Nochmals Anästhesie (8-90)

  • Hallo liebe Forumsmitglieder,

    obgleich schon häufig besprochen, finde ich mit der Suche nichts Aktuelles und Brauchbares.


    Unter welchen Bedingungen kann man eine Anästhesie (8-90) verschlüsseln?

    Ich frage im Hinblick auf eine Narkose, nicht Analgosedierung, bei Endoskopien.


    1. Wie ist die Trennung zwischen Analgosedierung und Anästhesie?

    2. Welche Dosierung ist z.B. von Propofol erforderlich?

    3. Aus meiner Sicht akzeptabel: Einwilligung zur Narkose, Protokoll

    4. Muss es ein rarer (!) Ausnahmefall sein (s. DKR P009a - \" Kode aus 8-90 sollte sich auf Ausnahmesituationen beschränken. Dies gilt beispielsweise dann, wenn Schockpatienten, Kleinkinder oder nicht kooperative Patienten eine Anästhesie erhalten, damit eine diagnostische oder therapeutische Prozedur durchgeführt werden kann, die normalerweise ohne Anästhesie erbracht wird.\")

    5. Ist ein Anästhesist erforderlich? Oder reicht ein zusätzlicher intensivmedizinisch erfahrener Arzt?


    Vielleicht kann ich ein paar Meinungen und aktuelle Erfahrungen bekommen.

    Viele Grüße

    Medman2 :a_augenruppel:

  • Hallo medmann2,

    Meine Meinung:
    1a) eine (Allgemein)Anästhesie meint wohl Narkose (ansonsten stimmt die Grenze zur Lokalanästhesie nicht) = Narkosestadium III mit Bewußtlosigkeit, vegetativer Abschirmung, Reflexverlust)
    1b) Narkosestadium II, Erweckbarkeit, Abwehrreflexe sind erhalten
    Alles ein Frage der Dosis und der Zusammensetzung der Mittel

    2. reicht von Säuglingen, die Extremdosen benötigen können bis zu multimorbiden Patienten
    als Teil der Analgosierung Bolus 1-2mg; Perfusor mit 6-12mg/Kg/h
    als Monosedativum: Bolus gleich, steady-state weniger
    als Teil der Allgemeinnarkose: 20-40mg mehrfach als Bolus, dann 4-16mg/kg/h

    3. eine Einwilligung ist auch bei Analgosedierung nötig, eine Protokollierung der Vitalparameter sehr empfehlenswert. Ist als Abgrenzungsmerkmal unscharf.

    4. der Kode 8-903 wird bei Patienten über 18J immer gestrichen
    generell stimmt, das Verfahren, die immanent zu einer Prozedur dazugehören und auch so beschrieben sind im Hauptkode untergehen (Inklusiva). tuen sie es nicht kann man sie kodieren

    5. Jeder mit dem Verfahren vertraute approbierte Arzt darf. (Hausregeln / Leitinien sind etwas anderes)


    Gruß
    J. Korsten

  • Hallo Herr Korsten,

    vielen Dank für die differenzierte Antwort :i_respekt:

    1. Gibt es andere Meinungen zu Punkt 5 (ist ein Anästhesist erforderlich)


    Auch nach meiner Auffassung darf jeder mit dem Verfahren vertraute approbierte Arzt eine Anästhesie durchführen, sodass der Verweis auf einen \"fehlenden Anästhesisten\" ins Leere gehen düfte.


    2. Ein weiterer \"Knackpunkt\" ist die DKR P009a:

    \"Die Kodierung der Anästhesie mit einem Kode aus 8-90 sollte sich auf Ausnahmesituationen beschränken. Dies gilt beispielsweise dann, wenn Schockpatienten, Kleinkinder oder nicht kooperative Patienten eine Anästhesie erhalten, damit eine diagnostische oder therapeutische Prozedur durchgeführt werden kann, die normalerweise ohne Anästhesie erbracht wird.\"

    Können z.B. ERCP\'s, aber auch Gastroskopien, die nicht nur im Ausnahmefall in Anästhesie erbracht werde, welche den von Ihnen beschriebenen Kriterien entspricht, zusätzlich mit der 8-900 kodiert werden. Bisweilen ist dies erlösrelevant?

    Wie sehen Sie diesen Punkt?

    3. Gibt es diesbezügliche Erfahrungen im Forum?

    Vielen Dank

    Medman2

  • Hallo miteinander,

    nochmal zu diesem Thema aus aktuellem Anlass bei uns.

    Basierend auf den Ausführungen der SEG4 (Nr 30), den Kommentaren des FoKA dazu, dem Schriftsatz der DGAI "Analgosedierung für diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Erwachsenen" und der S3 Leitlinie "Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie" der DGVS sowie Rücksprache mit Kollegen aus der Anästhesiologie und unter Berücksichtigung von OPS und DKR komme ich zu folgenden Schlussfolgerungen:

    Eine iv. Anästhesie bedeutet Narkose und ist von der Analgosedierung durch Erlöschen der Schutzreflexe, Notwendigkeit des Atemwegsmanagement etc. zu differenzieren (siehe Stadien Sedierung der verschiednene Quellen).

    Diese Narkose ist durch den Anästhesisten durchzuführen (auch in der DGVS Leitlinie so empfohlen).

    Konsequenz: eine Analgosedierung in der Gastroenterologie etc. ist nie so geplant, dass dieses Stadium erreicht wird, daher handelt es sich nicht um eine iv. Narkose und ist nicht zu kodieren.

    Die Anlagosedierung erfordert definitiv keinen Anästhesisten sondern einen im Umgang mit den Mitteln erfahrenen Kollegen mit mgl. intensivmed. Erfahrung und Fähigkeit zum Atemwegmanagement.

    Gibt es hierzu von Ihnen/Euch Anmerkungen?

    Schönen Feierabend.

    Uwe Neiser


  • habe zum Thema gerade ein aktuelles Urteil bekommen, daher hier kurz zur Info:

    Der 2. Arzt bei der Propofolnarkose (im strittigen Fall 300mg fraktioniert) muss kein Anästhesist sein. Dies lässt sich weder aus dem insoweit allein maßgeblichen Wortlaut des OPS noch aus den DKR entnehmen. Haftungs- und Qualitätsgesichtspunkte sind bei der Auslegung der Abrechnungsvorschriften nicht zu berücksichtigen. (SG Speyer Urt. v. 27.06.2013, S 17 KR 20/12 - nicht rechtkräftig, Kasse hat Berufung angekündigt...)

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    Danke für den Hinweis


    Zur Ergänzung

    2009
    ...“auf eine gemeinsame Leitlinie geeinigt. Neben den
    bekannten Sicherheitsvorkehrungen, wie Monitoring und Beatmungsmaßnahmen, soll
    in Zukunft nicht nur ein eigens geschultes Team anwesend sein, sondern in
    kritischen Fällen auch ein intensivmedizinisch ausgebildeter Gastroenterologe
    oder ein Anästhesist.“
    http://www.spiegel.de/wissenschaft/m…n-a-602717.html


    oder


    2013
    http://www.medizinrecht-schulte-sasse.de/fileadmin/temp…der-Narkose.pdf

    „Die S3-Leitlinie zur gastrointestinalen Endoskopie verlangt ähnlich wie die
    pharmazeutischen Herstellerhinweise und die Rechtsprechung einen
    zweiten Arzt, der seine ungeteilte Aufmerksamkeit dieser
    Aufgabe widmen kann.“


    Gruss

    E Rembs

  • ich zitiere mal aus einem aktuellen Hinweis des LSG Hessen, Az. L 8 KR 285/13:

    Zitat

    Die im erstinstanzlichen Urteil gegeben Begründung, dass der OPS 8-900 für die Durchführung einer Allgemeinnarkose die Anwesenheit eines Anästhesisten erfordert , dürfte nicht zu beanstanden sein. Die S3-Leitlinie von 2008 ist evidenz- und konsensbasiert. Eine Leistungserbringugn, die die dort definierten Standards unterschreitet, ist auch dann nicht mit dem vorgenannten OPS abrechnungsfähig, wenn der Wortlaut des OPS keine konkrete Angabe zu der notwendigen Qualifikation der beteiligten Ärzte macht.

    Das KH hat daraufhin die Klage zurückgenommen (dito lief es vor dem LSG RLP im Fall weiter oben). Als Fazit zu diesen Fällen lässt sich festhalten, dass die KHs hier erstinstanzlich bis 2012 oftmals nach positiven internistischen Gutachten erfolgreich waren, bis der MDK begann, seine gerichtlichen Stellungnahmen ausführlicher zu gestalten und insbesondere die Differenzierung in der Leitlinie bzgl. Sedierung (2. Arzt mit intensiv-med. Erfahrung ausreichend) und Anästhesie (Anästhesist notwendig) genauer dargestellt hat. Insbesondere wenn dann Anästhesisten als Gerichtsgutachter beauftragt wurden, konnten die KHs meist einpacken. :(