Dissenz im Zweitgutachten - WAS NUN?

  • Liebes Forum,

    in einem Streitfall aus 2008 wurde im Erstgutachten des MDK die ND \"Hypovolämischer Schock\" nicht akzeptiert, weil - laut Gutachter - im E-Brief der Ressourcenaufwand nicht ersichtlich sei (DRG G67A soll in G67D fallen - ca. 750€ Streitwert). Darauhin habe ich der Kasse zurückgeschrieben und Unterlagen beigefügt, die entsprechende Laborparameter und 7l Ringer als Ress.verbr. nachweisen. Im nun durchgeführten Zweitgutachten steht nun lediglich:
    \"Der Widerspruch des Krankenhauses ist nicht begründet. Die DRG-Zuordnung ist nicht Sachgerecht. DRG-Änderung, da die ND \'Hypovol. Schock\' nicht akzeptiert wurde\". (Gutachten Ende)

    Habe schon bei der Kasse angerufen, und auf Vernunft plädiert - keine Chance. Originalton: \"Tja, dann müssen Sie halt klagen\"...

    1. Das ist doch kein Gutachten, oder? :sterne: Eher ein Witz
    2. Was nun ???

    muss ich nun klagen, oder nochmal an die kasse schreiben?

    Für Tipps wäre ich sehr dankbar!

    :totlach:

    Dr. Jan Savarino, MA :rolleyes:
    Klinikgruppe Enzensberg

  • Schönen guten Tag Herr Savarino,

    ich bin zwar \"nur\" Chirurg, aber beim Lesen Ihres Beitrages stolpere ich über die Daignose eines Schocks anhand der Laborparameter (Schock ist meines Wissens klinisch bzw. über das Verhältnis von Blutdruck zu Puls definiert) und über die Behandlung mit Ringer (auch wenn es 7 l sind, ich hätte vielleicht auch eine Volumenexpander dazu gegeben ? ).

    Wenn Sie sich jedoch sicher sind (bzw. ausreichend dokumentiert ist), dass der Patient einen Schock hatte und sie diesen behandelt haben, dann

    1. machen Sie eine Aktennotiz über das Telefongespräch mit dem Kassenmitarbeiter und
    2. klagen Sie

    Ich denke spätenstens nach dem 2. Gutachten (und insbesondere der Aussage des Kassenmitarbeiters) sollte man Entscheiden, ob Dokumetantaion und Streitwert für eine Klage ausreichen.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Sehr geehrter Herr Savarino,

    neben den klinischen Anzeichen, wie von Herrn Schaffert geschildert und die Sie hoffentlich ausreichend dokumentiert haben, können auch verschiedene Laboruntersuchungen (Blutgasanalyse, bei der die Hämoglobin-, Hämatokrit-, Erythrozyten-, Laktat- und pH-Werte gemessen werden), sowie je nach Bedarf apparative Diagnostik (z. B. Sonographie, Echokardiographie, Magnetresonanztomographie u.a.) genauere Diagnosen und ergänzende Hinweise liefern.
    Aber das Problem ist ein typisch anderes. Im Arztbrief stehen meist nur rudimentäre, für den weiterbehandelnden Arzt wichtige Informationen, welche, wie in diesem Fall, eine erlösrelevante Diagnose nicht ausreichend belegen. Hier zeigt sich, welche Vorteile es hat, wenn der MDK ins Haus kommt, man die Akte vorlegen kann und mit dem MDK-Gutachter Auge in Auge verhandelt.
    Was den Streitwert anbelangt, so gebe ich zu bedenken, dass man bei einem Streitwert von \"lediglich\" 1000€ bereits 750€ nur so mal los ist.
    Das weiß natürlich auch der Kassenmitarbeiter. Ich würde daher zuerst nochmals Widerspruch einlegen und wenn das nichts fruchtet und sofern Ihre Dokumentation wasserdicht ist, vors SG ziehen. Manchmal muss man eben auch bei kleinerem Streitwert die Geschichte durchziehen, wenn es ums Prinzip geht!

    Viele Grüße

    S.Helfenstein


    Wer den Teufel an die Wand malt, spart Tapete :t_teufelboese:

  • Moin,

    Es ist nicht selten zu beobachten, dass der MDK im Zweitgutachten auf die eigentlichen Sachargumente nicht eingeht. Es bleibt nur der Klageweg.

    An sich muß eigentlich die Kasse klagen. Wenn diese verrechnet hat, ist das unzulässig. Dagegen kann man vorgehen, die Kasse muß anschließend Lesitungsklage erheben.
    Wenn die Kasse vorab gekürzt hat, müssen sie selber ran.

    Zitat


    Original von SHelfenstein:
    Was den Streitwert anbelangt, so gebe ich zu bedenken, dass man bei einem Streitwert von \"lediglich\" 1000€ bereits 750€ nur so mal los ist.
    Das weiß natürlich auch der Kassenmitarbeiter.

    Das stimmt so nicht: Ihre Kosten müssen von der Gegenseite übernommen werden, wenn Sie obsiegen oder die Kasse nach Einleitung des Verfahrens eine Anerkenntnis abgibt.

    Gruß

    merguet

  • Hallo Herr merguet,

    für mich nicht ganz verständich- wieso muss eigentlich die Kasse klagen. Die darf doch verrechnen und der \"schwarze Peter\" bleibt beim KH, dem nur noch der Klageweg bleibt.
    Empfinde ich schon als Ungleichbehandlung- Kasse darf verrechnen, KH \"darf\" klagen.
    Welcher juristischer Fakt fehlt mir hier im Verständnis?

    Uwe Neiser


  • Schönen guten Tag allerseits,

    ob die Kasse tatsächlich einfach aufrechnen darf, müsste man mal juristisch diskutieren.

    Ich jedenfalls schreibe der Krankenkasse, dass ich das Gutachten nicht anerkenne, unsere Forderung aufrechterhalte und gegen ein Aufrechnung vorsorglich Einrede einlege. Nach § 290 BGB darf eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, nicht aufgerechnet werden.

    Ob dies allerdings die juristische Grundlage für die Aufrechnung durch die Krankenkasse ist oder ob es noch andere juristische Grundlage dafür gibt, kann ich allerdings nicht sagen. Im Übrigen ist sowieso die Frage, ob sich die Kasse daran hält. Dann muss man sowieso selbst klagen und hätte allenfalls ein zusätzliches Argument für das \"Fehlverhalten\" der Kasse.

    Ich hatte bisher erst einen Fall, bei dem die Kasse geklagt hatte und das war eine relativ kleine, in einem anderen Bundesland ansässige Kasse, die keine anderen Patienten zum Aufrechnen bei uns hatte.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo zusammen,

    man kann wohl dafür sorgen, dass die Krankenkasse hinsichtlich des medizinischen Sacherhaltes klagen muss. Da ein Verrechnung wohl in den meisten Landesverträgen ausgeschlossen ist und dies offenbar auch sozialgerichtlich so bestätigt wurde, kann man alleine die Verrechnung beklagen. Wenn die Krankenkasse nun auch den medizinischen Sacherhalt klären will, müsste Sie nun ihrerseits eine Klage einreichen. Ob das dem üblichen Vorgehen entspricht darf allerdings in Frage gestellt werden ...

    Viele Grüße
    S. Seyer

  • Hallo Herr Merguet,

    schon klar, dass, wenn man obsiegt, die Gegenseite zahlen muss. Ich wollte auch bloß verdeutlichen was es kostet, wenn dies nicht der Fall ist und dass man sich seiner Sache schon sehr sicher sein sollte. Bei einem Vergleich beispielsweise trägt nämlich jeder seine eigenen Kosten und unter Umständen kann dann die Brühe deutlich teurer werden als die zu erwartenden Brocken. :)

    Viele Grüße

    S.Helfenstein


    Wer den Teufel an die Wand malt, spart Tapete :t_teufelboese:

  • Moin,

    Davon, dass man seiner Sache sicher sein sollte, bin ich ausgegangen. Es muss aber eine Grenze geben. Hier fallen exakt diese Fälle auf, bei denen der MDK zunächst die medizinischen Argumente nicht aufgreift: Nach Klageerhebung macht die Kasse nicht selten einen Rückzieher. Es geht hier m.E. auch darum, dafür zu sorgen, dass die inhaltliche Argumentation gewürdigt wird.
    Alternativ kommen nur solche Auseinandersetzungen in Frage, wo man ein Klärung will. Hier sollte der Streitwert niedrig sein.
    Im Übrigen bin ich auch für Verhandlungen zu haben, wenn auch in gewissen Grenzen.

    Gruß

    merguet

  • Hallo,

    vielen Dank schon mal für die vielen Beiträge. Ich sehe, die meisten sehen das wie ich. Die Sachlage der Kodierung ist m.E.n. klar, der Schock entsprechend dokumetiert (auch E-Lyte etc.). Ich habe erstmal eine erneute Gegenstellungnahme geschrieben und um ein \"richtiges\" Gutachten gebeten. Sollte die Kasse verrechnen, klagen wir.

    Dr. Jan Savarino, MA :rolleyes:
    Klinikgruppe Enzensberg

  • Hallo Forum,

    in schlechten Zeiten ist man es leider gewohnt, dass die Krankenkasse als Sündenbock der Nation deklariert wird. Aber die \"Ungleichbehandlung\" Kasse darf verrechnen, KH \"darf\" klagen halte ich für überzogen! Von einer Benachteiligung des Leistungserbringers kann nicht die Rede sein, wo doch diese das Privileg des \"Nachkodierens\" genießen! Oftmals werden Fälle nachkodiert, die bereits 2 Jahre und länger zurückliegen, und das alles wo doch die Krankenhäuser immer auf \"zeitnahe\" Prüfung der Fälle bestehen! Wie sieht´s denn da mit dem sogenannten ärztlichen Erinnerungsvermögen aus?

    MfG
    Jette