Konvergenzphase verlängern?

  • Hallo Forum,

    selbstverständlich muss man berücksichtigen, dass Maximalversorger höhere Vorhaltekosten haben. Ich möchte allerdings bezweifeln, dass die sich auf 25 - 30% für jeden Fall belaufen, und das womöglich noch bei einem CMI, der deutlich über dem eines Hauses der Grund- und Regelversorgung liegen müsste. Aber dafür kalkulieren wir ja die DRGs. Und dafür ist ja das DRG-System auch so differenziert. Wenn es also Vorhaltekosten gibt, sollte man sie auch exakt kalkulieren können, sie können ja nur in ganz bestimmten Modulen auftauchen, und man kann, das gibt die Kalkulationsgrundlage grundsätzlich her, die gemittelten Modulkosten je Versorgungsstufe vergleichen. Wenn man dann Ross und Reiter nennen kann, kann man ja ein Ausgleichssystem finden.
    Was mich stört, ist, dass alle Beteiligten die unbefriedigenden Kalkulationsbedingungen hingenommen haben, ohne energisch zu widersprechen. Jetzt sind die Ergebnisse da, und jetzt wird kritisiert: nicht repräsentativ, Vorhaltekosten unberücksichtigt, fehlerhafte Kostenabbildung. Das war alles schon vorher klar.
    Und was ich befürchte, ist, dass sich jetzt die Maximalversorger hinstellen und argumentieren, das Delta zwischen ihrer Base Rate und der Durchschnittsbaserate seien eben die Vorhaltekosten, die notwendig seien.
    Dann sind wir da, wo wir nicht hinwollten: ungleicher Preis für gleichen Fall, denn gleiche Fälle sind es ja offensichtlich doch, sonst würden sich die Fallspektren im DRG-System ja unterschiedlich darstellen und der Casemix würde differieren.

    Gruß aus Hamburg

    Manfred Nast

  • Hallo Herr Kilian,

    Zitat


    Original von Kilian:
    ...Ich kenne ein Krankenhaus der Maximalversorgung dessen absolute jährliche Fallzahl im Bereich des Standardeingriffs \"Appendektomie\" die jedes umliegenden Grund- und Regelversorgers deutlich unterschreitet...

    ...und sich auch noch auf deutlich mehr Köpfe (Operateure) verteilt!

    Solche Häuser kenne ich auch.
    Wie wäre es bei diesen Eingriffen denn mit Anwendung der Mindestmengenregelung im Hinblick auf die zu erwartende Qualität?

    MfG

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

  • Zitat


    Original von RolandBalling:
    Wie wäre es bei diesen Eingriffen denn mit Anwendung der Mindestmengenregelung im Hinblick auf die zu erwartende Qualität?

    Hallo Herr Balling,
    wer glaubt, dass die Mindestmengen es zulassen, dass ein kleines Haus etwas machen darf, was einem Maximalhaus verwehrt ist, der glaubt auch ......
    (näher möchte ich mich dazu nicht äussern).
    Aber im Ernst: die Mindestmengenregelung dient doch auf Lobbyistenebene auch eher der Ressourcenverteilung zwischen grossen und kleinen Häusern als einem echten Qualitätsanspruch. Kennt irgendjemand evidenzbasierte Aussagen darüber, ab welcher Anzahl welches Verfahren qualitativ besser durchführbar ist? Nach meinen bescheidenen Informationen sprechen z.B. die Zahlen der BQS da eine ganz andere Sprache.
    Gute Nacht allerseits (22:56)

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo,

    das sehe ich völlig anders...
    Die Mindestmengenregelung ist längst überfällig und natürlich können dann auch Maximalversorger verlieren und zwar gerade bei Grundversorgungsleistungen...

    Und die geforderten beweisenden Studien gibt es nicht...interessant ist doch die Frage warum nicht?

    Weil es immer noch keine Sektorenübergreifende Dokumentation von Komplikationen gibt (und die Einführung eines abweichenden ICD-Schlüssels macht dies auch schon mal fast unmöglich [danke Hr. Staatssekretär für diese Nacht - und Nebelaktion und die weitsichtige Unterstützung der KV-Lobby von hier aus!!!])...

