Sepsis oder Tumor mit Anämie als Hauptdiagnose?

  • Liebe Forumsteilnehmer,
    ich habe da gerade einen MDK-Fall auf dem Tisch und würde mich über Ihre Einschätzung freuen.
    Die Ausgangssituation: Tumorpatient kommt am 22.03 um 17.44 Uhr in unsere stationäre Aufnahme und sagt, es ginge ihm sehr schlecht und er fühle sich ungewöhnlich schlapp, zunächst kein Fieber; im Aufnahmelabor vom 22.03. Leukos von 1,7 und Hb von 8,7. Herzfrequenz bei Aufnahme 110/min. Bereits am 22.03 erfolgt eine EK-Gabe. Der Patient fiebert am 23.03. nachmittags auf, eine Blutkultur vom 24.03 ergibt einen Keimnachweis.

    Der MDK sagt, die Sepsis hätte sich erst im Verlauf entwickelt und könnte daher nicht als HD kodiert werden. Der Tumor+Anämie müsse HD sein. Die Sepsis soll Nebendiagnose sein.
    Aus meiner Sicht war die Sepsis bei Aufnahme bereits vorhanden, wurde aber erst im Verlauf diagnostiziert und kann damit durchaus als HD in Betracht gezogen werden, da ja aufgrund der Leukos und HF bei Aufnahme davon auszugehen ist, dass auch die Blutkultur bei Aufnahme bereits positiv gewesen wäre. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob das \"diagnostische\" Vorliegen des letzten Sepsiskriteriums eineinhalb Tage nach Aufnahme nicht vielleicht doch ein bisschen spät ist ...

    Wie würden Sie entscheiden? :d_gutefrage:

    Vielen Dank im Voraus und viele Grüße
    von A. Loßin, Medizincontrolling Awo GSD

    Dr. A. Loßin
    Medizincontrolling
    DSK Bad Münder

    2 Mal editiert, zuletzt von Master of ICD-10 Desaster (2. August 2013 um 10:29)

  • Guten Tag Frau Loßin,
    meine Antwort zu dem Fall resultiert aus einer Frage:
    wie würde ein sachverständiger medizinischer Gutachter unabhängig von finanziellen Erwägungen nur nach Aktenlage (=vorhandene Dokumentation) den Fall beurteilen?

    Auf die Beantwortung dieser Frage würde ich meine Argumentation \"aufbauen\".

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Sehr geehrter Herr Horndasch,
    danke für die Antwort.
    ... tja, schwierig, schwierig ...
    Unter der Prämisse, dass eine Keimfeststellung der Sepsis nach eineinhalb Tagen ausreicht würde der sachverständige Betrachter wohl sagen: \"Es kann beides Hauptdiagnose sein, nehmen Sie die mit dem größeren Aufwand.\" Ich würde antworten: \"Alles klar, ich nehme die Sepsis. Denn die ist maßgeblich für die Verweildauer und damit für den Gesamtaufwand des Patienten\"

    Ohne diese Prämisse würde er wohl sagen: \"Nehmen Sie den Tumor als Hauptdiagnose, das letzte Sepsiskriterium kam zu spät.\"

    Ob die Prämisse gilt oder nicht, kann ich nicht sagen.

    Ratlose Grüße von
    A. Loßin

    Dr. A. Loßin
    Medizincontrolling
    DSK Bad Münder

  • Hallo Frau Loßin und Mitstreiter!
    Wenn man mit der Sepsis als HD zum Aufnahmezeitpunkt (auch ohne Fieber und Keimnachweis) durchkommen will, müßte zumindest eine Kreislaufinstabilität, ein Abfall der Thrombozyten oder ein Organversagen (Nierenwerte?, Leberwerte?, Dyspnoe?) vorliegen. Wenn nicht, bleibt m.E. nur die Kodierung über Ca+Tumoranämie* oder über den unklaren Infekt (B99).
    Mit freundlichen Grüßen,
    Dr. Stefan Stern

  • Hallo,

    warum muß jedes Kriterium bei Aufnahme vorhanden sein? Nehmen wir mal DKR 001a (gaaanz alt), dann ist eine sich anbahnende Erkrankung ja auch zu kodieren. Oder auch D002 mit dem Beispiel Thoraxschmerz/dann doch Myokardinfarkt.
    All dies führt meiner Ansicht nach zur Sepsis als HD, auch wenn die definitive Diagnose erst nach 2 Tagen erfolgte.

    Viele Grüße
    P. Dietz

  • Hallo,

    dann soll doch mal MDK erklären, wie die ausgeprägte Leukozytose bereits am Aufnahmetag in Kenntnis des klinischen Verlaufs sonst zu erklären ist. Vielleicht wid er dies auf (Tumor-)Anämie zurückführen!. Wie so oft, wieder mal sog. \"Gutachten\" wider besseres Wissen, weil besser für die Kasse!

    Gruß
    Ordu

  • Hallo,
    vielen Dank für die Antworten. Ich tendiere jetzt eher dazu, die Sepsis als Hauptdiagnose zu verteidigen. Bin mir nämlich sicher, dass die schon bei Aufnahme vorgelegen hat.

    Ich wünsche allen einen schönen morgigen Feiertag

    Astrid Loßin

    Dr. A. Loßin
    Medizincontrolling
    DSK Bad Münder

  • Hallo Fr. Loßin,

    schade, daß Sie sich jetzt schon aus der med. Diskussion ausklinken mit der Begründung, Sie hätten so ein sicheres Gespür für die Sache. Dann bräuchten wir ja gar nicht erst das Diskutieren anfangen. Ich zumindest hätte mich sehr gefreut, wenn Sie Ihre Sepsisvermutung mit einem kräftigen Thrombozytenabfall, einer saftigen Kreatininerhöhung oder einfach nur einem Klasse-RR von 65/40 mmHg untermauert hätten, alles zum Aufnahmezeitpunkt versteht sich.

    @ Ordu Dr.: Leukozytose bei 1700 Leukos? Oder war 17.000 gemeint? Wie auch immer, beides wäre hier für mich wirklich der einzige Hinweis auf eine immanente Sepsis, denn die Tachykardie wäre auch als Folge der Anämie, und die Anämie als Folge des Tumors denkbar.

    Ich wünsche allen Mitstreitern hier ein erholsames langes WE,
    Dr. Stefan Stern

  • Hallo Herr Stern,
    ich habe auf Ihr Anraten nochmals in die Akte geschaut, und bin fündig geworden: BGA vom 23.03. morgens: PaO2 46 mmHg.
    Aber ich habe da als Nichtmedizinerin (bin Dr. rer. pol.) kein gutes Gefühl zu behaupten, es wäre eine Sepsis mit Organkomplikation gewesen. Der Patient litt an einem Bronchialkarzinom ... ich denke, das könnte die Ursache gewesen sein, oder?

    Ach ja, das war eine Leukopenie mit 1,7 tsd/MyL

    Vielen Dank und viele Grüße von Astrid Loßin

    Dr. A. Loßin
    Medizincontrolling
    DSK Bad Münder