• Einen schönen 3. Advent.

    Ist es zulässig, zusätzlich zu F06.8 (traumatisches Psychosyndrom),hier nach subduralblutung auch noch die R54 (Senilität zu kodieren? Der pflegerische Aufwand müßte doch durch das Psychosyndrom abgedeckt sein?
    Danke.
    Gruß vom codeman

  • Hi codeman,

    ich würde die R54 nur codieren, wenn die Senilität das Patientenmanagement in einer Weise beeinflusst hat, die durch das Durchgangssyndrom nicht erklärt wird (gem. Nebendiagnose-Definition DKR 003b). Bei R54 Senilität wäre ich sowieso sehr zurückhaltend, weil im ICD-10 als Kiriterium festgelegt ist \"ohne Angabe einer Psychose\". Bestimmte Mehrleistungen unter dieser Voraussetzung auf die Senilität ohne Psychose zurückführen zu können, setzt schon eine sehr ausgefeilte psychiatrische Diagnostik voraus, die in den meisten Häusern wohl eher nicht gegeben ist.

    Schönen Advent:i_weihnachtsmann:

    H. Bürgstein

  • Hallo codeman, liebes Forum,
    Was ist Senilität, eine spannende Frage. Im austro-germanischen Grouper :grouper: , der noch nicht vollständig auf deutsche Verhältnisse adaptiert wurde, wird die R54 wie eine Demenz ökonomisch behandelt. Im ICD-10-2005 wird die Senilität mit Altersschwäche, Seneszenz und hohem Alter gleichgesetzt. Das dem alleinigen Eintritt in ein bestimmtes Alter ein Krankheitswert zukommt, darf bezweifelt werden; Sir B. Shaw verfasste 90 jährig noch drei bedeutsame Theaterstücke. Fassbarer wird da schon die Definition der Uni Hamburg : „Bezeichnung für das Nachlassen von Fähigkeiten, die sich durch den normalen Alterungsprozeß (ab ca. 70 Jahre) einstellen. Beispiele: Nachlassen der Sinne wie z.B. Hören und Sehen, Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit, geringere Abwehrkräfte bei Infektionen usw.\" (http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/Projekte/PLex/…ma/Senilita.htm ). Sie trennt diese Prozesse, die bei gut 20% aller Betagten nachweisbar sind (http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode/show.cfm?id=552 ) von den Alterserkrankungen des Gehirns ab. Die AOK mischt die unterschiedlichen Entitäten in ihrer Definition wieder zusammen : „Auftreten von Alterserscheinungen zu einem individuell sehr unterschiedlichen Zeitpunkt. Beispiele: Greisenzittern, Demenz.\" ( http://www.aok.de/bund/tools/med…med.php?id=2506 ). Die alleinige kognitive Beeinträchtigung ( F 06.7 ) ist nach dem ICD-10 anders zu verschlüsseln. Eine klare Definition fehlt also.
    :defman: Ich halte die Diagnose für gerechtfertigt, wenn im hohen Alter ( wirklich schon ab siebzig ? ) es zu einer kognitiven Beeinträchtigung, zu einer Störung der geteilten Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Auffassungsgabe kommt, die das Ausmaß einer Demenz -noch- nicht erreicht; diese Störung muß beeinträchtigend sein. Der erhöhte Resourcenverbrauch spiegelt sich z.B. in wiederholten Aufklärungen wider.
    Für andere Einschätzungen wäre ich dankbar.
    Grüße aus dem Hochnebel in Hessen
    Eckardt

  • Lieber Herr Eckhardt,

    sag ich doch: das mit der Differenzialdiagnose der Demenz bzw. Senilität ist eben eine ziemlich komplizierte Sache, die für die meisten Behandler in der von Ihnen dargelegten Differenzierheit kaum erbracht wird. In all diesen Fällen fachkundigen Rat zu holen ist wohl kaum möglich.

    Wenn ich Sie richtig verstanden habe, führen Sie Gründe an, weshalb es sinnvoll und angebracht sein kann, Senilität zu verschlüsseln. Ich glaube auch, dass dies sinnvoll sein kann, denn es kann bei betagten Patienten im Vergleich zu jungen zu deutlichem Mehraufwand kommen, auch wenn sie nicht dement sind. Hilfreich oder eher sogar notwendig wären dann aber klare diagnostische Kriterien, die ich mir bei vielen Schlüsseln wünschen würde.

    Viele Grüße

    H. Bürgstein

    PS: Müsste es nicht \"australo-germanischer Gruouper\" heißen? Remember: There are no kangaroos in Austria! :kangoo:

  • Lieber Herr Bürgstein,

    PS: Müsste es nicht \"australo-germanischer Gruouper\" heißen? Remember: There are no kangaroos in Austria!

    recht herzlichen Dank für die Belehrung, natürlich haben Sie Recht !

    Gerade in neuropsychologischen Bereich findet sich in dem Grouper 2005 einige -ökonomische Ungereimtheiten. So werden organisch bedingte Störungen ( z.B. affektive ) minder bewertet als psychiatrisch bedingte. Ist eigentlich kaum verständlich, da organisch bedingte Störungen bekanntlicherweise schlechter einer Pharmakotherapie zugänglich sind und damit längere Zeit einen erhöhten Betreuungsaufwand bedürfen.
    Jeder, der geriatrische Patienten betreut, weiß, welchen Aufwand man mit diesem Patientenklientel hat. Insofern halte ich es gerechtfertigt, beim Vorhandensein eines Störungsbildes dieses auch zu verschlüsseln.

    Was klare Kriterien sind, haben wir von den Psychiatern lernen können; die Begrifflichkeit ist im Kapitel F schon sehr gut definiert. Schwieriger wird´s da in den anderen Kapiteln : Was ist eine Herzinsuffizienz : Die diastoloische Dysfunktion des linken Ventrikels oder die vollgelaufene Lunge ?
    Hier ist noch viel Definitionsarbeit zu liefern, an der wir uns aktiv beteiligen sollten; andernfalls bekommen wir Definitionen von den Kostenträgern, die wie in dem oben angeführten Beispiel, Tatbestände nicht unbedingt klären.

    Hessen, aufgehende Sonne, aber minus 5 Grad.
    Eckardt

  • Lieber Her Eckardt
    Danke. Sehr informativer Exkurs, auch wenn er die Frage bzgl. zusätzlichem Aufwand neben der Diagnose F06.8 nicht beantwortet.Ich sehe hier Schwierigkeiten mit dem MDK.
    Gruß
    codeman

  • Wertes Forum,
    In der Kodierempfehlung des MDK SEG 4 ( Konsens* ) mit Stand 28.06.06 ist unter der Nummer 87 für die Prüfärzte des MdK folgendes empfohlen :
    \"Eine Altersgrenze existiert nicht und dem alleinigen Eintritt in ein bestimmtes Alter kann per se ein Krankheitswert nicht zugeordnet werden. Unter dem Begriff Senilität werden häufig mehrere mögliche altersbedingte Fähigkeitsstörungen subsumiert ( z.B. H91.1 Presbyakusis, R26.- Störungen des Ganges und der Mobilität, F06.7 Leichte kognitive Störung ). Eine Kodierung der Nebendiagnose R54 Senilität ist eher die Ausnahme als der Regelfall. Im Regelfall ist die konkrete Fähigkeitsstörung zu kodieren, sofern sie dadurch das Patientenmanagement nachweislich beeinflusst wird. Die Nebendiagnose R54 ist nur kodierfähig, wenn kein spezifischerer Diagnosekode verfügbar ist. Ein alleiniges hohes Lebensalter erfüllt nicht die Kriterien der DKR und insbesondere der Nebendiagnosendefinition.\"
    Dazu ein paar kritische Anmerkungen : Eine Störung der geteilten Aufmerksamkeit, eine Störung der Konzentrationsfähigkeit oder Aufmerksamkeit ist kein Symptom der F06.7, da hier allein von dem Hirnwerkzeug Kognition die Rede ist. Eine Beeinträchtigung liegt wenn der Patient z.B. zu Untersuchungen gebracht werden muß, ihm Untersuchungsergebnisse wiederholt erklärt werden müssen, er pflegerische Hilfestellungen obdessen benötigt, ect. Diese Störungen lassen sich weder durch Codes aus dem Kapitel F noch durch Symptom-ICD´s nach Kapitel R verschlüsseln. Daher gibt es diesen Code im InternationalCD.

    Grüße aus dem Altweibersommer in Hessen
    Eckardt

    * lat. consentire = übereinstimmen. Einigung einer Gruppe von Menschen ohne verdeckten oder offenen Widerspruch. Definition von Wikipedia.
    Wenn die SEG 4 von Konsens schreibt, so kann hier nur von einem Konsens innerhalb des MdK ausgegangen werden.

  • Bravo, Herr Eckardt!
    Eine sehr schöne Bemerkung zu dem Begriff \"Konsens\".

    Dank & Gruß

    Dr. Lars Nagel
    Leiter Medizincontrolling
    Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg
    [Groß-Umstadt | Seeheim-Jugenheim]

  • Wertes Forum,
    gestatten Sie mir noch einen Nachschlag zum Thema Senilität, um etwige Diskussionen um den Begriff der Kognition zu vermeiden.
    Weiterhin findet sich bei Senilität die Zuspitzung prämorbider Charakterzüge ( z.B. der Kritische wird mißtrauisch, der Großzügige wird freigibig, ect. ). Solche Veränderungen im Persönlichkeitsprofil können die Führung des Patienten durchaus erschweren. Und dieses Symptom hat sicherlich nichts mit Kognition zu tun.
    Dem Interesse des MdK zufolge könnten Sie dieses Symptom auch unter Z73 verschlüsseln, aber dann sollte man sich mal grundsätzlich die Frage stellen, ob wir nicht alle Symptomenkonstellationen nicht mehr ätiologisch, sondern nur noch symptomatisch verschlüsseln sollten. ( Herzinfarkt -> Brustschmerz )
    Für andere Einschätzungen wäre ich dankbar.
    Hessen, bedeckt 12 Grad
    Eckardt

  • Wertes Forum,
    in der KDR D004d lesen wir : \"Wenn es für ein Syndrom in den ICD-10-Verzeichnissen einen spezifischen Kode gibt, so ist er für dieses Syndrom zu verwenden.\" Ein Syndrom ist eine Konstellation aus typischen Symptomen. Nimmt man eine Zuspitzung prämorbider Charakterzüge,eine altersentsprechende Störung der Sinnesfunktionen, eine Störung der Kognition, ect. ergibt sich daraus das spezifischere Syndrom \"Senilität\".
    Wie der MdK in seinem Konsens auf eine andere Interpretation der KDR kommt, entzieht sich meiner Kenntnis und läßt Platz für Spekulationen.
    Für andere Einschätzungen wäre ich dankbar.
    Hessen, der Sommer ist zurück (?)
    Eckardt

  • Wertes Forum,

    ich möchte hier gerne noch einen aktuellen Fall anbringen.
    Zitat MDK
    der Versicherte benötigte erhöhten Pflegeaufwand auf Grund der Luftnot. Senilität im eigentlichen Sinne nicht nachzuvollziehen.

    Es ist zwar richtig, dass der Patient unter Belastungsdyspnoe litt, allerdings ist es doch nicht gesagt, dass jeder Patient mit Dyspnoe Hilfe bei den ATLs benötigt? So mit wäre hier die R54 ein Symptom der Dyspnoe.
    Es ist im Pflegebericht beschrieben, dass der Patient Hilfe beim Waschen, Gang zur Toilette etc benötigte.
    Ich würde hier soweit gehen und die R54 als eigenständiges Symptom belassen.

    Meinungen?

    Gruß
    bewe