Intoxikation mit Lokalanästhetika

  • Hallo liebe Kodierprofis,

    kaum hier Angemeldet, schon hab ich ein Problem, das ich mit euch diskutieren möchte.
    Für einen kleinen Eingriff am Unterarm bekommt ein Patient in einer Praxis vom niedergelassenen Anästhesisten eine i.V.-Regionale (Bier-Block). Für Nichtanästhesisten: dabei bekommt der Patient eine Blutsperre an den Oberarm, anschliessend werden ihm eine relativ hohe Dosis Lokalanästhetika i.V. in den selben Arm gespritzt, der daraufhin Anästhesiert ist.
    Normalerweies wird für dieses Verfahren Prilocain benutzt, da es kaum Systemische Nebenwirkungen besitzt.
    In diesem Fall wurde fälschlicherweise Bubivacain injiziert. Bubivacain ist sehr kardiotoxisch, und kann systemisch zum Herzstillstand führen.

    Als der Fehler bemerkt wurde, wurde der Patient mit noch geblockter Blutsperre zu uns auf die Intensivstation verlegt. Nach dortigem langsamen Öffnen der Manschette traten Gottseidank neben einer kurzfristigen Verwirrtheit keine weiteren Symptome auf. Der Patient wurde noch für einen Tag überwacht und dann nach Hause entlassen.

    Ich wollte nun als HD T41.3 \"vergiftung mit Lokalanästhetika\" und Y57.9 \"Komplikation durch Arzneimittel\" als verbundene !-Diagnose kodieren. das System meldet aber dann, dass nach :dkr: Beide Schlüssel nicht zusammen verwendet werden dürfen. Wie soll ich nun verschlüsseln?

    Stefan Stern

    Dr. Stefan Stern :sterne:
    Klinik für Anästhesiologie
    Klinikum der Universität München

  • Hallo Herr Stern!

    Ich würde das so verstehen, das in der T41.3 (...Lokalanästhetika) die Y57.9 quasi schon enthalten ist und nur die T41.3 kodieren.

    MfG
    Eckhardt

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    Redundanzen scheinen an anderen Stellen aber leider kein Problem zu sein, siehe Beispiel 1 bei der DKR 1913a Folgeerscheinungen von Verletzungen, Vergiftungen, toxischen Wirkungen und anderen äußeren Ursachen.

    Ein Patient wird zur Behandlung einer Fehlstellung, die Folge einer abgeheilten Radiusfraktur ist, stationär aufgenommen.
    Hauptdiagnose: M84.03 Frakturheilung in Fehlstellung, Unterarm
    Nebendiagnose(n): T92.1 Folgen einer Fraktur des Armes

    Ohne Worte......

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo die Herren Stern und Eckhardt,

    Die T41.3 ist schon in Ordnung, ich würde aber statt der ja/nein diskutierten Y57.9 die T88.5 als Anaesthesiezwischenfall nehmen.
    Siehe dazu auch das Beispiel von Herrn Selter.

    Wurde die geplante OP durchgeführt oder abgebrochen? Daraus könnten sich weitere Codes ergeben.


    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

  • Hallo herr Winter,

    die T88.5 geht nicht, da bei den Exkl. in allen T88.- Codes steht:

    Zitat

    Exkl. alle Komplikationen nach: Infusion, Transfusion oder Injektion zu therapeutischen Zwecken


    Die OP wurde wohl durchgeführt, allerdings ja nicht in unserem Haus.

    S. Stern

    Dr. Stefan Stern :sterne:
    Klinik für Anästhesiologie
    Klinikum der Universität München

  • Hallo Herr Stern,

    haben Sie vielen Dank für Ihren Hinweis, daß die T88.5 wohl nicht korrekt sei. Das Exclusivum habe ich tatsächlich überlesen, nobody is perfect.

    Deshalb habe ich mich mit dem Fall nochmals genauer beschäftigt.

    Wenn man sich die T88er Codes ansieht, muß man sich fragen, wie - außer bei enteraler Gabe - will man die Codes erreichen. Eine Impfkomplikation (T88.0/1) ist auch eine Injektion, wenn man von der Schluckimpfung absieht. Schock durch Anaesthesie bei bei ordnungsgemäßer Verabreichung.... (auch wenigstens zum Teil per Injektionem)ist die T88.2. Hier finden Sie einen interessanten Querverweis zur T36 - T50. Hier passt die T41.3 gut hinein.

    Mit anderen Worten, das Exclusivum, welches bei der T88 zur T80 weist, kann in freier Interpretation durch die Wahl der T41.3 schon erfüllt sein.

