reaktion der Epidermiszyste (HD L72.0), die in der Haut lokalisiert ist. Daher wäre ein Kode aus dem Hautbereich (5-895.2c) anzuwenden.

    Auf jeden Fall käme man mit beiden Versionen
    a) HD N49.2 Proz. 5.612.1 RG 0,719
    b) HD L72.0 Proz. 5-895.2c RG 0,624 aus der Fehler-DRG heraus.

    Ich erbitte weitere Stellungnahmen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mit freundlichen Grüßen
    tehall

  • Hallo,

    puh. :sterne:

    Interesannte Fragestellung.

    Hab mir mal ein paar Gedanken gemacht.

    Ich stehe auf Seiten von Hr. Wagner.
    Die Kodierung von ihm, sehe ich als die spezifischere an.

    Zur Begründung:

    Der Hodensack oder das Skrotum zählt zu den männlichen Geschlechtsorganen und ist ein Haut- und Muskelsack bei Säugetieren.

    Da also definitionsgemäß die Haut zum Skrotum gehört, ist die Kodierung mit Entzündlicher Krankheit des Skrotums spezifischer - also N492.
    Ebenso wie der OPS 5-612.1 spezifisch die Art und Stelle der OP wiedergibt.

    Bin schon gespannt, wie die anderen Forumsmitglieder das sehen.

    MfG :)

  • Hallo Herr Carsi,

    danke für Ihre Antwort.

    Für mich stellt sich die Frage, was als spezifischer anzusehen ist:
    die Lokalisation in Bezug auf den Körperteil, d.h. hier im Fall wäre das das Skrotum oder die Kausalität d.h. die Epidermiszyste, die von der Entstehung her der Haut zuzuordnen ist????

    Auslöser der Erkrankung war ja eine Entzündung der Epidermiszyste und nicht eine Entzündung des Skrotums.

    Epidermiszysten kommen an verschiedenen Lokalisationen vor, vor allem im Gesicht, Rumpf, selten am Skrotum und sind von der Entstehung eindeutig der Haut zuzuordnen. Es handelt sich um Retentionszysten des Follikelinfundibulums mit Horn- und Talgretention sowie epidermaler Verhornung der Zystenwand.
    Typisch für Epidermiszysten ist, dass sie sich immer wieder entzünden können und dann mit der Umgebung verbacken. Bei nicht kompletter Entfernung des Zystensackes rezidivieren diese Zysten häufig. Auch durch unsachgemäße mechanische Bearbeitung (z.B. fehlerhaftes Exprimieren) kann es zu Entzündungen kommen.

    Müßte damit dann nicht L72.0 Epidermiszyste als HD gelten und eine Prozedur aus dem Kapitel Haut verwendet werden?

    Danke für Ihre Meinungen.

    Mit freundlichen Grüßen
    tehall

  • Hallo Tehall,

    ich verstehe ihr Problem.
    Muss dazu sagen, bin weder Urologe noch Dermatologe, nicht mal Arzt :)

    Bin lediglich Kodierer.....

    Wenn ich mir allerdings die ICD unter N49. anschaue, so steht unter N499:

    N49.9
    Entzündliche Krankheit eines nicht näher bezeichneten männlichen Genitalorgans

    Inkl.: Abszess
    Furunkel
    Karbunkel
    Phlegmone
    nicht näher bezeichnetes männliches Genitalorgan

    Das würde doch eigentlich auch dafür sprechen, dass Abszesse, Phlegmone etc. unter das Kapitel N49 fallen und somit zur noch näheren Spezifizierung dann N49.2 anzugeben wäre?!?

    Und somit dann auch einen OPS aus Operationen an den männlichen Geschlechtsorganen .....

    Mag mich natürlich irren. Warten wir mal ab, was noch für Meinungen folgen.

    LG

  • Hallo carsi,
    dagegen spricht.
    Das Skrotum ist ein näher bezeichnetes Geschlechtsteil.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo tehall,

    Zitat


    Original von tehall:
    ... spricht die primäre Wundversorgung, der Sonographiebefund (RF in der Skrotalhaut) und der Verlauf gegen einen Abszess.


    Nein, bei kompletter Excision des Abszesses ist ein primärer Wundverschuß möglich,
    man läßt dann evtl. die Drainage etwas länger :d_zwinker:

    Zitat


    Original von tehall:
    \"In der Skrotalhaut zeigt sich eine Raumforderung, umgeben von einer relativ kräftig wirkenden Kapsel, es zeigt sich eine fast echofreie Zone, Gesamtdurchmesser ca. 3 cm, Tiefenausdehnung ca. 2 cm, darunter Fettgewebe. Der Befund wäre mit einem Abszess vereinbar....


