Dkumentationseinführung durch die Hintertür....

  • Hallo,

    im neuen OPS gibt es ja verschieden OPS-Codes die auf z.T. umstrittenen Scores beruhen. Hier ist v.a. zu erwähnen Barthelsindex, erweiterter Barthelsindex, FIM, erweiterter FIM, TISS, SAPS....

    Diese Codes sind ja jetzt offiziell (?).

    Das heisst das einige wenige, mittels Aufnahme dieser Codes in die gesetzliche OPS-Liste, alle 2200 Häuser in Deutschland zur Einführung von SAPS, TISS, Barthels etc. zwingen können?

    Daneben sollen jetzt auch Physiotherapieleistungen und vieles mehr codiert werden, jede Berufsgruppenlobby scheint hier eigene Interessen ins System einbringen zu wollen und alle müssen es ausbaden....

    Dies halte ich für höchst bedenklich!

    Und was, wenn man diese Codes und die damit verbundenen Aufwand einfach sein lässt.... :erschreck: , was wenn sich hier eine Gegenlobby bildet die passiven Widerstand leistet :i_baeh: bzw. diese bisher unwichtigen Codes ignoriert und deshalb das Ansinnen über diese Codes Splittung zu erreichen torpetiert (besonders kalkulationshäuser sind hier gefragt!!!!)...

    Müssen wir uns hier alles gefallen lassen?
    Wo soll das enden, werden wir weiter der explodierenden Dokumentationswut passiv zusehen....

    Wir haben jedenfalls sehr grosse Problem dies Umzusetzten, da dies neben der unsäglichen Zusatzentgelteinführung (die Einzelfallmengenerfassung ist hier nur mittels Papier machbar), noch mehr Papierbögen zum ausfüllen und in die EDV einzutippen bedeutet...

    Andere Häuser werden ähnliche Probleme haben....

    Ich hoffe auf eine intensive Diskussion....

    Gruß

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin

  • Glück Auf Herr Lückert

    Auch wenn ich Ihren Frust zur aktuellen Situation verstehe, ist für mich die scheinbare Dokumentationsausweitung ein hinzunehmendes Übel.
    Wären wir in der Lage eine vollständig und korrekt geführte Behandlungsakte (auch in Papierform) direkt in den Grouper zu stecken und daraus einen leistungsgerechten Entgeltvorschlag zu erhalten gäbe es das von Ihnen beschriebene Problem nicht. Es gäbe auch keine Sozialgericht-fähigen Diskrepanzen. Denn alle zur Zeit notwendigen Dokumentationen sind irgendwo bereits heute schon niedergeschrieben. Aber leider in vielfachen Systemen und auf vielfälltigen Medien.
    Leider sind wir von obigen Idealzustand noch meilenweit entfernt und müssen uns mit Hilfskonstrukten wie Kodierungen, Scores etc. behelfen um einen Bewertungsmaßstab zu erhalten. Das Ideal macht auch uns als Medizincontroller oder die entsprechenden Gegenspieler auf Kassenseite überflüssig.
    Der von Ihnen vorgeschlagene Weg zur Vereinfachung des Systems steht dem Anspruch einer leistungsgerechteh Differenzierung in meinen Augen diametral entgegen. Meine Intention zur Verbesserung der IST Situation zielt vielmehr dahin aus den vorhandenen und in ihrer Grundsinnigkeit nicht angezweifelten Primärdokumentation ohne intellektuelle Zusatzleistungen zum Beispiel auch eine Rechnung generieren zu können, oder ein Tumorregister oder ....

    Zu Empfehlen ist hier im Vorwort der ICD 9 ein Zitat von William Farr (1807 - 1883 Urvater moderner Kodierungen):
    ...natürlich können verschiedene Arten der Einteilung angebracht sein, und jeder, ob Arzt, Pathologe oder Jurist hat das Recht, die Todesursachen so einzuteilen, wie es ihm zur Erleichterung seiner Aufgaben und zur Erlangung allgemeiner Ergebnisse angemessen erscheint....

    Diese Aussage hat auch nach fast 150 Jahren nichts an Aktualität verloren.