    Nur das ein Zentrum was z.B. 300 mal denselben Eingriff /Jahr macht z.B. mit seltenen Komplikationen besser umgehen kann, als eines das davon nur 30 macht...ist meiner Meinung nach völlig einleuchtend.

    Das auch weniger Fehler bei einem diesbezüglich eingespielten Team (und da zähle ich ausdrücklich alle an der Behandlung Beteiligten mit ein) vorkommen ist genauso zu vermuten...und wenn es mal eine vernüftige Komplikationsdokumentation gibt, wird das auch im Durchschnitt herauskommen...

    Sich dann hinzustellen und zu sagen es gibt keine Studien... (wohl wissend, dass es die auch aus oben genannten Gründen nicht in absehbarer Zeit geben wird, ja nicht geben kann)...ist reine Besitzstandswahrende Blockadepolitik, die letzlich allen schadet.

    Gruß

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin

  • Schönen guten Tag alleseits!

    Zu den Mindestmengen hätte ich noch einige Anmerkungen:

    Es kommt darauf an, wovon wir reden. Natürlich ist es nicht grade sinnvoll, wenn der Chefarzt einen kleineren Krankenhauses sozusagen als Hobby 2 bis 3 Carotis-OPs im Jahr macht, weil er nun mal die Ausbildung zum Gefäßchirurgen hat. Selbst wenn er selbst die OP noch beherrscht, seinem Team fehlt einfach die Erfahrung in Assistenz und Behandlung.

    Bei Basisleistungen sehe ich das aber anders: Ob bei Leistenhernien oder Hüft-TEPs die Grenze bei 20, 50 oder 100 im Jahr liegt, ist doch letztlich willkürlich.

    Und das die Mindestmengen dann auch Konsequenzen für die Maximalversorger haben, sehe ich eigentlich auch nicht und ist wohl auch nicht sinnvoll. Denn natürlich kann ein Operateur, der über 100 Hemicolektomien im Jahr macht, auch mal 4 oder 5 Blindärme souverän entfernen, was umgekehrt nicht unbedingt der Fall sein muss.

    Ich halte es also durchaus für sinnvoll, bestimmte seltene Behandlungen in Zentren anzusiedeln. Die Frage ist vielmehr, ob dies mit Zwangsmaßnahmen verbunden sein muss und vor allem, ob dies auch bei Basisleistungen sein muss.

    Den gerade in der Grundversorgung ist nach meiner Ansicht die Menge nur eines von vielen Qualitätskriterien. Bei vielen Patienten ist es für das Outcome mindestens genauso wichtig, dass Sie sich subjektiv in guten Händen fühlen, weil Sie vielleicht den ein oder anderen im Krankenhaus kennen und weil sie dort von ihren Freunden und Verwandten besucht werden können.

    Und zu guter Letzt ist die Menge auch nur ein statistisches Kriterium. Es mag ja sein, dass bei vernünftigen Auswertungen herauskommt, dass statistisch eine Korrelation zwischen Menge und Komplikationsrate besteht. Den Einzelfall, der bei hoher Leistungsmenge auch eine hohe Komplikationsrate hat, wird es trotzdem geben.

    Wir verlassen uns in der Medizin mehr und mehr auf möglichst objektive Zahlen und Befunde. Einen guten Arzt macht jedoch neben dem Umgang mit dem Patienten auch die Fertigkeit aus, durch klinische Untersuchung und subjektive Bewertung sich ein zutreffendes Bild von Zustand und Befinden des Patienten zu machen. Das ist natürlich nicht so gut messbar.

