Epilepsiezentren

  • Hallo Forum,

    zur Meldung im Newsletter
    "Denkschrift zur spezialisierten, stationaeren Versorgung von Menschen mit Epilepsie in Deutschland - Herausforderung durch Einfuehrung des Systems der GR-DRGs (izepilepsie.de).
    http://www.izepilepsie.de/cweb/cgi-bin-n…kschrift-EZ.pdf

    habe ich, entsprechend dem dort geäußerten Wunsch nach Rückmeldung folgende e-Mail geschrieben:

    An: ize@izepilepsie.de

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    mit Interesse habe ich die unter
    http://www.izepilepsie.de/cweb/cgi-bin-n…kschrift-EZ.pdf

    im Internet abrufbare Denkschrift gelesen.

    Ich teile Ihre Einschätzung, dass unter der Voraussetzung, dass lediglich eine DRG B76 A/B Zerebraler Krampfanfall für die in den genannten Zentren behandelten Fälle zum Ansatz kommt, diese Zentren im Gegensatz zu Einrichtungen, die Epilepsien vorwiegend geringer Komplexität behandeln, möglicherweise eine zu geringe Vergütung erhalten würden.

    Allerdings darf wohl unterstellt werden, dass sich in den genannten Zentren die DRG B76A relativ oft findet, sofern es zutrifft, dass dort insbesondere komplizierte Fälle behandelt werden. Das eigentliche Problem sind aber die langen Verweildauern.

    Bei den von Ihnen angegebenen Daten

    "1998 wurden in den Epilepsiezentren (ohne epilepsiechirurgische Fälle) etwa 3000 Patienten (davon die Hälfte Kinder) an 100 000-Behandlungstagen mit einem Gesamtetat in der Größenordnung von 50 – 70 Mill. DM behandelt. Das sind weniger als 3% der mit der Diagnose "Epilepsie" behandelten Krankenhausfälle bzw. weniger als 10% der mit der Diagnose "Epilepsie" in Krankenhäusern belegten Behandlungstage.
    ...

    B76 A Zerebraler Krampfanfall; Alter < 3; oder mit schwersten oder schweren Komplikation oder Komorbidität. Verweildauer: 4.51 Tage Relativgewicht: 1.13

    B76 B Zerebraler Krampfanfall; Alter > 2; ohne schwerste oder schwere Komplikation oder Komorbidität. Verweildauer: 2.28 Tage Relativgewicht: 0.56."

    würde also bereits überwiegend das RG von 1,13 zur Anwendung kommen. Um die in den Zentren (100 000 Behandlungstage/3000 Patienten) mit 33 Tagen überdurchschnittlich lange VWD adäquat zu honorieren, reicht dies vermutlich nicht aus, hier wäre, wenn man die von Ihnen angegebenen australischen Daten extrapoliert, ein RG von 5 bis 8 eher angemessen. Der von Ihnen genannte Aufwand liegt bei 70 Mio. DM/3000 Patienten, also bei 23.333 DM/Fall, d. h. bei einem von Ihnen unterstellten Basisfallwert von 4.000 DM entspricht dies einem RG von 5,83.

    In genau diesen Bereich kämen Sie bei Anwendung der sogenannten Outlier-Regelung, wie sie im australischen Bundesstaat Viktoria angewendet wird. Siehe hierzu http://www.health.vic.gov.au/pfg2002/costweights.xls unter der entsprechenden Epilepsie-DRG.

    Patienten mit einer VWD von 33 Tagen hätten dort ein RG von 5,8233 (DRG B76A) bzw. 6,2145 (DRG B76B). Dies ergibt sich durch Addition des Inlier-RG mit dem Produkt aus der die obere Grenzverweildauer überschreitenden Tage und dem RG-Tagesfaktor für Überlieger, hier also 0,8161+(33-11)*0,2276 bzw. 0,5699+(33-7)*0,2171.

    Daher empfehle ich Ihnen, sich bei den zuständigen Stellen für eine adaptierte Einführung des DRG-Systems mit Anwendung von Outlier-Regelungen einzusetzen.

    Letztlich zeigt dieses Beispiel, dass deutsche und australische Verhältnisse doch ähnlicher sind, als vielfach behauptet wird.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    dr_scholz_bernhard@hotmail.com

    https://www.mydrg.de -Fan

    P. S.: Vielleicht können Sie als Empfänger dieser E-Mail diese an die Verfasser der Denkschrift weiterleiten. Ich wünsche den Epilepsiezentren weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und würde mich freuen, wenn ich dazu beitragen könnte, sie von der Zweckmäßigkeit von DRGs auch für ihren Bereich zu überzeugen.

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Zitat


    Original von Rembs:
    Hallo Forum,

    betr.: Epilepsiezentren Reply: Dr. Scholz

    ein exzellenter Beitrag zur Überwindung der Folklore des Halbwissens.

    Gruß
    Eberhard Rembs
    Bochum

    Hallo Herr Rembs,

    Sie haben ja so recht.
    Wenn ich Artikel, wie den folgenden lese, kann ich mich doch wirklich nur fragen, wo sich manche Leute seit Juni 2000 informiert haben.
    "Medizinisch ein Rückfall in die 60er-Jahre".

    Da wird es doch wirklich Zeit, dass greifbare Abrechnungsregeln auf den Tisch gelegt werden, s. Referentenentwurf, Begründung, Überlieger-Regelung
    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von Scholz:

    Wenn ich Artikel, wie den folgenden lese, kann ich mich doch wirklich nur fragen, wo sich manche Leute seit Juni 2000 informiert haben.
    "Medizinisch ein Rückfall in die 60er-Jahre".


    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH


    Hallo Herr Dr. Scholz,
    hallo Forum

    ich bin überrascht, daß man in Bayern sogar die Ostseezeitung liest..

    aber im Ernst:

    dieses Unwissen, oder diese Behauptungen wider besseren Wissens?, dieses Fordern nach Ausnahmeregelungen, das Spiel mit der Angst der Menschen machen mich wechselnd traurig und wütend...


    Gruß
    Eberhard Rembs

  • 0b das alles so hinhaut...

    Die durchschnittliche VWD in Australien :kangoo: liegt für die B76A um 4,6 Tage, also greift die Outlier-Regelung ab dem 13. Tag.
    Was aber, wenn die VWD in Deutschland höher ist?

    Liegt diese für 90% der Fälle bei 5 Tagen und für ~10% der Fälle bei 33 Tagen (wie in dem Post angegeben), so haben wir schon einen Gesamtdurchschnitt von 7,8 Tagen.

    Die Sonderregelung griffe dann ab dem 22. Tag. Man muß also davon ausgehen, daß Fälle zwischen ca. 10 und 21 Tagen unzureichend vergütet werden. Mit den Outliern kann man sie aber dann nicht ausgleichen, da nicht mit einer gemittelten FP, sondern mit "Tagessätzen" gearbeitet wird. Diese werden außerdem bei höherer Durchschnitts-VWD geringer!

    Ich glaube, daß die "Outlier"-Regelung nicht für statistisch bedeutsame Patientengruppen gedacht ist - wahrscheinlich würde man aber statistische Kriterien für einen Fallsplit finden.

    ...oder bei der deutschen Relativgewicht-Berechnung kommt etwas ganz anderes raus und die Normalkrankenhäuser machen mit dem komplizierten Epilepsie-3-Tage-Lieger einen tollen Reibach. :banane:
    ...oder es gibt eine Mindestfallmengengrenze, und das Normalkrankenhaus darf die FP überhaupt nicht abrechnen :dance1:

    Sonst noch Vorschläge?
    --
    Jan Haberkorn
    Arzt/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

    Jan Haberkorn
    Internist/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

  • Zitat


    Original von Hab-StElisabeth:
    0b das alles so hinhaut...

    Sonst noch Vorschläge?

    Sehr geehrter Herr Haberkorn,

    mein Vorschlag wäre, "abwarten, und Tee trinken". Warum wir offenbar zu unterschiedlichen Rechenergebnissen kommen, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Entweder ich rechne, wie in Victoria, dann bekomme ich das genannte Ergebnis, oder ich will so rechnen, wie in Deutschland, dafür fehlen mir aber verbindliche Tabellen. Letztlich wollte ich aufzeigen, dass es sehr wohl möglich ist, funktionierende Regeln aufzustellen. Der Referentenentwurf geht m. E. in die richtige Richtung.

    Unterstellt, Sie haben sich mit Ihren Annahmen am Referentenentwurf orientiert (Kappungsgrenze etc.), wäre noch zu prüfen, wie denn nun die Standardabweichung für die genannte DRG ausfällt. Wir kommen hier wohl auch nur weiter, wenn die entsprechenden Zahlen bekannt gemacht werden, die zitierten 10 % sind sicherlich auch nur mit Vorsicht zu genießen und müssen z. B. nicht zur Gänze Outlier sein.
    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]