    Gelsenkirchen, (das Wetter wage ich nicht zu beschreiben)

    M. Kilian

    Michael Kilian

  • Hallo zusammen,

    es gibt ein wenig Hoffnung auf die Reduzierung auf ein erträgliches Maß der Dokumentationsverpflichtungen. Wenn ich mich richtig erinnere, haben einige Abgeordnete des baden-württembergischen Landtags einen Antrag an die Landesregierung gestellt, sich darum zu bemühen (siehe auch der Tag 17.11.2004 ehemals sog. DRG-Zeitung). Ob das beim BMGS zum Erfolg führt, muß abgewartet werden. Im Jahr 2005 jedenfalls werden wir wohl nicht arbeitslos. Ich sage immer wieder: bildet aus und bietet Praktikumsplätze an. Ich kann mich um vieles auch erst dann kümmern, wenn wieder Arbeitskräfte da sind, denen man guten Gewissens bestimmte Routinearbeiten anvertrauen kann.

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Hallo Hr. Kilian,

    also das mit dem Leistungsgerecht ist der Knackpunkt....

    Halte den Ansatz für generell falsch, ja fatal, es geht hier eben nicht um die Finanzierung von Leistungen und das sollte auch auf alle Fälle verhindert werden.

    Diese leistungsbezogene Finanzierzung der Medizin, hat doch durch den Fehlanreiz: Mehrleistung lohnt sich, zu der höchsten Großgerätedichte weltweit (Linksherzkatheder) geführt und dazu, dass die persönliche Zuwendung des Arztes und die sogenannte sprechende Medizin abgewertet wurde (keine messbare Leistung halt! siehe auch Einkommensunterschiede Kinderärzte versus Radiologen).

    Es geht vielmehr um die adäquate Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausbehandlung und Transparenz um das ganze planbar zu machen und die vorhanden Ressourcen optimal zu verteilen.

    Und da versuchen jetzt alle ihre \'Spezialleistungen\' ins System zu bringen und krampfhaft ihre Leistung im System zu verankern, dabei glaube ich wirklich nicht, das eine gleichwertige Intensivstation in München anders beim gleichen Fall arbeitet wie eine in Essen....

    Wäre es nicht eher vernüftig die Intensivstationen erst mal nach Ausstattung und Behandlungsmöglichkeit einheitlich nach Struktur zu klassifizieren, weil Intensiv ist keinesfalls gleich Intensiv?

    Deshalb halte ich dieses Scoresystem für generell falsch, zudem hier durch einen Code, durch die Hintertür eine Menge Mehrarbeit/Fall erzeugt wird.

    Ich denke, wenn ein Volkswirt mal berechnen würde, was dieser Unvalidierte Score-OPS-Geniestreich (der nächstes jahr wieder draussen sein kann!) an Einführungskosten verursacht, dann würde vieleicht auch andere darauf kommen, dass das INEK Eingaben und Wünsche künftig wesentlich rigider Handhaben muss.

    Gruß

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin

  • Glück Auf Herr Lückert

    Wenn ich Ihren Ansatz richtig verstehe wäre der Aufbau des folgenden Gesundheitssystems möglich:

    Alle Therapeuten erhalten grundsätzlich für ihre personengebundenen Mühen ein festes und gleiches Salär. Ebenso werden alle zusätzlichen Aufwendungen durch Diagnostik und Therapie ebenso fixpauschaliert abgegolten.
    Ob ein solches monolithisches System funktioniert wage ich zu bezweifeln.

    Aber nun wieder konkret. Wir stehen auch in der Medizin vor dem Problem einen Preis zu finden. Dieser sollte angemessen und gerecht sein, und letztlich muss er auch bezahlbar sein.
    Dahin können viele Wege führen. Ob konkret ein Scoring oder eine Strukturkomponente der bessere Weg sind das ist auch unter dem Gesichtspunkt des Nachweisaufwand zu betrachten. Soweit sind wir gleicher Meinung.

    Aber grundsätzlich bleibt das Problem: Entweder ich detailiere die Preisfindung oder ich simplifiziere. Immer muss ich etwas verteilen und immer kommt beim Verteilen auch ein Maßstab zur Anwendung. Die Frage welchen Wert Krankheitsbehandlung hat muß die Gesellschaft entscheiden.

    Wieder problemnah: Sie haben vollkommen recht das diese Scoring-OPSCodes wahrscheinlich nicht das gelbe vom Ei sind und einen gewaltigen Rattenschwanz nach sich ziehen. Aber nur die Beatmungstunden sind es auch nicht und leider habe ich keinen besseren Vorschlag. Sie? Wie stehen Sie zu den G-AEP Kriterien. Diese müssten doch genauso konträr betrachtet werden.
    Theoretisch zu all dem Gesagten wäre aber auch folgendes Denkbar:
    Einmal im Jahr kommte es zu einer Budgetverhandlung für beispielsweise ein Krankenhaus. Statt hier nun als Verhandlungsgrundlage eine durch Einzelfälle generierte DRG AEB zu bewerten, werden durch beide Seiten repräsentative Leistungs- und Kostenstichproben aus der nativen Dokumentation herangezogen um ein neubewertetes Budget zu ermittel und gleichzeitig das Alt-Budget zu überprüfen. Das Budget wird dann in 12 gleichen Anteilen für das nächste Jahr wieder an das Krankenhaus ausgeschüttet. In ähnlicher Form sind ja hier schon Vorschläge gemacht worden. Dies senkt den Verwaltungsaufwand nachhaltig. Letzlich können wir dann aber auch fordern das es nur noch eine Krankenkasse gibt und diese gleichzeitig auch Erbringer der Leistungen wird. In Spanien gibt es ein solches System. (bei uns das Knappschaftsmodell)
    Es bleibt also ein politisches Problem.

    Gelsenkirchen, schon dunkel (zum Glück man sieht den Regen nicht)

    M. Kilian

    Michael Kilian

  • Hallo,

    die Idee mit dem monatlichen Anteil und dem Ende der Einzelfallabrechnúng unterstütze ich voll. Würde auf Kassenseite und auch bei den Häusern sehr viel Verwaltungspersonal freisetzten, da nunmal aber Kassen zum großteil Verwaltungsleute sind, werden die dem kaum zustimmen.

    Die Festbezahlung von Therapeuten ist eine Möglichkeit, nur wird da das ohnehin überholte Freiberuflertum untergraben, dass werden sich die Ärztekammern niemals unterjubeln lassen. Bliebe z.B. die Kopfpauschale oder ähnliches...wichtig Leistungsentkopplung der Finanzierung.

    Von der Einführung eines Einkaufsmodells (Leistungserbringung und Versicherung sind identisch) halte ich wenig, die Erfahrungen in den USA zeigen, dass das nur den Versicherungen was bringt und sowohl Patienten als auch Leistungserbringer benachteiligt sind. Das wäre nur unter scharfer Kontrolle denkbar und das bedeutet neue Bürokratie.

    Einheitsstaatskasse: Bin ich klar dafür...ist ohnehin eine Pflichtversicherung und der sogenannte Wettbewerb ist ein Farce und nur noch einen Ansprechpartner zu haben wäre wesentlich besser auch könnte dann die Einzelfallabrechnung leichter abgeschafft werden. Aber da viele Vorstandspöstchen historisch mit \'verdienten\' Politikern besetzt sind, werden die wohl alles mobilisieren um das zu verhindern.

    Und zur Preisfindung, ich denke je detaillgenauer und auch eventuell gerechter ein Preissystem wird desto höher der Verwaltungsaufwan, ergo sollte man bewusst Ungerechtigkeiten in Kauf nehmen und simplifizieren oder ums provokant auszudrücken: Lieber 10 Kliniken ungerechtfertigt Bankrott gehen lassen, als 5.000 neue Verwaltungsjobs zu schaffen.... das Geld fehlt dann dem Gesamtsystem.

    Leider habe ich aber den Verdacht das hier 100% Gerechtigkeit angestrebt wird egal was es uns kostet.

    Gruß

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin

  • Liebes Forum,

    Ich halte in diesem Fall den Dokumentationsaufwand durchaus nicht für völlig verfehlt.

