Epilepsie bei Alkoholkrankheit

  • Hallo Forum!
    Eine Patientin wird vom Notarzt wegen eines Krampfanfalles eingeliefert. Dabei hatte sich die Patientin auch eine große Kopfplatzwunde zugezogen, welche in der Notaufnahme chir. versorgt wurde. \"Nebenbei\" ist die Patientin eine bekannte Alkoholikerin. Die Patientin wurde nun in der inneren Klinik zur Beobachtung aufgenommen.
    Ein EEG wurde wegen der erheblichen Kopfplatzwunde nicht gemacht. Um einem Alkoholentzug vorzubeugen, erhielt die Patientin Distraneurin und Haloperidol, Entzugsymptome traten darunter nicht auf. Ich hatte den Fall wie folgt kodiert: HD G40.5 (spezielle epilep. Syndrome); ND F10.2 + Kopfplatzwunde etc.
    Unser MDK möchte nun die Umkodierung in: HD F10.2 ; ND G40.5 .
    Meiner Meinung nach kam die Patientin mit dem \"Symptom\" Epilepsie zu uns und wurde nur aus diesem Grunde im KH aufgenommen und überwacht. Die dazugehörige Alkoholkrankheit wird also ND, da wegen Medikation aufwandsrelevant. Spezielle Antiepileptika erhielt die Patienin bei uns allerdings nicht. Liege ich mit meiner Kodierung richtig oder doch eher der MDK?
    mfG Findus

    MfG findus

  • Guten Morgen Findus,

    Nach meiner Meinung ist hier der MDK im Recht.

    Die Begründung liegt in der DKR D002d, Unterkapitel \"Zuweisung der zugrunde liegenden Krankheit als Hauptdiagnose. Es gibt ja offensichtlich einen Zusammenhang zwischen Alkoholkrankheit und dem aufgetretenen Krampfanfall. Aus meiner klinischen Zeit weiß ich, dass insbesondere C2-Entzug bei prädisponierten Pat. mit Krampfanfällen einhergehen kann. Ob es einen passenderen Schlüssel für den Anfall gibt sei hier dahingestellt.

    Hier gilt dann die oben angesprochene DKR. Der Pat. stellt sich mit Symptom vor, die zugrunde liegende Erkrankung ist zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt und wird behandelt. Ergo ist die Grunderkrankung HD.Da das Symptom ein eigenständiges wichtiges Wichtiges Problem darstellt, ist es als ND zu verschlüsseln. Zudem sollte die Kopfplatzwunde als ND und deren Versorgung kodiert werden.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. Duck

  • Guten Morgen!
    Ich kann mich mit der Auffassung von Herrn Duck nicht anfreunden.

    Die (!) Patientin wurde wegen eines epileptischen Anfalls aufgenommen, nicht wegen Alkoholabhängigkeit. Der Zusammenhang des epileptischen Anfalls mit der Alkoholkrankheit ist keinesfalls sicher.

    Epileptische Anfälle bei Alkoholentzug setzen i.d.R. voraus, dass es im Rahmen des chronischen Alkoholkonsums bereits zu einer morphologischen Schädigung des Hirngewebes gekommen ist. Ob dies hier der Fall ist, entzieht sich unserer Kenntnis, ist aber auch irrelevant: offensichtlich traten weder bei Aufnahme noch im Verlauf Entzugssymptome auf. Und epileptische Anfälle im Rahmen einer Alkoholintoxikation (also sozusagen das Gegenteil eines Entzugssyndroms) kommen zwar vor, sind aber im Vergleich zu Entzugskrämpfen extrem selten und erfordern immer die weitere diagnostische Abklärung (Bildgebung, EEG im Verlauf und mit Provokation, usw).

    Aber die kann man sich ja sparen, wenn man alles darauf schiebt, dass die Pat. \"bekannte Alkoholikerin\" (meines Wissens kein med. Fachterminus) ist...

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Zitat


    Original von Leonhardt:

    Die (!) Patientin wurde wegen eines epileptischen Anfalls aufgenommen, nicht wegen Alkoholabhängigkeit. Der Zusammenhang des epileptischen Anfalls mit der Alkoholkrankheit ist keinesfalls sicher.

    Guten Morgen Herr Leonhardt,

    ich halte es so, dass ich mit der männlichen Form die weibliche einschließe.

    Der medizinisch kausale Zusammenhang, da haben Sie recht, ist keinesfalls 100% sicher. Allerdings hat man sich bei der Kodierung ja auf die G40.5 festgelegt. Und dort heißt es: Spezielle epileptische Syndrome; Epileptische Anfälle [b] im Zusammenhang [b] mit Alkohol, Arzneimitteln oder Drogen,...

    Die Aufnahme erfolgte wegen des Anfalls, auch da haben Sie recht. Aus meiner Sicht und nach Kodierung von Findus ist allerdings die Alkoholabhängig zugrundeliegend.

    Oder andersrum: wie hätten Sie kodiert?

    Mit freundlichen Grüßen

    D. Duck

  • Hallo Herr Duck!
    Die G40.5 schließt ja auch Anfälle z.B. nach Schlafentzug und Stress ( ?!? ) mit ein. Falls in diesem Fall tatsächlich auf den Alkohol abgehoben wird, hätte ich den Code vermieden und als Hauptdiagnose G40.6 kodiert; Nebendiagnosen sind dann F10.2 sowie die Verletzung.

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


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  • