Wiederaufnahme nach Hemicolektomie mit Ileotransversostomie bei Zökumca

  • Hallo liebe Forum-Mitglieder,

    habe ein Problem bezüglich Fallzusammenführung:

    Patient (80J) wurde stationär primär wegen Exsikkose aufgenommen. Am Aufnahmetag morgens einmalig erbrochen, Schwindelgefühl. Es fiel eine große Resistenz im Mittelbauch auf, Erstdiagnose: stenosierendes Zökumkarzinom, ein zweimal mannsfaustgroßer Tumor im Bereich des Coecalpols. Die Tumorgröße betrug 10x9x8cm cm. Es folgte og OP, danach schrittweise Kostaufbau, der von der Patientin gut vertragen wurde. Die Magen-Darmpassage kam unter abführenden Maßnahmen in Gang. Die Mobilisation erfolgte mit Hilfe der Pflege. Des Weiteren erhielt die Patientin Atemgymnastik. Patientin wurde entlassen, einen Tag später wieder aufgenommen wegen Übelkeit, Erbrechen, teils kaffeesatzartig/gallig. Diagnose: schwere ulcerierende hämorrhagische Ösophagitis bei axialer Hiatushernie, Subileus.

    Nun soll eine Fallzusammenführung vorgenommen werden mit der Argumentation, die Ösophagitis hätte sich wahrscheinlich bereits während des vorigen Aufenthalts gebildet, stelle also kein eigenständiges Krankheitsbild dar.

    Ist diese Ösophagitis wirklich eine Komplikation oder eigentlich doch ein Folgezustand der zugrunde liegenden Erkrankung?


    Danke und Grüße

    Einmal editiert, zuletzt von MedCo_Dia (20. September 2011 um 16:24)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    Nun soll eine Fallzusammenführung vorgenommen werden mit der Argumentation, die Ösophagitis hätte sich wahrscheinlich bereits während des vorigen Aufenthalts gebildet, stelle also kein eigenständiges Krankheitsbild dar.

    Das ist nun mal nicht der offizielle Text nach § 2 -Wiederaufnahmen in dasselbe Krankenhaus- der FPV2011.

    Relevant dann:

    (3) Werden Patienten oder Patientinnen, für die eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer, bemessen nach der Zahl der Kalendertage ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Aufenthalts, wieder aufgenommen, hat das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen.

    Es geht nicht um "wann gebildet" und "eigenständige Erkrankung", sondern um genau das, was geschrieben steht. Beantworten Sie diesen Passus mit "Ja, war durch unsere Maßnahmen in unserem Verantwortungsbereich entstanden", dann führen Sie die Fälle zusammen. Wenn nicht so gesehen, weil alles lege artis durchgeführt wurde, dann sollten Sie davon Abstand nehmen.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo Hr. Selter,

    Wenn nicht so gesehen, weil alles lege artis durchgeführt wurde, dann sollten Sie davon Abstand nehmen.

    Das kann ich so natürlich nicht unwidersprochen stehen lassen, denn es würde ja bedeuten, dass Fallzusammenführungen wegen Komplikationen nur bei nicht lege artis durchgeführten Behandlungen, sprich Behandlungsfehlern durchgeführt werden. Ich weiß, dass das Thema derzeit noch heiß umkämpft ist, da ich mittlerweile aber ein LSG-Urteil habe, dass die Situation gerade andersherum beurteilt, bin ich mit Ihrer Auslegung nicht einverstanden.

    Viele Grüße

    Michael Bauer :)
    Krankenkassenbetriebswirt

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Herr Bauer,

    wenn die Kliniken Deutschlands wegen eines Urteils nun alle Fälle zusammenlegen, nur weil eine p.o. Infektion auftritt, wären sie eindeutig falsch beraten! Dass Sie als Kassenvertreter dies gerne so hätten, ist nachvollziehbar. Solange nicht in der FPV eine entsprechende Ausweitung der Formulierung zu Komplikationen im Verantwortungsbereich der Kliniken erfolgt, kann es gar nicht anders sein, als dass man als Klinik jeden Einzellfall prüft und dann erst entscheidet, ob eine Fallzusammenlegung aufgrund von Komplikationen, die selbst verantwortlich im Zusammenhang mit der erbrachten Leistung resultierte, zu erfolgen hat. Wenn ich mir als Klinik nichts vorzuwerfen habe, werde ich mich weiterhin gegen eine Fallzusammenlegung wehren, gerne dann auch auf dem juristischen Wege. Glauben Sie, Herr Bauer, dass die Kliniken jetzt wegen Ihres Einspruchs dies anders beurteilen werden? Ich nicht.
    Klar ist aber auch, dass die hier dargestellte Einstellung nicht bedeutet, dass gar keine Fallzusammenlegungen wegen Komplikationen erfolgen mögen. Wenn z. B. bei Entlassung schon ein infektiöses Geschehen beschrieben ist und die Wideraufnahme wegen weiterbestehender oder zunehmender Infektion erfolgt, dann habe ich gar kein Problem mit einer Fallzusammenlegung.

    Zudem möchte ich noch mal auf die abenteuerliche Formulierung zur Begründung der Fallzusammenlegung in der Ausgangsfrage hinweisen, die nun mal gar nichts mit der Regelformulierung zu tun hat. ....

  • Hallo,

    die Patientin kam mit zunehmender Tumorkachexie, Tumor (Erstdiagnose) war durch die Bauchdecke palpabel, im CT knapp 10 cm Durchmesser, also in weit fortgeschrittenem Stadium zu uns erstmals in die Klinik, wurde bestens versorgt (Transfusion Erythrozytenkonzentrat, Frischplasmakonserven, Vitamin B12- tägliche Eisen-Substitution, schrittweiser Kostaufbau, Mobilisation), es wurde also "alles erdenkliche für sie getan". Eine spontane Wiederaufnahme nach Entlassung bei hämorrhagischer Ösophagitis und Hiatushernie konnte nicht vorausgesehen werden, diese Komplikation liegt doch dann auch nicht im Verantwortungsbereich unseres Krankenhauses. So sehe ich dies jedenfalls, ich bin über jede weitere Diskussion, Beiträge und Anregungen zum Fall dankbar :S

    Danke und Grüße

  • Hallo Hr. Selter,

    es ist gar nichts dagegen einzuwenden, wenn Kliniken Einzelfälle prüfen. Das tun Krankenkassen schließlich auch.

    Ich habe nur darauf hingewiesen und durch die "Zitieren"-Funktion auch deutlich gemacht, dass Ihre Formulierung nicht aus der FPV hervorgeht. Da steht nämlich nichts von lege artis drin. Dass Sie den Sachverhalt möglicherweise anders beurteilen als ich, gestehe ich Ihnen gerne zu. Das gleiche Recht nehme ich aber auch für mich in Anspruch.

    @ MedCo Dia: Eine Komplikation ist nicht nur dann eine Komplikation, wenn sie vorhersehbar ist. Meiner Meinung nach muss eine WA wegen Komplikation dann erfolgen, wenn durch die Behandlung des Krankenhauses eine Reaktion ausgelöst wird und dies nicht auf fehlerhaftes Verhalten eines Dritten (Patient, weiterbehandelnder Arzt) zurückzuführen ist.

    Viele Grüße

    Michael Bauer :)
    Krankenkassenbetriebswirt

    • Offizieller Beitrag

    Ach, Herr Bauer,


    Ich habe nur darauf hingewiesen und durch die "Zitieren"-Funktion auch deutlich gemacht, dass Ihre Formulierung nicht aus der FPV hervorgeht. Da steht nämlich nichts von lege artis drin.

    Ich habe doch 1:1 die Formulierung der FPV zitiert und dann die Rückschlüsse dargestellt. Es ist jedem beim lesen des Posts klar, was die offizielle Formulierung ist und was nicht. Somit ist ihr Hinweis ohne Not.

    Ich glaube, dass sich Ihre Vorstellung keinesfalls in den Kliniken verankern lässt.

    Und zu:


    Meiner Meinung nach muss eine WA wegen Komplikation dann erfolgen, wenn durch die Behandlung des Krankenhauses eine Reaktion ausgelöst wird und dies nicht auf fehlerhaftes Verhalten eines Dritten (Patient, weiterbehandelnder Arzt) zurückzuführen ist.

    Auch hierzu ist festzustellen, dass man es so nicht einfach darstellen kann. Es gibt nämlich schon eine diese freie Interpretation einschränkende Stellungnahme in der FPV an gleicher Stelle:

    "Eine Zusammenfassung und Neueinstufung wird nicht vorgenommen bei unvermeidbaren Nebenwirkungen von Chemotherapien und Strahlentherapien im Rahmen onkologischer Behandlungen."

  • @ MedCo Dia: Eine Komplikation ist nicht nur dann eine Komplikation, wenn sie vorhersehbar ist. Meiner Meinung nach muss eine WA wegen Komplikation dann erfolgen, wenn durch die Behandlung des Krankenhauses eine Reaktion ausgelöst wird und dies nicht auf fehlerhaftes Verhalten eines Dritten (Patient, weiterbehandelnder Arzt) zurückzuführen ist.

    Moin.

    Beispiele, Herr Bauer?

    S 1 KR 223/09 SG Landshut
    sagt was anderes (wobei ich bisher nicht erkennen konnte, dass Berufung / Revision eingelegt wurde):

    Wie Herr Selter schon sagte, der Zusammenhang zweier Fälle muss schon im Voraufenthalt "gelegt" sein, siehe auch das typische Beispiel mit der Infektion. Wenn Pat. mit normalen Werten ohne Infektzeichen nach Hause geht und nach wenigen Tagen mit Infektzeichen wieder aufgenommen wird -> keine WA; oder wie wollen Sie in einem solchen Fall denn beurteilen, dass die Infektion in den Verantwortungsbereich des KH fällt? Vielleicht hat sich der Pat. zu Hause nicht korrekt verhalten? Kann man nicht mehr klären. ?(

    Übrigens auch eine schöne Begründung für die Überschreitung der OGVD. :thumbup:

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

  • Tja papiertiger_2,

    die Beweislage ist tatsächlich schwierig und ich will und kann hier ja gar keine medizinische Diskussion führen. Meine Argumentation, der das LSG Rheinland-Pfalz (übrigens auch noch nicht rechtskräftig!) gefolgt ist, lautet einfach, dass es sich bei dem Begriff "in den Verantwortungsbereich des KH..." lediglich um eine Ursache-Folge-Verknüpfung handelt. Also: KH operierte --> Komplikation entsteht --> Verantwortungsbereich des KH. Das beklagte KH hat die Verantwortung eines Dritten nicht aufgezeigt und auch nicht belegen können. Meiner Meinung nach wird der Knackpunkt der Entscheidung diese Beweislast sein: Muss das KH belegen, dass ursächlich für die Komplikation ein weiterer nicht vom KH gesetzter Umstand, etwa ein unvernünftiges Handeln des Patienten ist oder muss die KK belegen, dass dies nicht so ist. In meinem Fall hat das LSG die Beweislast beim KH gesehen.

    Viele Grüße

    Michael Bauer :)
    Krankenkassenbetriebswirt

  • Hallo,
    habe jetzt einen Fall gehabt, wo mich die juristische Argumentation brennend interessieren wird, da der Fall wahrscheinlich vor das SG geht.
    Patient wird operiert und geht mit reizlosen Wundverhältnissen ohne Blutungsstigmata etc. nach Hause. Wird 4 Tage lang nachbeobachtet.
    Kommt mit Nachblutung nach 6 Tagen (postoperativ) wieder und wird revidiert.
    Kasse fragt nach, MDK bejaht "medizinischen Zusammenhang", was für die Kasse gleichbedeutend mit FZL ist. Gleichzeitig wird für den zusammengelegten Fall die oGVD-Überschreitung angefragt, ob denn der Patient vielleicht zu lange im KH war.
    Also einmal in der selben Anfrage die Frage nach zu früher Entlassung (Komplikation) und zu später Entlassung (oGVD) zu stellen ist schon interessant.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

    Einmal editiert, zuletzt von E_Horndasch (21. September 2011 um 11:09) aus folgendem Grund: habe mich vertippt

  • Hallo,
    ich sehe die abstrahierte Frage sogar unabhängig von "Beweislast".
    Argumentation Kasse (Extremvariante): Leistung wurde im Verantwortungsbereich des KH durchgeführt, also in einem zeitlichen oder räumlichen Bereich, in dem das KH das Sagen hat (üblicherweise der stationäre Aufenthalt). Kommt es zu einer Komplikation, dann unabhängig von lege artis oder nicht FZL.

    Argumentation KH: wenn kein Verschulden des KH für das Auftreten der Komplikation, dann keine FZL (also eher lege artis-Behandlung).

    Nur so nebenbei; wer nimmt Wetten an, wann der Fall vom BSG entschieden wird? Ich hoffe mal auf 2013.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch