• hallo!


    okey, ist noch schlimmer: nicht jeder 10., nein jeder 7. soll behandlungsbedürftiger chronischer Schmerzpatient sein.
    wohl auch noch steigende Tendenz.


    Wer soll das bezahlen Den Jungen rate ich mit den Füßen abzustimmen.


    mfg ET.gkv

  • bezahlbar wird das ganze langfristig nur bleiben, wenn endlich vernünftige Versorgungsstrukturen aufgebaut werden, mit denen man die Patienten erreicht, bevor alles zu spät ist. Dann lässt sich Chronifizierung nämlich in einem guten Teil der Fälle verhindern - zur Erinnerung: Etwa 30% aller AU-Tage und 20% aller EU-Renten entfallen auf Schmerzen, die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten alleine durch Rückenschmerzliegen in D bei etwa 20 Milliarden jährlich.

    Um diese Strukturen aufzubauen, müsste aber erst mal die Realität zur Kenntnis genommen werden. Solange KVen von Überversorgung reden, wenn Patienten 3 Monate auf einen Schmerztherapeuten und 6 Monate auf einen Psychotherapeuten warten, solange Wirbelsäulen-OPs ein vielfaches der Gewinne von konservativen Therapien einspielen, solange Patienten monate- und jahrelang im ambulanten wie im stationären Sektor weiterchronifiziert werden, solange völlig unqualifizierte Gutachter behaupten, intensive Multimodaltherapien seien im Rahmen der ambulanten Regelversorgung möglich, solange ein Großteil der Schmerzpatienten einen qualifizierten Therapeuten erst sieht wenn der Rentenantrag schon läuft - so lange mache ich mir um meinen Job keine Sorgen...

  • Guten Tag,

    ich sehe auch folgenden Konflikt: Die Patienten rennen uns die Bude ein. Sie kommen über unsere Notaufnahme mit subjektiv unerträglichen Schmerzen. Wir versuchen dem mit einer Stufentherapie zu begegnen. Bleiben wir rein konservativ (was auch manchmal einige Tage kostet) werden wir gefragt, ob die ambulanten Versorgungsstrukturen nicht ausgereicht hätten. Selbst wenn man das im Einzelfall diskutieren kann, der Patient steht mit Schmerzen und Anspruch in der Notaufnahme.

    Es folgt eine Testinjektion. Auch die soll ambulant gemacht werden. Dann kommt die PRT. Da wird dann ein Behandlungstag akzeptiert, wenn der Patient krank ist. Es geht aber bei alledem immer auch um die Vermeidung einer Operation.

    Halten die Schmerzen an, will der Patient bei uns bleiben. Die Betten werden belegt, die Fälle strittig gestellt.

    Wird dann operiert, wird der präoperative Ablauf strittig gestellt.

    Schlussendlich wird der Vorwurf erhoben, dass zu viel operiert wird.

    Die objektiven Befunde geben für eine Erklärung oft zu wenig her. Man kann also nur verlieren. Oder man weist die Patienten ab, was sich dann negativ in Bewertungsportalen, Beschwerdewesen, Klagen und ähnlichem wiederspiegelt.

    Seufz

    merguet

  • Hallo Herr Merguet,

    daß Ihnen die Kostenträger da gelegentlich auf den Füßen stehen, ist nicht verwunderlich. Ihre Infiltrationstherapie wird in der Nationalen Versorgungsleitlinie Rückenschmerz nicht empfohlen; sie "sollte nicht angewendet werden". Und auch das britische NICE führt Infiltrationen in den Rücken auf der "do not do"-Liste. Diese Intervention ist damit aus Sicht Kostenträger nicht zweckmäßig und nicht erforderlich - und begründet damit auch keine Krankenhausbehandlung. Vergl. hierzu auch die Entscheidung im Bewertungsausschuss KV/Kassen Bund (290.Sitzung) zur Änderung des EBM, durch den die Durchführung der sehr häufigen ambulanten Infiltrationen ab 1.April 2013 drastisch eingeschränkt wurde (sehr zur Freude der niedergelassenen Schmerztherapeuten...)
    Wenn der Patient akut kommt, immobil und schmerzgeplagt ist, gibt es bei uns keine (wesentlichen) Probleme. Aufnahmen von chronischen Rückenschmerz-Patienten, gern mit Vor-Op und jahrelanger Anamnese, versuchen wir zu vermeiden, Stufentherapie, Fellinger-Tropf, PRTs etc. sind Vergangenheit, unser Kosten- und Behandlungsfehlerrisiko (PRTs) und der Verwaltungsaufwand deutlich gesenkt. Inzwischen profitieren wir an dieser Stelle über die 300€ von den Prüfungen....

