Wirtschaftliche Vorteile durch Lang- und Kurzlieger – geht das?!

  • Ich bin noch relativ neu in der Thematik, habe dazu eine Frage. Wie sieht es aus, wenn es einem Krankenhaus Vorteile bringt Patienten länger, oder kurzer als die oGVD/uGVD liegen zu lassen. Ist das rechtens, gibt es Beispiele dafür?
    Ist das überhaupt möglich?
    Würde mich über Antworten freuen

    soerensen

  • Hallo Soerensen,
    da gibt es verschiedene Konstellationen:

    1. Entlassung vor der UG = weniger Erlös, wahrscheinlich auch weniger Kosten

    2. Entlassung innerhalb der Grenzverweildauer und Kürzung durch Kostenträger = weniger Erlös bei gleichbleibenden Kosten

    3. Entlassung innerhalb der Grenzverweildauer = voller DRG-Erlös, volle Kosten (welche von der InEK-Kalkulation natürlich abweichen werden)

    4. Entlassung nach der OG = Zuschläge pro Tag, welche aber meist nicht die Kosten decken werden

    5. Entlassung nach der OG und Kürzung durch Kostenträger = siehe 2.

    Vorteile kann das KH also nur haben, wenn es seine Kosten im Griff hat. Auf die Erlöse allein schielen bringt nix. Als Richtwert für den \"optimalen\" Entlassungszeitpunkt kann sicher die mittlere VWD der FPV herangezogen werden. Bis dahin sollten sich Kosten und Erlöse (noch) die Waage halten.
    Aber vielleicht können sie ihre Frage ja noch mal konkretisieren.

    Viele Grüße aus Sachsen
    D.Zierold

  • vielen dank d. zierold,

    ich kenn sowohl für die lang- als auch die kurzlieger die tage die mit abschlägen versehen wurden, als auch meine variablen kosten pro tag (ex-post-Betrachtung)

    annahme: baserate = 2.700 euro, var. Kosten pro Tag = 75 Euro

    Bsp. Kurzlieger:

    300 Tage mit Abschlag (entspricht hier: 80 Bewertungsrelationen [BWR])

    300 Tage x 75 Euro = 22.500 Euro (Einsparung variabler Kosten)
    2.700 Euro x 80 BWR = 216.000 Euro (Abschläge)
    -----------------------------------------------------------
    macht ein Minus von 193.500 Euro --> lohnt sich also nicht.
    Soll heißen ich könnte meine Patienten länger liegen lassen, um so Verluste zu vermeiden. (Annahme: freie Kapazitäten, keine weitere aufwendigere Diagnostik --> für die würde ja aber auch noch Geld zur Verfügung stehen von den 193.500 Euro)


    Bsp. Langlieger:

    1000 Tage mit Zuschlag (entspricht hier: 64 Bewertungsrelationen)

    1000 Tage x 75 Euro = 75.000 Euro (zusätzliche var. Kosten)
    2.700 Euro x 64 BWR = 172.800 Euro (Zusatzerlöse)
    -----------------------------------------------------------
    macht ein plus von 97.800 Euro --> diesen Rahmen kann ich nutzen um weitere diagnostische Maßnahmen zu finanzieren --> d.h. es lohnt sich vielleicht unter Umständen die Patienten auch mal länger da zu behalten.


    Die Werte könnte man ggf. auf Patienten/ Abteilungen herunterbrechen...


    Das einfache Beispiel verdeutlicht meine Frage vielleicht ein bisschen. Die getroffenen Annahmen spiegeln vielleicht nicht ganz die Realität wieder.
    Meine Frage ist, ob das
    1. theoretisch möglich wäre, oder ob/wie das vom MDK geprüft wird?
    2. ob es Fälle gibt, in denen Krankenhäuser so rechnen?

    Würde mich über eine Diskussion freuen.

    Muss dazusagen, dass ich kein Mediziner/Medizincontroller bin, also berichtigen sie mich bitte falls ich einen Fehler bei der Berechnung gemacht habe!

    Schönen Abend
    Soerensen

  • Schönen guten Tag Soerensen

    Zitat


    Original von Soerensen:
    Muss dazusagen, dass ich kein Mediziner [...] bin

    Offensichtlich!

    Ich finde diesen Ansatz schon ein wenig seltsam. Natürlich gibt es Anreize im System und natürlich wirkt sich das auch auf die Behandlung aus. Dies ist ja beispielsweise bezüglich einer Verkürzung der Verweildauer gezielt gewollt und auch erfolgreich. In den Zeiten der tagesgleichen Pflegesätze (manchmal auch heute noch für den Chefarzt bei den Privatpatienten) war natürlich ein Anreiz, die Patienten länger liegen zu lassen und dies ist teilweise auch geschehen. Auch wenn der ökonomische Aspekt immer bedeutender wird: Letztenendes geht es hier auch um die medizinischen Aspekte. Schließlich wird bei fast jeder GVD-Überschreitung der MDK eingeschaltet und streicht gerne und umfangreich die Tage über der GVD zusammen. Außerdem sind wir hier nicht bei Mälzer und lassen mal eine Suppe etwas länger oder kürzer köcheln. Schließlich stehen hinter den \"Fällen\" immer noch Patienten und die kann man nicht unbedingt in jedem Fall mal einfach 1000 Tage länger im Krankenhaus lassen.

    Außerdem verursacht ein Patient sehr unterschiedliche variable Kosten, je nach dem, was und wie gerade behandelt wird. Genau dies ist ja das Problem. Habe ich hohe Kosten (Aufwand) mit dem Patienten, dann wird auch die Zeit anerkannt, die allerdings angesichts der Höhe der Bewertungsrelationen bei Zuschlägen meine Kosten nicht unbedingt refinanziert. Die Verweildauerzeiten gegen Ende der Behandlung, in denen ich meist weniger Aufwand und Kosten mit dem Patienten hatte und die der Refinanzierung eine aufwändigen Behandlung dienten, in denen sich auch das Personal ein wenig erholen konnte, wurden und werden vom MDK zusammengestrichen und sind schon längst in den ambulanten Bereich verlagert.

    Es mag sein, dass in dem ein oder anderen Krankenhaus mit solchen Aspekten gearbeitet wird. Letztenendes geht so etwas nach hinten los, wenn es sich nicht mehr oder weniger mit den medizinischen Erfordernissen deckt.

    Für mich ist das Ziel weder eine maßlose Erlösmaximierung, sei es über Kodierung oder über die Verweildauer, noch eine einseitige Kostenminimierung. Für mich geht es in diesem System darum, den tatsächlichen, medizinisch gerechtfertigten Aufwand abzubilden und die dafür entstandenen (natürlich möglichst optimierten) Kosten erstattet zu bekommen.


    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hi Forum.

    es ist m.E. völlig ausser Frage, das die Kosten am Ende des Aufenthaltes deutlich steigen. Hierzu gibt es zahlreiche Untersuchungen. Die Langliegerzuschläge sind sicher nicht Kostendeckend. Das hängt auch damit zusammen, dass die Kalkulation nur auf Basis der Inlier vorgenommen wird. OP und Intensivzeiten, die nach der OGVD statthaben, gehen somit nicht in die Kalkulation mit ein.
    Grenzkosten von 75 Euronen sind zudem bei Operativen Patienten unterhalb der UGVD eine massive Fehleinschätzung.
    Bei Kosten 15-30 Euro für die OP-Minute kommt diese Rechnung sicher nicht hin.

    Dennoch lässt sich bei hohem Patientendruchsatz sicher bei Kurzliegern noch kostendeckend arbeiten, Langlieger dürften beinahe immer ein Zuschussgeschäft sein.

    Hierzu kann man auch wertvolle Aussagen im neuen Roeder-GA lesen.

    Umso ärgerlicher ist die teilweise mechanistische retrospektive Betrachtungsweise über etwaig zu straffende Abläufe, mit denen wir von Seiten des MDK konfrontiert werden.

    Meine Empfehlung: Testen Sie Ihre realen Erlöse gegen ihre Kosten und vergleichen Sie das ganze mit den Inliern in der InEk-Kalkulation. Sie werden sich die Augen reiben.

    Gruß

    merguet

  • Hallo Soerensen,

    ich muss Herrn Schaffert hier weitestgehend zustimmen!