    ... sonografisch Abszeß

    Zitat


    Original von tehall:
    Der Histologiebefund zeigt ein Haut-Weichtelexcisat mit Hautbedeckung mit einer 2,5 cm großen mit putridem sämigem Mantel gefüllte cystische Struktur. 2 Kapseln, mit Rest. ... unter (2) weitere Anteile der hier teils phlegmonösen, teils abszedierenden Entzündung. ...


    ... histologisch Abszeß

    Zitat


    Original von tehall:
    Lt. OP-Bericht linsenförmige Umschneidung des infizierten Atheroms, das zirkulär freipräpariert wird. Es wird komplett exzidiert und in toto entfernt.


    ... auch hier, infiziertes Atherom


    Zitat


    Original von tehall:
    Meines Erachtens handelt es sich nicht um eine Entzündliche Reaktion des Skrotums (HD N49.2) sondern um eine Entzündliche Reaktion der Epidermiszyste (HD L72.0), die in der Haut lokalisiert ist. Daher wäre ein Kode aus dem Hautbereich (5-895.2c) anzuwenden.

    Es handelt sich um eine entzündliche Reaktion im Bereich des Skrotums, die in der Haut des Skrotums lokalisiert ist. Ich bleibe bei N49.2.

    Zu den Prozeduren:
    5-61 .. = Operationen am Skrotum und Tunica vaginalis testis
    5-89 .. = Operationen an Haut und Unterhaut

    Also da ist doch 5-61 für diesen Fall klar spezifischer, oder?

    (Nebenbei, die Entfernung von infiziertem Gewebe an Haut und Unterhaut ist 5-893)

    Viele Grüße aus Melle
    Dr. Th. Wagner 8)
    Facharzt für Chirurgie
    Leiter Medizincontrolling
    christl. Klinikum Melle

  • Hallo Hr. Horndasch,

    ich wollte nicht N499 als ND sondern N492.
    Daher auch der Satz von mir:

    Das würde doch eigentlich auch dafür sprechen, dass Abszesse, Phlegmone etc. unter das Kapitel N49 fallen und somit zur noch näheren Spezifizierung dann N49.2 anzugeben wäre

    Ich bleibe also weiterhin bei der von Hr. Wagner vorgeschlagenen Kodierung.

    MfG

  • Hallo Herr Dr. Wagner, hallo Carsi,

    vielen Dank für Ihre Stellungnahmen.

    Herr Wagner, würde man Ihrer Argumentation folgen (Entzündung im Bereich der Hodenhaut => Kode 5-61... Operationen an Skrotum und Tunica vaginalis testis), dann wären die Prozeduren für Operationen an der Haut, speziell für solche Körperteile, wo es Organkapitel gibt, eigentlich überflüssig.

    Falls eine nichtentzündlichen Epidermiszyste (L72.0) im Gesicht (häufigste Lokalisation von Epidermiszysten) vorliegen würde, gäbe es im Kapitel Operationen an Mundhöhle und Gesicht (5-23.. 5-28) keinen entsprechenden Kode zur Excision der Zyste. D.h. man müßte hier auf jeden Fall einen Hautkode verwenden (5-89..).
    Warum sollte man anders verfahren, wenn die Zyste am Skrotum lokalisiert ist? Der operative Aufwand ist meines Erachtens ähnlich, egal ob die Enukleation im Gesicht oder am Skrotum stattfindet.

    Danke für den Hinweis auf Kode 5-893!!!

    Lt. Zusammenfassung des Histologiebefund handelt es sich um eine rupturierte Epidermoidcyste (d.h. keinen Abszeß) mit phlegmonöser und abszedierender Entzündung in der Nachbarschaft, d.h. die Zyste steht im Vorgergrund.

    Aus urologischer Sicht finde ich die Argumentation mit der Prozedur 5-61.. Operationen an Skrotum und Tunica vaginalis testis nachvollziehbar.
    Aus dermatologischer Sicht finde ich die Argumentation mit der Prozedur 5-89... Operationen an Haut und Unterhaut auch ergänzend unter Einbezug obiger Argumente logischer und richtiger.

    Mit freundlichen Grüßen
    tehall

  • Hallo Hr. tehall,

    scheinbar kommen wir hier wohl auf keinen gemeinsamen Nenner.

    Wenn Sie den Fall abrechnen, würde mich interessieren, ob die Kasse Ihre Abrechnung akzeptiert oder den MDK einschaltet.
    Und dann würde mich das Ergebnis des MDK interessieren.

    Vielleicht sind sie so lieb und berichten, wie der Fall ausgegangen ist.

    Danke!

    LG