Langlieger Psychiatrie

  • Hallo Forum!
    Ich bin neu, sowohl hier im Forum als auch im Controlling allgemein und brauche Hilfe bei einem psychiatrischen Fall.
    Pat. war mehrere Monate stationär, unbefristete Kostenzusage. Ein paar Wochen nach Entlassung erfolgte die Endabrechnung, nach weiteren 10 Tagen Einleitung des MDK-Verfahrens, also zeitgerecht. Nach dem Wortlaut des BSG-Urteil vom 13.12.01 wurde das Verfahren rechtzeitig eingeleitet.
    Allerdings wurde mit dem Urteil doch wohl bezweckt, dass die Krankenhäuser vor verspäteten Anfragen geschützt werden. Hätte die Krankenkasse nicht während der langen Behandlung schon einmal nachfragen müssen ?
    Hat jemand Erfahrung mit ähnlichen Fällen ? Ich fahr jetzt erst mal in Urlaub.

    Schönen Gruß!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo Leo!

    Das mit dem Nachfragen müssen steht leider nirgendwo, formal ist das Hinzuziehen des MDK nach Eingang der Rechnung ok. Es gibt aber auch die Rechtsauffassung, dass die Krankenkasse sich nach Abgabe einer unbefristeten KÜ (die nur deklarativ, aber nicht konstitutiv ist)weiterer Einspruchsmöglichkeiten begibt, also auch den MDK nicht mehr einschalten darf. Zumindest muss die Kasse sich fragen lassen, warum sie die KÜ nicht befristet hat, dann hätte das Krankenhaus die Verlängerung der Verweildauer begründen müssen.

    Gruß und schönen Urlaub

    --
    Manfred Nast
    Medizincontrolling Bethesda AK Bergedorf Hamburg

    Manfred Nast

  • Schönen guten Tag allerseits und insbesondere Leo

    Im Hessichen Landesvertrag nach § 112 SGB V steht, dass die Überprüfung der Notwendigkeit oder Dauer der Krankenhausbehandlung in der Regel während des Aufenthaltes des Patienten erfolgen "soll" ("soll" im juristischen Sinne, d. h. Ausnahmen nur im begründeten Einzelfall). Natürlich hält sich meistens keiner daran. Es gibt aber wohl inzwischen Urteile des Landessozialgerichts Hessen, die mir allerdings leider im Wortlaut nicht vorliegen, in denen entschieden worden sei, dass bei Langliegern die Überprüfung noch während des stationären Aufenthaltes zu erfolgen habe.

    Vielleicht können Sie damit etwas anfangen und vielleicht kann jemand entsprechende Urteile zur Verfügung stellen.

    Schönen Tag noch,
    --
    Reinhard Schaffert

    Medizincontroller
    Facharzt für Chirurgie
    Krankenhausbetriebswirt(VWA)
    Kliniken des Wetteraukreises

  • Hallo Forum, willkommen Leo, hallo Herr Nast und natürlich Herr Schaffert,

    ich bin schon der Meinung, dass die Krankenkasse unbeschadet einer unbefristet ausgestellten KÜ-Erklärung den MDK einschalten darf. Es ändert sich durch das Vorliegen der KÜ lediglich die Frage der Beweislast:

    In dem von Leo geschilderten Fall liegt die Beweislast bei der Krankenkasse, d.h. diese hat ggf. mit Hilfe des MDK (vgl. BSG v. 17.05.2000) substantiiert darzulegen, dass vorausschauend betrachtet der Krankenhausaufenthalt entweder nicht notwendig war, bzw. in diesem Fall wahrscheinlich, nicht für die gesamte Dauer notwendig war.

    Ist die Dokumentation des Krankenhauses unzureichend oder/und liegt keine Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse vor, so geht die Beweislast auf das Krankenhaus über (Umkehr der Beweislast, siehe o.a. BSG-Entscheidung).

    Zu Herrn Schaffert:

    Die Urteile aus Hessen würden mich auch mal interessieren; vor allem vor dem Hintergrund, dass in einigen Fällen der Begutachtungsauftrag an den MDK zwar rechtzeitig während der laufenden Behandlung erteilt wird, der MDK aber durch bloße Untätigkeit die Prüfung nicht mehr während des Aufenthaltes durchführt. Sind wir dann die Dummen? Wie sollen wir den MDK zwingen?

    Ich denke, es ist auch plausibel, dass Kassen lieber einen Patienten mit Hilfe des MDK früher aus dem Krankenhaus bekommen, als sich hinterher monatelang über Geld für eine Leistung zu streiten, die ja - wenn auch vielleicht unnötig - definitiv erbracht wurde.

    Zu der "Soll"-Regelung: Der Regelfall in meiner täglichen Praxis ist, dass z.B. Verlegungen erst mit der Entlassungsanzeige gemeldet werden. Außerdem ändern sich regelmäßig während eines (langen psychiatrischen) Aufenthaltes die Diagnosen bzw. sie "vermehren sich".