    Nur so ergänzend ist Ihre Fragestellung jedoch auch über die medizinische Ebene hinaus problematisch. In vielen Häusern kommt es erst nach Entlassung zur Kodierung des Falles. Eine Verweildauersteuerung anhand der DRG ist also äußerst schwierig, insbesondere bei Langliegern. Im Übrigen dürfte die Zeit von der mittleren bis zur oberen Grenzverweildauer zu Kostenerhöhung führen, ohne dass sich dies auf den Erlös auswirkt.

    Wie Herr Schaffert schon darstellt, produziert man sich erheblichen Aufwand sollte man Patienten absichtlich länger liegen lassen. Der MDK stürzt sich nur so auf solche Fälle.

    Ihre Rechnung von Langliegern kann sich nur auf Häuser beziehen, die nicht ausgelastet sind. Zumindest bei uns ist das eine schwierige Vorstellung ...

    Viele Grüße
    S. Seyer

  • Schönen guten Tag Herr Merguet

    Zitat


    Original von merguet:
    es ist m.E. völlig ausser Frage, das die Kosten am Ende des Aufenthaltes deutlich steigen.


    Das kann man so pauschal m. E. nicht stehen lassen. In der Regel findet doch die kostenintensivere Behandlung (OP, Intensiv, iv Therapie) zu Beginn der Behandlung statt. Ich stimme Ihnen jedoch zu, dass die weniger kostenintensive Phase dank retrospektiver MDK Ansicht immer kürzer wird.


    Zitat


    Original von merguet:
    Die Langliegerzuschläge sind sicher nicht Kostendeckend.


    Da stimme ich Ihnen zu. Dies liegt aber meiner Ansicht nach daran, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem sie kostendeckend wären, nach Ansicht dem MDK eine ambulante Behandlung ausgereicht hätte.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo Herr Schaffert,

    auch von mir noch einmal Einspruch. Es war immer Grundannahme des Systems, dass die Kosten zu Bgeinn hoch sind, dann eine Phase mit schwachem Anstieg oder Plateau erleben, um am Ende (wegen Komplikaitonen, RevisionsOP, Intensivtherapie) etc. wieder anzusteigen. Diese Kostenkinetik erklärt auch das Problem der Extremkosten bei Outliern.
    Herr Heimig hat das bis 2005 in seinen Vorträgen , siehe im Beispiel Folie 20, dargestellt, in den letzten Jahren ist das zur Grundannnahme geworden.
    Davon mag es Abweichungen geben, dennoch dürfte diese Kostenverteilung die Regel sein, zumal das reine Warmhalten eines Bettes durch die DRG nachweislich zurückgedrängt wurde.

    Gruß

    merguet

  • Schönen guten Tag Herr Merguet,

    ich denke wir liegen gar nicht so weit auseinander. Wenn wir einmal die Kostenkurve folgendermaßen annehmen:

    ............................................................********
    .................................................******
    .............................................**
    .........................................**
    ..............................******
    ................********
    .........****
    .....**
    ..*
    *

    dann ist einfach die Frage, wo wir den Aufenthalt beenden. Ich stimme Ihnen zu, dass er oft (zu oft) im zweiten aufsteigendenden Schenkel vor erneutem Erreichen des Plateaus endet.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • okay ich gebe zu, dass mein beitrag fachliche mängel aufweist, aber daher habe ich die frage ja gestellt - denn jetzt bin ich schlauer.

    danke für die ausführlichen antworten und erläuterungen.

    eine frage habe ich allerdings noch. merguet hat den vortrag von herrn heimig gepostet - vielen dank dafür. ich habe mir die grafik auf folie 20 angeschaut und war überrascht, dass die erlöse bis unterhalb der UGV größer als die kosten sind. wie kann man das medizinisch begründen? erfolgen in diesem bereich noch keine teuren OP, diagnostik, etc.?

    schönen abend
    soerensen

  • Hi Soerensen

    Zitat

    dass die erlöse bis unterhalb der UGV größer als die kosten sind. wie kann man das medizinisch begründen?

    Sie haben natürlich recht, am Anfang erfolgen dei teuren Maßnahmen. Aber eben nciht bei allen. Die Gesamtbetrachtung pasuchaliert also immer.


    Hinzu kommt, dass sie das gnaze unterhalb der UGV nach Ihren Grenzkosten bewerten müssen: Eine Erhöhung der Schlagzahl bei teilweise verminderten Erlösen mag dennoch über die Masse einen Überschuss belassen.

    Gruß
    merguet