Hallo DRGler,
nachdem nun, bevor noch jemand in Deutschland richtig angefangen hat, bereits Gerüchte von einem Ende der DRGs in Australien und anderswo kursieren, möchte ich einmal einige Verständnisfragen stellen:
Wie genau soll in Deutschland mit der Einführung der DRGs begonnen werden? Ich interessiere mich hier ausdrücklich für das „wie“ und weniger für das „wann“!
Die Daten des Jahres 2001 (ab 1. HJ, 2. HJ, 3. HJ? etc.) bilden die Grundlage für die Budgetbemessung, oder?
Wer bitte schön, verfügt über diese Daten?
Welche Daten sind hier eigentlich gemeint?
Sind es die Rohdaten, also die sog. §301-Daten?
Bezogen auf das einzelne Krankenhaus: Welcher Datenstand ist maßgeblich? Was ist, wenn da ein Krankenhaus dabei ist, welches keine suffiziente EDV besitzt?
Beispiele (aus eigener Erfahrung):
- Das §301-Datenübermittlungsverfahren ist noch in der Erprobungsphase oder noch gar nicht gestartet worden
- Es sind noch nicht alle Krankenkassen ans §301-Verfahren angeschlossen.
- Einige Kostenträger erhalten die §301-Daten ausschließlich schriftlich per Post.
Eine Frage, die mich sehr interessiert: An wieviele Adressen schicken die 2300 deutschen Krankenhäuser gegenwärtig ihre §301-Daten? Meines Wissens gibt es tausende von Krankenkassenzweigstellen. Besitzen alle Empfänger eine den Anforderungen genügende EDV? Wie werden diese Daten wieder zusammengeführt (bezogen auf ein einzelnes Krankenhaus), damit die Kassenseite in der Budgetverhandlung verhandeln kann? Wieweit arbeiten gegenwärtig die Krankenkassen zusammen, um diese Zusammenführung zu bewerkstelligen? Wo bleibt hierbei der Datenschutz?
Gehen wir mal davon aus, es sei nicht entscheidend, dass die Daten bei der Entlassung des Patienten bereits zu DRGs gruppiert worden sind. Wie soll dann das Krankenhaus jemals erfahren, welche Patienten welche offizielle DRG zugeordnet bekommen haben? Wie soll das Krankenhaus DRG-bezogen kalkulieren?
Wie wird also sichergestellt, dass das Krankenhaus die DRGs erfährt? Wo wird es überall einen Grouper geben?
Wie kann in den ersten Budgetverhandlungen über DRGs verhandelt werden, wenn es keinen Grouper gibt?
(Wie können die Daten gelten, wenn zum Zeitpunkt der Erhebung kein Grouper vorhanden war und die Kodierrichtlinien noch nicht in Kraft gesetzt waren? In Klammern, weil dies wieder die Frage nach dem „wann“ und nicht nach dem „wie“ betrifft.)
Gibt es hier bereits konkrete Ablaufpläne? Oder fehlt hier nicht einiges an Infrastruktur sowohl in den Krankenhäusern als auch in den Krankenkassen?
Was passiert bei Diskrepanzen zwischen den Daten, die die Kasse hat und den Daten, die das Krankenhaus hat?
Beispiel aus eigener Erfahrung: die KIS-Software ist nicht in der Lage, die Diagnosen- und Prozedurenliste zu sperren, wenn die Daten an die Krankenkasse gesendet wurden. Die Daten werden also abgeschickt, jetzt erst wird der Entlassbrief geschrieben (Codierung war wichtiger als die Information an den Hausarzt, die Zeit eines Stationsarztes ist endlich), noch fehlende Diagnosen nimmt das KIS widerspruchslos an, es kann z. B. vom Med.-Controller nicht mehr nachvollzogen werden, ob die Daten der Krankenkasse mit denen des KIS übereinstimmen. Zwei verschiedene DRGs!
Ist es nicht geradezu eine notwendige Bedingung für ein funktionierendes DRG-System, dass das Krankenhaus für jeden Behandlungsfall bereits während des Patientenaufenthaltes weiß, mit welcher DRG dieser abgerechnet wird?
Braucht man diese Daten nicht idealerweise bereits bei der Aufnahme des Patienten, um den Behandlungsverlauf entsprechend zu steuern, Stichwort „clinical pathway“?
Wo also bleibt der offizielle Grouper? Wer ist zuständig? Wieviele Personen arbeiten daran? Wann können diese Leute realistischerweise damit fertig sein?
Wann sind alle Krankenhäuser in der Lage, diese Software zuverlässig einzusetzen?
Was zählt in der unmittelbaren Zukunft? Gute Medizin oder gute Software eines Krankenhauses? Was wird hier zur Überlebensfrage? Denkt irgendjemand an die praktische Umsetzung des Verfahrens?? Sind EDV-Kosten „pflegesatzfähig“?
Welche Firma oder welches Institut hat den Auftrag, den deutschen DRG-Grouper zu erstellen? Wer alles hat hierbei ein Mitspracherecht?
Wer sorgt dafür, dass eine arbeitssparende Verschlüsselungssoftware „unters Volk“ gebracht wird?
Nationale Aufgabe?? Oder muß jedes Krankenhaus selber sehen, wo es bleibt?
Wer hat die Rechte an der australischen/deutschen Groupersoftware? Welche Rechte hat „Deutschland“ erworben? Was bedeutet gemeinfrei? Warum droht der Commonwealth einer deutschen open-source-Initiative (Offenlegung des Grouperalgorithmus geplant) mit dem Staatsanwalt? Ist eine open-source-Initiative auch in Deutschland unerwünscht? Wer soll hier ein Geschäft machen dürfen auf Kosten der Patienten und Ärzte?
Ich hätte da sicher noch manche weitere Frage, hoffe aber zunächst einmal auf die Beantwortung der o. g. Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bernhard Scholz, Grafenau