Herniotomie zwanghaft ambulant?

  • [quote]
    Original von MariaSchimmer:
    Sehr geehrter Herr Mies,
    mich interessiert die hier zu Tage tretende Willkürlichkeit. Einmal zitieren Sie einen Paragraphen, nach dem das Krankenhaus bei Aufnahme entscheidet. Dann aber sagen Sie, nein, die Begründung wird nicht bei Aufnahme gestellt, sondern der Chirurg entscheidet durch Festlegung der Operationsvariation.


    Sehr geehrte Frau Schimmer,
    ich gebe ja gerne zu, das es etwas verwirrend klingt, aber ich sehe hier keine Willkürlichkeit.
    Der § 39 im SGB V ist eindeutig und wird allzu gerne nicht entsprechend interpretiert. Der aufnehmende Krankenhausarzt ist \"Erfüllungsgehilfe des Krankenhauses\" und hat zunächst ganz alleine zu prüfen und zu entscheiden, ob die Behandlung nicht ambulant durchgeführt werden kann. Ihm kommt eine sogenannte \"Schlüsselstellung\" ob stationär oder Ambulant zu. Das betreffende Sozialgerichtsurteil werde ich jetzt suchen und im nächsten Post zitieren. Soweit zunächst die §§. :deal:
    MDK und Kassen prüfen nach bestimmten internen Rastern und ein solcher Raster ist eben das endoskop. Hernien stationär sind und offene Hernien auf Ambulant geprüft werden. Nennen Sie es Willkür, ich wäre froh, wenn viele interne Standardgutachten des MDK veröffentlicht wären, damit klar ist, nach welchen Kriterien geprüft wird.
    Mit freundlichen Grüßen

    Ihr

    Kurt Mies

  • Hallo Forum,
    hier der angekündigte EXkurs in die §§
    Neben dem bereits zitierten § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V habe ich noch den ähnlich lautenden § 17 c KHG vergessen, der lautet:
    Der Krankenhausträger wirkt durch geeignete Maßnahmen darauf hin, dass keine Patienten in das Krankenhaus aufgenommen werden, die nicht der stationären Krankenhausbehandlung bedürfen..... usw.
    Zum Thema \"Schlüsselstellung\" des Krankenhausarztes:
    Bunsessozialgerichtsurteil vom 21.08.1996 3RK 2/96 (Krankenhauswanderer
    Das zugelassene Krankenhaus und dessen Ärzte sind aufgrund des Sachleistungsprinzips gesetzlich ermächtigt, mit Wirkung für die Krankenkasse über die Aufnahme sowie die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen und damit konkludent auch über den Leistungsanspruch des Versicherten zu entscheiden. Die Kasse ist dann grundsätzlich an diese Entscheidung gebunden. Bei jeder Bewertung darf nur auf den Kenntnisstand des behandelnden Arztes zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung abgestellt werden. Aber hier gilt auch: stellt sich die Entscheidung( der vollstationären Aufnahme) nachtäglich als unrichtig heraus, ist die Kasse nur dann nicht an die Entscheidung des Krankenhausarztes gebunden, wenn dieser vorrausschauend (ex ante) hätte erkennen können das die stationäre Notwendigkeit nicht zu begründen ist. er also de lege artis eine Fehlentscheidung getroffen hat.
    Ist der Sachverhalt jetzt klarer ?

    P.S.
    in Anbetracht des langen Statements, darf jeder die Rechtschreibefehler, die er findet, selbst behalten.

    Mit freundlichen Grüßen
    ins Forum

    Kurt Mies

  • Liebes Forum,

    wenn ich diesen Thread so nachlese, entdecke ich eine argumentative Lücke: Nach Paragraph 39 SGB V haben, so steht da geschrieben, Versicherte dann Anspruch auf vollstationäre Leistung, wenn das Ziel nicht durch andere, z. B. ambulante Behandlung erreicht werden kann.
    Wenn es mehrere mögliche Versorgungsformen der Leistenhernie gibt, von denen zumindest eine ambulant erbracht werden kann, dann wird es für das Krankenhaus ziemlich schwierig nachzuweisen sein, daß in diesem Fall das Behandlungsziel nicht hätte ambulant erreicht werden können.

    Im Kern geht die Diskussion darum, was das Krankenhaus intern darf. Darf es Behandlungspfade frei wählen? Inwiefern ist es an das Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden? Muß das Krankenhaus das Ziel, falls möglich, ambulant erreichen, darf es auch den stationären Weg wählen, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

    Mir scheint die Festlegung des § 39 SGB V da eindeutig. Und damit bleibt wenig verständlich, wenn eine Kasse die stationäre Erbringung einer Hernien-Operation nicht hinterfragt.

    Gibt es zu diesem Problem schon BSG-Urteile?

    W. S.

  • Zitat


    Original von Willy S.:

    Im Kern geht die Diskussion darum, was das Krankenhaus intern darf. Darf es Behandlungspfade frei wählen? Inwiefern ist es an das Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden? Muß das Krankenhaus das Ziel, falls möglich, ambulant erreichen, darf es auch den stationären Weg wählen, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

    Hallo Willy S.
    das sind ja schon fast philosophische Fragen!
    Wir könnten natürlich auch fast alle Geburten ambulant machen, wenn nicht viele Frauen einen drei- bis fünftägigen Aufenthalt in der Klinik vorziehen würden. Da trauen sich die Kassen bisher nicht heran dagegen einzuschreiten.
    Auch mehr als 30% Kaiserschnitte in Belegabteilungen (keine Risikogeburten), die im Schnitt 1000€ mehr bringen als eine Vaginalgeburt sind bis heute kein Anlass, nachzufragen, welcher Behandlungspfad denn wirtschaftlicher wäre und ob eine Spontangeburt nicht doch möglich gewesen wäre.
    Auch wird natürlich die Hysterektomie weit besser vergütet als die manchmal aufwendigere organerhaltende Uteruschirurgie.

    Aber solche Fragen darf man nicht stellen. Das sind \"heilige Kühe\".

    Da durchleuchtet man jetzt lieber diese Fälle bis aufs Letzte, wenn eine Herniotomie oder eine Varizen-OP zukünftig stationär durchgeführt wird, vielleicht weil der Patient sich psychisch nicht in der Lage fühlt (keine Prämedikation in der Nacht vorher), die Operation ambulant durchführen zu lassen. (siehe auch BSG-Urteil bei Teenager mit Weisheitszahnoperation in Kiel.)
    Man darf nicht versuchen, mit Logik an das System heranzugehen. Es geht um Machtblöcke, nicht um Sinnhaftigkeit. :threemonkey:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Sehr geehrter Herr Kmies,
    wo kan man wohl diese Stellungnahme der Ges. f. Viszeralchirurgie finden? Die Zitierung dieser Stellungnahme würde ja unter Umständen einiges Gewicht bei Beantwortung der unseligen Kassenanfragen haben.
    Nebenbei gesagt haben wir auch schon einmal Patienten zur Kostenzusage zur Kasse geschickt. Es hat ein Riesentheater mit der Kasse gegeben. Danach war dann erst einmal für längere Zeit Ruhe.

    Mit freundlichen Grüssen

    peter kersten

  • Schönen guten Tag allerseits, insbesondere Herr Mies

    Zitat


    Original von Kmies:
    Zum Thema OP nach Laune des Operateurs sehe ich das anders. Hier geht es um \"gute Qualität\", Qualitätssicherung, und was ist der \"goldene Standard\". Demnächst in den veröffentlichten Qualitätsberichten nachzulesen.

    Da sie so gerne Urteile und Paragrafen zitieren, kommt hier auch einer:

    Zitat


    § 12 SGB V Wirtschaftlichkeitsgebot

    (1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

    Da stellt sich schon die Frage, ob - von speziellen Indikationen abgesehen - offene und laparoskopische Hernienoperationen nicht geleichermaßen \"ausreichend\" sind und somit die wirtschaftlichere Methode zu wählen ist?

    Ich wünsche dennoch einen schönen Tag,

  • Hallo Herr Kersten und insbesondere Herr Schaffert,

    die Stellungnahme der Gesellschaft für Visceralchirurgie liegt mir nicht vor. Sie wurde nur mündlich übermittelt und wird von uns und von Kassenseite und MDK so akzeptiert. Diese Übereinkunft und zahlreiche andere Absprachen mit Kassen und MDK, der ja jede Woche vor Ort im Krankenhaus in Rheinlad-Pfalz ist machen einen praktikablen Umgang mit den zahlreichen Anfragen und MDK Prüfungen möglich. Das Zitieren von Paragaphen und Urteilen liegt mir eigentlich fremd und soll hier lediglich dazu dienen Information zur Sache und nicht Polemik zu posten. Auch aus Ihren zahlreichen Posts Herr Schaffert entnehme ich zahlreiche Hinweise und Zitate aus Urteilen und Gesetzen, da liegen wir doch gar nicht soweit auseinander.
    Auch Ihnen noch einen schönen Tag

    Kurt Mies

  • Hallo Forum,
    ich bitte um Hilfe:
    Vertrag zum amb. OP nach § 115 b SGB V

    Zitat (nicht ganz): Bei OPS, die mit einem ↔ gekennzeichnet sind, handelt es sich um Prozedurenkodes, die im offizellen OPS eine Seitenangabe vorsehen. Im Katalog ambulantes Operieren bedeudet ↔ , dass es sich hier grundsätzlich um Einseitige Eingriffe handelt.
    Und jetzt kommt es: [c=red]Beidseitige Eingriffe können zu diesen Kodes nur dann von KHs im Rahmen des § 115 b SGB V erfolgen, wenn diese Leistung in der Vergangenheit bereits üblicher Weise von den Krankenhäusern ambulant erbracht und abgerechnet wurden.[/code]

    Wird also 5-530.1 B st. erbracht - sowohl in der Vergangenheit als auch dato, ist der 115 b Katalog doch außer Kraft gesetzt, oder?
    Eine KK stellt zu dieser Leistung nach § 115 B SGB V eine enstprechende Anfrage mit dem Hinweis, für solche Leistungen grundsätzlich nur 1 Belegtag zu bezahlen.
    Unabhängig von der VWD gesehen, ist die Anfrage inhaltlich doch schon falsch.

    Gruß,
    B. Schrader