    Zitat


    Original von Kilian:

    Aber nun wieder konkret. Wir stehen auch in der Medizin vor dem Problem einen Preis zu finden. Dieser sollte angemessen und gerecht sein, und letztlich muss er auch bezahlbar sein.
    Dahin können viele Wege führen. Ob konkret ein Scoring oder eine Strukturkomponente der bessere Weg sind das ist auch unter dem Gesichtspunkt des Nachweisaufwand zu betrachten. Soweit sind wir gleicher Meinung.

    Wir stehen nicht nur vor dem Problem der Preisfindung, sondern auch dem der mangelnden Vergleichbarkeit medizinischer Daten.
    Die Initiatoren der intensivmed. Komplexbehandlung haben hier m.E. versucht, sowohl den Schweregrad näherungsweise abzubilden (für zukünftige Kalkulationenen) als auch die medizinische Vergleichbarkeit von Patientendaten zu verbessern.

    Zitat


    Original von Kilian:

    Wieder problemnah: Sie haben vollkommen recht das diese Scoring-OPSCodes wahrscheinlich nicht das gelbe vom Ei sind und einen gewaltigen Rattenschwanz nach sich ziehen. Aber nur die Beatmungstunden sind es auch nicht und leider habe ich keinen besseren Vorschlag. Sie? Wie stehen Sie zu den G-AEP Kriterien. Diese müssten doch genauso konträr betrachtet werden.

    Immerhin ist die Scores (im Falle von TISS und SAPS) ein Ansatz, Intensivpatienten vergleichbar zu machen. Die Scores sind anerkannt. Derartig erzeugte Daten könnten für QM-Zwecke, anonymes Benchmarking und interne Behandlungsprofile verwendet werden.

    Dies könnte übrigens auch für wissenschafltiche Auswertungen verwendet werden.

    Zitat


    Original von Kilian:

    werden durch beide Seiten repräsentative Leistungs- und Kostenstichproben aus der nativen Dokumentation herangezogen um ein neubewertetes Budget zu ermittel und gleichzeitig das Alt-Budget zu überprüfen.
    Es bleibt also ein politisches Problem.

    Die \"representativen Stichproben\" zu finden, scheint mir durchaus problematisch, v.a. im Falle von Intensivpatienten mit komplexen Verläufen. Daten zur Abbildung des Schweregrades erhielte man aber gerade durch Scoring-Systeme.

    Abschließend ein Literaturhinweis :deal: :

    Braun J et al.: Kerndatensatz Intensivmedizin- Nur zur Qualitätssicherung? Anästh Intensivmed 2004; 45: 217-226

    Gruß aus Essen

    Merguet

  • Liebes Forum,

    ich sehe das genauso wie herr merguet, allerdings halte ich, wie ich hier schon mehrfach geäussert habe, die Auswahl des Intensivscores Total-Saps + Teil-TISS für mehr als unglücklich, da in keinster weise validiert. Insbesonder der nicht validierte Total-SAPS ist völlig ungeeignet. Der TISS-28 hingegen wäre m.E. eine gute Entscheidung gewesen, da die Beziehung TISS-28-Punkte und Kosten schon mehrfach validiert worden ist.

    Wenn aber die Entwicklung, insbesondere in der kostenträchtigen Intensivmedizin, hin zu Scoringsystemen geht, könnte man bitte andere wirklich unsinnige Dokumentationen nach und nach nicht vermindern (z.B. über 30 Nebendiagnosen beim Intensivpatienten, ZVK-Anlage, -Wechsel, TD-Anlage (nur einmal pro Aufenthalt??))? Die Benutzung des TISS-28 würde sogar die Dokumentation der Beatmungsstunden und der Hämofiltration (u.a.)überflüssig machen, da hier beides täglich mit erfasst wird.

    In sofern gebe ich Herrn Lueckert recht, man kann nicht einerseits immer mehr Dokumentation einführen, aber alte sinnlose Dokumentationen nicht dafür streichen. Ich hoffe hier allerdings hier noch auf das DIMDI und das InEK.

    Stefan Stern

    Dr. Stefan Stern :sterne:
    Klinik für Anästhesiologie
    Klinikum der Universität München