Akute Alkoholintoxikation - Fehlbelegung ja oder nein?

  • Liebes Forum,

    ein 14-jähriger Jugendlicher wird mit einem Blutalkoholspiegel von 1,44 o/oo nach dem Genuss von einer Viertel Flasche Wodka mit dem RTW zur stationäre Aufnahme gebracht. Seine Mutter ist ebenfalls anwesend. Nach Ausschluss des Konsums weiterer Drogen erhält der Patient Sterofundin- und Glukose-Infusionen. Zudem werden die Vitalparameter bei leicht komatösem Zustand überwacht. Nach 9 Stunden wird der Patient entlassen.

    Krankenkasse: stationäre Behandlung nicht notwendig.

    Argumentation Krankenhaus: * sehr junger Patient, * (leichtgradig) komatöser Zustand, * kurze Behandlungsdauer bei Aufnahme nicht abschätzbar

    Argumentation der Krankenkasse:
    \"Ob tatsächlich eine vollstationäre Behandlung vorgelegen hat, kann nicht bereits bei Aufnahme eines Patienten entschieden werden. Vielmehr kann - grade bei nur kurzzeitiger Behandlung - erst rückschauend beurteilt werden, ob die besonderen Mittel eines Krankenhauses tatsächlich erforderlich waren.


    Meine Frage: wie schätzen Sie die Sachlage ein? Sind Infusionen eine spezifische Therapie? Wie verfahren Sie generell bei der stationären Aufnahme von akut alkoholintoxikierten Patienten?

    Mit herzlichem Dank im voraus

    K. Piecha

  • Hallo Frau Piecha,

    die Auffassung der Krankenkasse ist nicht haltbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (3 RK 2/96; B 3 KR 33/99 R; B 3 KR 11/01 R) ist der entscheidende Zeitpunkt zur Beurteilung der Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung der Moment der Krankenhausaufnahme. Die hier von der Krankenkasse durchgeführte reine ex post Betrachtung ist unzulässig.

    Auch das BSG- Urteil B 3 KR 4/ 03 kann hier nicht als Ablehnungsbegründung herangezogen werden, da dort an die geplante Aufenthaltsdauer angeknüpft wird, und diese lag hier sicher bei mehr als neun Stunden. Außerdem wäre wegen des hohen Behandlungsaufwandes hier auch bei einem Stundenfall eine stationäre Aufnahme begründbar.

    In unserem Haus werden Patienten in der von Ihnen geschilderten Situation immer stationär aufgenommen. Die dann regelmäßig erfolgenden MDK- Überprüfungen haben bisher immer diese Vorgehensweise bestätigt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mährmann

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    sieh auch hier.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo Herr Maehrmann,
    hallo Herr Selter,

    danke für Ihre schnellen Antworten. Ich hoffe, nun besser der Krankenkasse gegenübertreten zu können.

    Einen schönen Tag noch

    K. Piecha

  • Hallo Herr Maehrmann,


    Zitat


    Original von Maehrmann:
    die Auffassung der Krankenkasse ist nicht haltbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (3 RK 2/96; B 3 KR 33/99 R; B 3 KR 11/01 R) ist der entscheidende Zeitpunkt zur Beurteilung der Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung der Moment der Krankenhausaufnahme.


    mich würde interessieren, wie Sie als Jurist den \"Moment der Krankenhausaufnahme\" interpretieren. Für mich als juristischer wie medizinischer Laie und zudem noch als Mitarbeiter eines Kostenträgers ist es als reine Begrifflichkeit ein bisschen zu einfach.

    Ich würde den Aufnahmevorgang (erste Untersuchung in z.B. der Notaufnahme, evtl. direkt von dort veranlasste Untersuchungen wie EKG, Labor, Röntgen, CT o.ä.) als Gesamtheit darunter subsummieren. Analog würde ich als Argument immer die Abklärungsuntersuchung anführen wollen, die ja all die o.g. Leistungen beinhaltet, um die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung auszuschließen. Im Umkehrschluss müssen doch dann auch diese Untersuchungen erfolgen, um die Notwendigkeit festzustellen und die stationäre Aufnahme schlussendlich zu vollziehen, oder?

    Ihre Meinung als Jurist würde mich da sehr interessieren.

    Gruß,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Hallo ToDo,

    die juristische Standardantwort ist bekanntlich immer \"Kommt drauf an.\"

    Grundsätzlich ist der Moment der Aufnahme der Zeitpunkt, in dem der zuständige Krankenhausarzt die Entscheidung zur stationären Aufnahme fällt. (BSG B 3 KR 33/99 - \"Wie der Senat bereits im Urteil vom 21. August 1996 {3 RK 2/96 = SozR 3-2500 § 39 Nr. 4} ausgeführt hat, wird der im Gesetz geregelte Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung durch die Entscheidung des Krankenhausarztes über die Aufnahme erstmalig und durch die jeweils geplanten und durchgeführten Behandlungsschritte fortlaufend - wenn auch nicht hoheitlich - konkretisiert und erfüllt, und die KK ist aufgrund des Sachleistungsprinzips verpflichtet, die entstehenden Kosten zu tragen.\") Der Krankenhausarzt hat allerdings vorher die Voraussetzungen der Notwendigkeit der stationären Aufnahme zu prüfen. Und da gilt - auch in anbetracht des Haftungsrisikos für Krankenhaus und Arzt - eben: Je schlechter es dem Patienten augenscheinlich geht, desto weniger ist vor der Aufnahme zu prüfen. Die Entscheidung des Krankenhausarztes kann nachträglich nur korrigiert werden, wenn sie sich als definitiv falsch erweist, wobei immer eine ex-ante Betrachtung notwendig ist. (BSG aaO. - \"Stellt sich die Entscheidung nachträglich - vollständig oder in einzelnen Teilen - als unrichtig heraus, ist die KK nur dann nicht an die Entscheidung des Krankenhausarztes gebunden, wenn dieser vorausschauend („ex anteâ€) hätte erkennen können, daß die geklagten Beschwerden nicht die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung begründeten, de lege artis also eine Fehlentscheidung getroffen wurde.\") In konsequenter Fortführung dieser Rechtsprechung stellt das BSG im Urteil B 3 KR 4/ 03 dann auch auf die geplante Behandlungsdauer ab und benutzt das Kriterium der Übernachtung nicht als Ausschlusskriterium, sondern nur im Sinne eines Anscheinsbeweises.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mährmann