    Gruß

    W.

  • Hallo Herr Merguet,

    auch wenn das jetzt von den reinen Abrechnungsfragen etwas weg führt, juckt es mich doch zu sehr in den Fingern (sorry, wenn manches etwas zugespitzt formuliert ist):

    Natürlich kennen wir diese Situation auch - ich fürchte nur, Ihr Lösungsversuch ist eher ein Teil des Problems, wie vielerorts:

    Eigentlich ist doch spätestens seit der Jahrtausendwende bekannt, was die meisten chronischen Schmerzpatienten brauchen: Aktivierung und ein Gesamtkonzept auf biopsychosozialer Basis. Was aber passiert mit dem schmerzgeplagten Patienten, der in eine Akutklinik geht (nicht unbedingt in Ihre, das sind jetzt einfach mal Erfahrungswerte)? Er wird erst mal aus dem Verkehr gezogen, in ein Bett gelegt und darf sich ausruhen. Dann gibt's ein paar Novalgin-Infusionen (obwohl orale Gabe eine über 90%ige Bioverfügbarkeit hat, aber ohne Nadel ist der Patient ja nach Ansicht des MDK-Gutachters nicht krankenhausbedürftig). Dazu gibt's noch etwas Physiotherapie, die im Akutfall erfahrungsgemäß eher in manueller Therapie, Massagen, Fango und anderen Streicheleinheiten besteht. Als nächstes kommen noch ein paar invasivere Dinge. Wenn das alles nix hilft, will der Patient irgendwann operiert werden, weil ihn noch niemand davon überzeugen konnte, dass all die schlimmen Dinge, die der Radiologe bei den letzten 3 MRTs geschrieben hat, unspezifische Veränderungen sind. Irgendwann (im Idealfall noch präoperativ) fällt dann auch mal jemandem auf, dass "Die objektiven Befunde [...] für eine Erklärung oft zu wenig " hergeben und man den Patienten entlassen muss. Die Hilflosigkeit wird dann gerne im E-Brief mit dem Satz verbrämt, dass man ja "multimodal" behandelt hat (nämlich mit 3 verschiedenen Medikamenten, 2 Spritzen und Massagen), womit eine an sich wirksame Therapieform in Verruf kommt.

    Ein paar Stichworte aus schmerztherapeutischer Sicht: Belohnung von Schmerzverhalten, Herausnahme aus einer belastenden Situation, passive Behandlungskonzepte, Einsatz von Kurzzeitlösungen für Langzeitprobleme, Fixierung auf invasive Maßnahmen und auf organische Befunde (um nur einige zu nennen). Mit anderen Worten: Die Klinik hat in wenigen Tagen ein hochwirksames Programm zur weiteren Chronifizierung des Patienten durchgezogen (wie vorher schon der Orthopäde, der Radiologe und ein paar andere Mitspieler). Kein Wunder, dass Kassen und MDK da zunehmend kritisch werden. Das blöde ist nur: Sinnvollere Konzepte werden vor Ort von jeweils interessierter Seite genauso unter Beschuss genommen...

    regnerische Grüße

    MDK-Opfer

  • Guten Morgen,

    ich bin mit den Einlassungen meiner Vorredner durchaus einverstanden. Allerdings bleibt das Phänomen, dass die Patienten schmerzgeplagt in der Notaufnahme stehen.

    Außerdem sagen Sie ja zurecht:

    Zitat

    Das blöde ist nur: Sinnvollere Konzepte werden vor Ort von jeweils interessierter Seite genauso unter Beschuss genommen...

    Gruß
    merguet

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    Gutachter fordern ambulante Behandlung

    Versorgungsrealität

    "Das stark wirksame und teure Analgetikum, dessen Zusatznutzen gegenüber anderen, kostengünstigeren und bewährten stark wirkenden Schmerzmitteln zweifelhaft ist, wird häufiger ohne vorherigen Krankenhausaufenthalt erstmalig für einen Patienten im ambulanten Bereich verordnet."

    http://www.tk.de/centaurus/serv…report_2014.pdf

    S. 156 


    Und 


    Für rund 280 000 Barmer-Versicherte wurden 2011 rund 400 000 klassische Massagen verordnet. Rund 85 Prozent dieser Ausgaben entfielen der Studie zufolge jedoch auf Wirbelsäulenerkrankung, die zur Hälfte chronische Beschwerden ausmachten. Gewöhnliche Massagen reichten jedoch als alleinige Therapie bei chronischen Leiden nicht aus, sondern wirkten nur in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen, unterstrich Glaeske. 

    http://www.focus.de/finanzen/versi…aid_822172.html


    Gruß 

    E Rembs