    Natürlich kann man aber auch eine T80.8 diskutieren und für diesen Hinweis danke ich Ihnen. Hier ginge aber der Narkosezwischenfall total unter. Nicht zuletzt, weist die gleiche Exclusivumliste bei der T88 bei der Anaesthesie nur zur O89; O29 und O74. Während die Vergiftung durch Arzeneimittel in der gleichen Liste zur T36 - T65 weist. Dieser Querverweis wurde mit der T41.3 bereits erfüllt.

    Mit der T88.5 sollte der Narkosezwischenfall per se codiert werden und nicht die Art, wie er zustande kam. Es gibt also neben den pathologischen Wirbelfrakturen noch mehr Teufelskreise in der ICD bei denen man entscheiden muß, was am wenigsten falsch ist.

    Da die OP nicht bei Ihnen stattfand, müssen sich Ihnen zum Glück andere um die potentiellen Abbruchcodes kümmern.

    Dies nur als Ergänzung.

    Mit freundlichen Grüßen

    Thomas Winter
    Berlin

  • Hallo Herr Stern,

    da sehe ich zwei Probleme:

    1.) unser KIS ORBIS läßt die Kombi T41.3+ Y57.9! zu
    DIACOS bietet ebenfalls bei T41.3 Tetracain die Möglichkeit zum Sekundär-Code

    2.) inhaltlicher Fehler:

    Kapitel XX

    --------------------------------------------------------------------------------
    Äußere Ursachen von Morbidität und Mortalität
    (V01-Y98)
    Komplikationen bei der medizinischen und chirurgischen Behandlung
    (Y40-Y84)

    Inkl.: Chirurgische und medizinische Maßnahmen als Ursache einer abnormen Reaktion eines Patienten oder einer späteren Komplikation, ohne Angabe eines Zwischenfalls zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme
    Indikationsgerecht angewendetes und in therapeutischer oder prophylaktischer Dosierung korrekt verabreichtes Arzneimittel als Ursache einer unerwünschten Nebenwirkung
    Komplikationen durch medizintechnische Geräte und Produkte
    Zwischenfälle bei der medizinischen und chirurgischen Behandlung

    Exkl.: Akzidentelle Überdosierung eines Arzneimittels oder einer Droge, irrtümliche Verabreichung oder Einnahme eines falschen Arzneimittels (X49.9)

    Y57.9! Komplikationen durch Arzneimittel oder Drogen
    Inkl.: Unerwünschte Nebenwirkung von Arzneimitteln und Drogen bei indikationsgerechter Anwendung und in korrekter therapeutischer oder prophylaktischer Dosierung

    Exkl.: Unfälle bei der Verabreichungsmethode von Arzneimitteln, Drogen oder biologisch aktiven Substanzen bei medizinischen und chirurgischen Maßnahmen (Y69)

    Versuchen Sie X49.9! als Sekundär-Code. Wenn der auch nicht speicherbar sein sollte, liegt es an Ihrem KIS.

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Hallo Herr Konzelmann,

    Danke für den Tip mit X49.9!. Das wäre gegangen und hätte gut gepasst. Aber lieder habe ch den fall schon zur abrechnung gegeben, und da ist er auch schon durch. Aber ich habe wieder aus meinen Fehlern hier gelernt.

    S. Stern

    Dr. Stefan Stern :sterne:
    Klinik für Anästhesiologie
    Klinikum der Universität München

  • Hallo Herr Stern,

    in solchen Fällen scheue ich mich nicht, die Entlassmitteilung und ggf. Abrechnung zu ändern, denn das macht ja Sinn. Allerdings sitze ich halt dort, wo dies problemlos möglich ist. Wenn die Stationsärzte oder DRG-Beauftragte Änderungen bei abgerechneten Fällen wollen, rufen sie bei mir an.

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Hallo die Herren Konzelmann und Stern,

    natürlich ist die X49.9 gegenüber der Y57.9 der richtigere Code. Aber ein Narkosezwischenfall ist damit auch nicht ausgedrückt sondern nur eine akzidentelle Vergiftung einschließlich dem Verzehr giftiger Tiere und Pfanzen. Die X49.9! kann zusätzlich vergeben werden. DRG-Relevanz haben diese Codes im Gegensatz zur T88.ff (noch) nicht (s. Handbuch für 2004 Band 5). Solange das Kapitel XX nicht vollständig in der ICD-GM aufgenommen ist, sind die dortigen Codes recht nichtssagend und viel zu global (besser wäre z.B. die verbotene X42.2 der WHO-Ausgabe u.a. Akzidentelle Vergiftung durch....Betäubungsmittel im Krankenhaus, aber auch dieser Code beschreibt keinen Narkosezwischenfall per se).

    Man kann also trefflich weiterdiskutieren.

    Mit freundlichen Grüßen

    Thomas Winter
    Berlin