    In diesen Fällen kann die Krankenkasse erst nach Abschluss der Behandlung Kenntnis davon erlangen und dann - ohne schuldhaftes Verzögern - die Prüfung einleiten.

    Amüsiert hat mich übrigens die Bemerkung "warum hat die Kasse nicht befristet". WIR DÜRFEN DAS (GRUNDSÄTZLICH) NICHT - DAS HALTEN UNS JEDENFALLS KRANKENHÄUSER VOR, WENN WIR ES MAL TUN!!!

    In diesem Sinne, schönes Wochenende,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Hallo ToDo,

    das ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Natürlich befristen Krankenkassen ihre Kostenübernahme, häufig genug ohne Sinn und Verstand. Oder sie behaupten (z. B. bei Diabetes mit Stoffwechselentgleisung), das könne auch ambulant gemacht werden, und verweigern die Kostenübernahme. Ich kann damit leben - und unsere Psychiater auch - wenn eine Kostenübernahme für eine stationäre psychiatrische Behandlung auf eine sinnvolle Länge (28 Tage?) befristet wird, besser jedenfalls als mit Befristungen von 7 Tagen bei Schlaganfall oder Herzinsuffizienz mit Begleiterkrankungen.
    NB: Bei uns ist es gelegentlich so, dass der MDK bei psychiatrischen Patienten schon während des Aufenthalts tätig wird. Das finde ich grundsätzlich ok, weil man dann noch die Chance hat, den Entlassungstermin zu beeinflussen und sich Gedanken über die weitere Behandlung des Patienten zu machen. Das ist m. E. besser, als nach Entlassung vorgehalten zu bekommen, das wäre auch alles in viel kürzerer Zeit möglich gewesen. Wohlgemerkt gilt das aber nur für die Psychiatrie und einzelne entsprechend gelagerte Fälle. Die behandelnden Ärzte können sich natürlich nicht flächendeckend die Behandlungsdauer von Medizinern diktieren lassen, die nach Aktenlage entscheiden.

    Gruß aus Hamburg
    --
    Manfred Nast
    Medizincontrolling Bethesda AK Bergedorf Hamburg

    Manfred Nast

  • Hallo Herr Nast,

    Sie haben vollkommen recht, ich möchte nur nicht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Wenn die Krankenhäuser die Krankenkassen immer und immer wieder darauf hinweisen, dass Befristungen unzulässig sind, können Sie in einem solchen Fall nicht plötzlich das einfordern, das Sie immer zu verhindern versuchen bzw. ignorieren (ja, Befristungen werden von Krankenhäusern reihenweise ignoriert; aufgrund der "eindeutigen Rechtslage") ...

    Zum MDK (vielleicht gibt es ja von dieser Seite hier auch interessierte Mitleser / könnte jedenfalls nicht schaden):

    Auch hier in der Region gibt es ein psychiatrisches Krankenhaus. Dort gab es in der "Blütezeit" des MDK einen Arzt, der dort einmal wöchentlich eine Begehung gemacht hat. Das Krankenhaus hat dem Arzt Verlängerungsanträge vorgelegt von Patienten, deren Befristung bis zu seinem nächsten Besuch ablief. Der MDK hat auf der Rückseite des Verlängerungsantrages in dafür vorgesehenen Feldern seine (kurze) Stellungnahme mit voraussichtlicher weiterer VWD abgegeben.

    So hatten wir Verlängerungsantrag und MDK-"Gutachten" zeitgleich und i.d.R. vor Ablauf der Befristung, brauchten keinen bürokratischen Aufwand mehr betreiben und konnten zeitnah bewilligen.

    Dieses Verfahren wurde vor wenigen Jahren eingestellt. Seitdem klagt der zuständige MDK mehr denn je über die Flut der Aufträge der Kassen und die KK´s und KH´s fluchen mehr denn je über die langen Bearbeitungszeiten.

    Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass unter betriebswirtschaftlichen Aspekten eine Rückkehr zu diesem alten Verfahren den MDK wirtschaftlich wie zeitlich mehr belasten würde, als der Ist-Zustand.

    Aber Sie sehen, dafür dass es ja nageblich "unser" MDK ist, sind wir genauso unzufrieden und hilflos ausgeliefert wie Sie...


    Gruß,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Hallo ToDo, Hallo Forum,

    ToDo: es ist ja auch "Ihr" MDK und da sie nicht der einzige sind, der unter den lagen Bearbeitungszeiten leidet (ich meine damit nicht nur die Krankenhäuser sondern die bei einigen Krankenkassen durchaus vorhandenen Mitarbeiter mit Verantwortungsgefühl gegenüber dem Patienten und dem Vertragspartner Krankenhaus) sollten Sie Ihren Einfluss über die Gremien des MDK evtl. schon nutzen.

    Ziel könnte z.B: eine verursachergerechte Kostenzuordnung sein, denn heute subeventioniert aus meiner Sicht manche große Kasse über den hohen Umlageanteil das überproportional hohe Anfragevolumen mancher kleineren Krankenkasse.

    Schöne Grüße "edler Fürst"

    FD