Anfragen der Kassen - Erlaubt oder nicht?

  • Hallo Forum,

    als Optionshaus aus dem Saarland treffen bei uns täglich viele und immer mehr Anfragen der Kassen ein, aber ganz unterschiedlicher Qualität.
    Eine Art Anfrage taucht in allen Variationen immer wieder auf.
    Die Kassen können gelieferte Diagnosen "nicht nachvollziehen" oder bitten, bestimmte Nebendiagnosen zu "überprüfen", weil die Kodierrelevanz in Hinblick auf die Kodierrichtlinie xy nicht "eindeutig erkennbar" sei.
    Oft werden dann noch "Alternativ-DRGs" vorgeschlagen.
    Uns wird keine rechtliche Grundlage für diese Anfragen mitgeteilt.
    Wahrscheinlich aus gutem Grund, denn soweit ich die Sache sehe, können (im Saarland) die Kassen Stellungnahmen gem. §2 Abs. 1 des Landesvertrages §112 Abs.1 SGB V zu §112 Abs. 2 Nr.2 SGB V anfordern, wobei hier die Notwendigkeit, Art und Dauer der Krankenhausbehandlung überprüft wird. (Vergl. Berliner Urteil).
    In den anderen Bundesländern wird es ähnliche Landesverträge geben. Anfragen zu einzelnen Diagnosen, v.a., wenn erlösrelevant, sind für mich aber keine Anfragen die die Kassen stellen dürfen, da sie mit Notwendigkeit, Art oder Dauer nichts zu tun haben, sondern Anfragen nach §17c Abs.1 Satz 3 KHG sind (ordnungsgemäße Abrechnung der nach §17b vergüteten Krankenhausfälle).
    Dafür ist aber nach §17c Abs.2 Satz 1ff KHG der Medizinische Dienst zuständig!
    Kann ja auch sein, dass erst das Landesrecht noch der neuen DRG-Welt angeglichen werden muss.

    O.k., ich bin kein Jurist, deswegen würde mich die Meinung der Forumsteilnehmer interessieren.

    Irgendwie muss man der Anfrageflut ja beikommen.

    Grüße aus SB
    D KW

  • Hallo DKrause, hallo Forum,

    es stimmt, die Anzahl der Anfragen inhaltlicher Natur ("warum gibt es die - ccl-relevante - ND xyz") erreichen uns in großer Stückzahl täglich. Vorgehen:

    1. Außer den 301-Daten bekommen die Kassen nur die im LV zu 112 vorgesehen zusätzlichen Informationen - wenn sie dies wünschen. Dazu gibt es im KIS bei uns einen Vordruck. Meist wollen sie aber mehr:

    2. Weitergehende Anfragen ("schicken Sie doch mal den Entlassungsbericht") beantworten wir mit dem Versenden des gewünschten Dokumentes direkt (!!!) an den MDK verbunden mit der Bitte, falls noch nicht geschehen, den Prüfauftrag bei der KK anzufordern.

    3. Inhaltliche Fragen (s.o.) beantworten wir mit der Bitte nach der Beauftragung des MDK, weil wir zu einer Detailerläuterung v.a. vor dem Hintergrund der bestehenden Regelungen und der Schweigepflicht leider nicht in der Lage sind.

    Ich glaube fest, daß die vollgültige Beurteilung einer DRG ohnehin nur nach Prüfung des gesamten Sachverhaltes (= ganze Akte +/- Begehung) möglich ist. Wir haben dieses Vorgehen nach sorgfältiger Prüfung bei uns im Haus etabliert; es wurde vorher mit dem regionalen MDK abgestimmt.

    Gruß aus DU - erste Schleierwolken kurz vor dem Wochenende
    --
    Dr. med. Andreas Sander
    Stabsstelle MedCo/QM
    Evangelisches und Johanniter Klinikum DU/DIN/OB gGmbH

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo Herr Krause-Wichmann,

    willkommen im Club der Optionsleidenden!

    Derartige Anfragen erreichen uns auch ständig. Wir haben ja in München schon mal darüber gesprochen.

    Wir haben folgendes Vorgehen (mit unserem Justitiar abgestimmt).

    Aus unserer Sicht erlaubt der Landesvertrag nach §112 schon Erläuterungen zur Kodierung. Unser Anwalt dürckte sich in etwa so aus: Die Stellungnahme des Krankenhaus kommt einer textuellen Erläuterung der Kodierung gleich, die mit den §301 - Daten geliefert wurden. :vertrag:

    Soweit der Anwalt.
    Wir gehen folgendermassen vor:

    1.) Bei Eintreffen Rückfrage --> Prüfung durch unser MedControlling
    Falls wir glauben recht zu haben, Stellungnahme im Stil von:
    ...die Nebendiagnose XYZ wurde unserer Auffassung nach zu Recht
    kodiert, da diagnostischer/therapeutischer/pflegerischer (je
    nachdem was zutrifft) Aufwand verursacht wurde. Wir sehen daher
    keine Veranlassung, die Rechnung zu korrigieren und bitten um
    fristgerechte Bezahlung.
    Sollten Sie sich unserer Auffassung nicht anschliessen, bitten
    wir Sie zur Klärung des Sachverhaltes den MDK einzuschalten..

    Für die Bearbeitung aller Rückfragen haben wir ein Tool in SAP
    zusammengeschraubt, das uns hilft, die Übersicht zu
    behalten. ;D

    2.) Wenn die Kasse dann zahlt, gut. Wenn nicht kommt in der Regel ein
    MDK Gutachten, dass wir dann wieder prüfen, denn auch da können
    wir nicht immer zustimmen. :mdk:

    3.) Wenn wir auch dem MDK nicht zustimmen können, Versuch der Klärung
    mit den Kollegen vom MDK. :rolleyes:

    4.) Wenn alles nix nützt (ich habe gerade ein paar Fälle, zum Glück
    wenige :rotate: ), Brief an Kasse, dass und warum wir dem MDK
    widersprechen und nachdem es ja noch keinen Schlichtungsausschuss
    gibt, Androhung der Klage beim Sozialgericht. :vertrag:

    Jaaaa, sie haben Recht mit dem was Sie jetzt bestimmt denken:
    Das ist eine Schweinearbeit :(

    Andererseits weigern wir uns kategorisch, dass Sachbearbeiter bei Kassen über die Notwendigkeit oder Richtigkeit medizinischer Dokumentation entscheiden. :no:

    Mit zwei Kassen haben wir einen guten Dialog und die haben auch ärztliche Berater, mit denen wir dann telefonieren und das was im Rahmen der Klärung ohne :mdk: möglich ist diskutieren. Das ist sozusagen der kurze Dienstweg.

    Wenn Sie weitere Infos brauchen, rufen Sie mich einfach an, meine Nummer haben Sie ja.

    Gruss aus München (immer noch sonnig)
    Michael Wilke :smokin:

  • Hallo Herr Krause, hallo Herr Wilke,

    eine so detaillierte Schilderung wie Herr Wilke kriege ich natürlich nicht zustande. Kompliment für die Detailauflösung. Die Einschätzung mit dem Arbeitsaufkommen kann ich nur bestätigen. Ich bin nur in zwei Punkten ein wenig im Zweifel:

    1. Eine Erläuterung der Kodierung im Rahmen der "112er" Kurzbrieferstellung geht m.E. zumindest in NRW über die Grenzen dessen, was die Vorlage aus dem Landesvertrag vorsieht. Das liegt natürlich auch daran, daß die Vorlage aus einer Zeit kommt, in der von DRG und DKR überhaupt noch nicht die Rede war. Aber es fällt mir trotzdem schwer, auf eigene Veranlassung die Erläuterungen zur Kodierung da hinein zu denken.

    2. Kurzer Dienstweg mit den Kassen: wird von vielen, die ich kenne auch gelegentlich praktiziert, bietet leider die höllische Gefahr, daß so etwas im breiten Stil einreißt und damit - gerade auch via der sogenannten beratenden Ärzte - den MDK, also den eigentlichen nach dem SGB vorgesehen neutralen Gutachter, ganz heimlich, still und leise aushebelt. Ich habe neulich mal so einer Kollegin erzählt, daß es sie im SGB gar nicht gibt. Die war schwer beeindruckt. Allerdings wollte sie auch eine unsinnige Diskussion über die Aufnahmediagnose anfangen und wollte Details zu Beatmungszeiten und allen möglichen anderen Dingen wissen. Wenn man - und da gebe ich Herrn Wilke völlig recht - verhindern möchte, daß sich die Kassenmitarbeiter in die Diskussion einmischen, dann tut man gut daran, den vordergründig attraktiven Gedanken des schnellen Telefonates gut zu überdenken. Oder meint jemand, die Kollegin bei der Kasse würde dem Sachbearbeiter nix erzählen?
    In diesem Zusammenhang fällt mir die Stellungnahme eines Mitarbeiters einer großen Kasse ein, die sich rührend um die Gesundheit kümmert, daß "ein langjähriger Sachbearbeiter selbstverständlich einen Fall aus seiner Erfahrung heraus vollgültig beurteilen kann". Man muß ihn schon auf sich wirken lassen diesen Spruch.

    Abgesehen davon finde ich ein Tool, mit dem man diese Vorgänge protokollieren kann, ziemlich attraktiv - gibt's da Details zu?
    Wir sind nur leider keine SAP-Anwender ... :(

    Gruß, mittlerweile aus Essen, schon ziemlich duster, aber man sieht schon Sterne,

    PS: gibt es auch Nichtraucher-Smilies? :3
    --
    Dr. med. Andreas Sander
    Stabsstelle MedCo/QM
    Evangelisches und Johanniter Klinikum DU/DIN/OB gGmbH

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo Forum, hallo Herr Sander,

    den Satz muss man wirklich auf sich wirken lassen...
    Trotz langjähriger "Kassenzugehörigkeit" würde ich mir nicht anmaßen, zu behaupten, ich könnte aufgrund meiner Erfahrung Behandlungsfälle medizinisch vollgültig beurteilen (was immer das auch heißen mag :rotate:
    Sicher, bei der ein oder anderen Diagnose läuten auch bei mir die innerlichen Alarmglocken (eine große Berliner Klinik hat bei einer 75jährigen eine Spontangeburt kodiert...ohne Komplikationen
    ;D und dies in Rechnung gestellt) aber leider sind nicht alle DRG-Rechnungen so eindeutig. Um die medizinischen Defizite der Sachbearbeiter auszugleichen, haben wir zwei ärztliche Berater. Sollten Unstimmigkeiten in Bezug auf die kodierten Diagnosen/Prozeduren auftauchen, wird dies dem Krankenhaus ausführlich schriftlich dargelegt und um Vorlage der Berichte beim MDK zwecks Begutachtung gebeten. Einige Krankenhäuser bevorzugen den von Ihnen bereits geschilderten "kurzen Dienstweg" und greifen zum Telefon, andere schicken die Berichte zum MDK und warten dann, so wie ich, gespannt auf das Gutachten:uhr: - das im übrigen von mir vollständig dem Krankenhaus übersandt wird -
    Die telefonische Kommunikation funktioniert mit einigen Krankenhäusern ganz gut (auch wenn am Ende der Kassenleitung ein Nicht-Mediziner sitzt).

    Oder meint jemand, die Kollegin bei der Kasse würde dem Sachbearbeiter nix erzählen?

    Wie sie richtig vermuten, Herr Sander, findet durchaus eine Kommunikation zwischen dem ärztlichen Berater und dem Sachbearbeiter statt. Und auch, wenn sie es kaum für möglich halten, können beide davon profitieren. Ich kann meine medizinischen Laienkenntnisse erweitern und der Mediziner seine Kenntnisse in der Anwendung der DKR, dem KHEntG usw. :jay:

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Dr. Sander,

    Zitat


    Original von A. Sander:
    PS: gibt es auch Nichtraucher-Smilies?

    Würde mich wirklich "brennend" interessieren, wie (?) Sie sich ein solches vorstellen... :D
    So, und jetzt will ich nicht weiter die interessante Diskussion stören.
    B. Sommerhäuser

  • Hallo Herr Sommerhäuser,

    vielleicht die animierte Fassung des Klassikers aus dem Nichtraucher-Bereich des ICE ? ;)
    --
    Dr. med. Andreas Sander
    Stabsstelle MedCo/QM
    Evangelisches und Johanniter Klinikum DU/DIN/OB gGmbH

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Oh Schreck, ob etwa die medizinischen Berater der Krankenkassen den Sachbearbeitern was erzählen? :)) :)) :))

    Gegenfrage, liebe Kolleginnen und Kollegen: was erzählt Ihr denn den Mitarbeitern der Krankenhausverwaltung alles an medizinischen Daten weiter? 8o 8o 8o

    Ich hab jetzt beide Seiten kennengelernt...

    Und was bewirkt es, wenn was auf dem kleinen Dienstweg erklärt wird oder wenn ein hilfesuchender Sachbearbeiter vor medizinischen Kürzeln oder einer Klaue steht, die nur sehr schwer als lesbar zu klassifizieren ist?

    Die Kollegen im Krankenhaus erhalten weniger Anfragen, weil man auf den Sachbearbeiter rechtzeitig beruhigend einwirken kann, bevor er die nächste Ladung Papier losschickt.....und beide Seiten lernen was voneinander. So halten wir es zumindest bei unserer kleinen aber feinen Krankenkasse. Und der Sachbearbeiter fragt immer nach, ob er vielleicht noch was für das Krankenhaus organisieren könnte im Sinne des Patienten.....

    und latürnich gehen wir trotzdem den Weg über den MdK, aber nur in begründeten Fällen
    --
    QMorra
    =/=to boldly go, where no one has gone bevor...

    QMorra
    =/\=to boldly go, where no one has gone bevor...