Persönlichkeits- und Verhaltensstörung

  • Hallo,

    meine Frage ist: Kann z.B. die F60.31 die Hauptdiagnose für einen stationären Aufenthalt sein?
    Der Patient kam schon mit einer bestehenden diagnostizierten Verhaltensstörung und wird wegen einem dekompensierten Zustand stationär aufgenommen.
    Bei uns war es immer die Regel eine F32/F33/F43 als HD abzurechnen.
    Meines Erachtens ist es aber so das die Verhaltensstörung oder die Persönlichkeitsstörung im Vordergrund steht.
    Richtig oder Falsch ?(

    liebe vorweihnachtliche Grüße

  • Hallo,

    warum sollte das keine Hauptdiagnose sein, wenn die Behandlung dadurch hauptsächliche veranlasst hat?

    Es handelt sich um eine typische psychiatrische Diagnose und es gibt keine Hinweise, dass diese Diagnose als Hauptdiagnose ausgeschlossen ist.

    Gruß

  • ja genau...
    Die Erklärung lautet, weil die momentane depressive Episode während der Verhaltensstörung im Vordergrund steht. Jedoch ist meine Auffassung das bei Störungen der Persönlichkeit oder des Verhaltens affektive, depressive, paranoide, labile usw. Phasen ein Bestandteil der Diagnose sind, welche wir mit Mehraufwand in unserer Klinik behandeln. ?(

  • Hallo,

    natürlich gibt es gerade in einem deskiptiven Fach wie der Psychiatrie viele Übergänge und Interpretationsspielräume.

    Wenn der Patient eine diagnostizierte Borderlinestörung hat und z.B. eine Depression als (relativ typische) Begleitstörung oder symptomatisch angesehen wird, dann könnte man fragen, was im Vordergrund der Behandlung steht. Wird ausschließlich die Depression behandelt, könnte man diese ggf. als Hauptdiagnose ansehen, allerdings dann ohne Nebendiagnose Borderline, weil ja offensichtlich (bei dieser Begründung) kein Aufwand vorlag.

    Wird jedoch die Boderlinestörugn ebenfalls behandelt, würde ich nach DKR-Psych PD002 (zugrundeligende Erkrankung) die Boderlinestörung als HD wählen (und bevor wir hier wieder eine Diskussion anfangen, was ein Symptom ist und was nicht: Die Beispiele in der DKR beziehen hier auch symptomatische Störungen mit ein, die es durchaus auch als eigenständige Diagnosen gibt).

    Gruß

  • Dankeschön für Ihre Erläuterung!
    Habe diesbezüglich nochmal mit einer Psychologin gesprochen, welche meinte, das die F60.31 als HD von den Krankenkassen nicht anerkannt würde und zu wenig schlüssig wäre. Ja das Thema ist sehr
    schwierig :S . Jedoch für das nächste Gespräch nehme ich Ihre Info gern mit.
    Einen schönen Feierabend

  • Natürlich kann die F60.31 als Hauptdiagnose genommen werden. Es muß dann im Brief nur klar drinstehen, daß Borderline-assoziierte Beschwerden im Vordergrund standen, zudem darf die Behandlung nicht zu lange dauern (max. ca.1-2 Wochen). Typisch ist z.B. eine Krisenintervention über einige Tage. Wenn man die Patientin länger liegenlässt, dann kommt mit Sicherheit eine MDK-Anfrage mit der Frage nach sekundärer Fehlbelegung. Danach kann man den Fall entweder umkodieren, oder es werden zwei Wochen gestrichen ;-).

  • Ich verstehe die Diskussion um die Borderline-Störung als Hauptdiagnose nicht. Die Erkrankung ist m.E. schwierig zu behandeln. Oft gibt es suizidale Krisen, ausgeprägtes selbstverletzendes Verhalten unterschiedlichster Art, dissoziative Zustände, Risikoverhalten, komorbider Suchtmittelmissbrauch etc.

    Bei uns sind Patientinnen mit der F60.31 oft die Schwierigsten und sind häufig auch wochen- und sogar monatelang in stationärer Behandlung (in der Akutpsychiatrie). In einem spezialisierten Setting wie eine DBT-Station oder Spezial-Psychotherapiestation würden sie dann oft gar nicht mehr behandelt werden, da sie chronisch suizidal sind und häufig nicht absprachefähig.

    Die Erkrankung hat ihren festen Platz in der stationären Psychiatrie. Aus meiner Sicht kann es aufgrund der oft bestehenden lang andauernden Krisenzuständen auch keine Höchstdauer geben. Ich selbst habe Patientinnen schon über 1,5 Jahre am Stück stationär behandelt. Dabei handelte es sich um eine Borderlinepatientin die auch an einer komplexen Traumafolgestörung litt (wie viele andere auch).

    Gruß,

    Psychodoc

  • Wir verwenden Persönlichkeitsstörungen (wie schon vor dem Umstieg auf das neue Entgeltsystem) auch als Hauptdiagnosen. Es klappt nicht immer, den MDK zu überzeugen. Dafür wird MDK-seits sehr viel der Aufnahmeanlass herbeigezogen: wenn da vorrangig eine depressive Symptomatik beschrieben wird, dann wird uns die HD Depression vom MDK "angeboten", selbst wenn im Anschluß noch eine spezifische Behandlung erfolgt ist. Wir argumentieren dennoch z.B. mit dem Beispiel 4 aus der DKR-Psych, nach dem das nicht bei Aufnahme unmittelbar erkennbar sein muss, was letztlich die HD ist; allerdings mit wechselndem Erfolg.
    Andererseits waren wir erfolgreich im Fall einer Krisenintervention bei suizidalen Gedanken, bei dem der MDK "F43.2" vorschlug; wir argumentierten damit, dass ein auslösendes Ereignis, auf welches eine "Anpassungsstörung" erfolgte, nicht erkennbar war. Das hat dann geholfen.