    Schönen Tag noch,

  • Hallo Herr Lückert und Herr Schaffert,
    die Mindestmengenproblematik gehört zwar nicht mehr zum Thema \"Konvergenzphase verlängern\" - aber trotzdem möchte ich meine Meinung dazu auch noch loswerden:
    Im Prinzip stimme ich meinen Vorrednern ja zu -ist ja auch plausibel, dass die Menge etwas mit der Qualität zu tun hat. ABER:
    Wenn man mal an mehreren Häusern war und mehrere Chefs erlebt hat dann sieht man auch die Grenzen dieser Sichtweise.
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einige Leute, die habilitiert sind, nicht viel Zeit im OP verbracht haben. Größere Häuser schmücken sich aber gerne mit Habilitierten. Oberärzte an größeren Häusern, die mehr operiert haben als sich um eine Habilitation zu kümmern werden dann eher an kleineren Häusern Chefs. Warum sollte nun dieser nicht habilitierte Chef an einem kleineren Haus mit einem geringeren Patientenaufkommen auf einmal schlechter operieren???? Vielleicht verliert er die Routine nach vielen Jahren auf dem Lande, aber erstmal ist er doch der Erfahrenere. Gerade von Universitätskliniken habe ich schon gehört, dass Assistenten im letzten Jahr der Weiterbildung ihren OP-Katalog in einem kooperierenden \"kleineren\" Krankenhaus vollgemacht haben, da die Vielzahl der Assistenten und potentiellen Operateure eine gute Ausbildung mit OP-Erfahrung verhindert haben.
    Sicher wird es bei spezialisierten Teams wie in der Herzchirurgie hervorragend trainierte und versierte Operateure geben, aber es gibt auch Operateure in verschiedenen Disziplinen, die zwar viel operieren, aber bei denen man sich nicht unters Messer legen würde.
    Es ist halt alles etwas differenzierter als es sich der Politiker so vorstellt.

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Hallo Hr. Heller,

    klar, sollt man sich besser in einer Uniklinik nicht von Chef operieren lassen, sondern vom ersten Oberarzt, weil in Unikliniken der fähigste erfahrenste Operateur meist eben nicht der Chefarzt ist...und gutes Wissenschaftliches Renommee eben überhaupt nichts mit der Fähigkeit ein guter Arzt zu sein, zu tun hat (ist meiner Meinung eher umgekehrt proportional...)

    Aber deswegen halte ich die Mindestmengenregelung trotzdem für wichtig, aber klar kann es auf so komplexe Probleme keine einfache Lösung geben und die persönliche Qualifikation des Operateurs ist ja auch Bestandteil der Überlegungen...

    Ich halte halt nur eine generell ablehnede Haltung wegen fehlender Wissenschaftlicher Daten für ein immerwiederaufgekochtes Scheinargument, das nur dazu dient die Mindestmengendikussion zu blockieren und zu verzögern....schließlich könnte doch jeder Professor in Deutschland dazu forschen lassen...

    Gruß

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin

    • Offizieller Beitrag

    Guten Abend,

    Zitat


    Original von E_Horndasch:
    Kennt jemand verlässliche Quellen, ob das BMG vorhat, auf die Anregungen der DKG einzugehen?

    Statements hierzu
    München 30.4.2004
    11. Deutscher Krankenhaus Controller Tag


    Herr Baum vom BMGS:

    Es findet zur Zeit eine sachgerechte Prüfung der Rahmenbedingungen ( Zeitraum, Einstiegswinkel) im Ministerium statt. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.
    Im Ministerium besteht die Bereitschaft „offen zu handeln“
    Sicher ist jedoch: es gibt keine Fortführung der budgetneutralen Phase


    Herr Dr. Leber von der AOK erklärte sinngemäß: der größte Schritt sollte am Anfang erfolgen (Vergleich: Abnehmen)


    Gruß
    E Rembs

  • Guten Morgen,
    auch wenn ich sonst (naturgemäss) nicht immer konform mit den Ansichten der Kassen gehe; die von Herrn Rembs zitierte Ausführung von Herrn Leber entbehrt nicht einer gewissen Logik. Auch die dazu von ihm gemachten Ausführungen auf dem Controllertag waren für mich durchaus nachvollziehbar.
    Aber wenn Herr Rocke von der DKG (auf derselben Tagung) fordert, aus Gründen der besseren Planbarkeit die Rahmenbedingungen (Konvergenzphase) zu ändern, dann frage ich mich, ob für ihn eine Grundlage der Planung die nicht zu kalkulierende jährliche Änderung der Basis unseres Gesundheitwesens ist.
    ACHTUNG SARKASMUS:
    Vielleicht liegt die Lösung der Probleme im Gesundheitswesen in der Chaostheorie??

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch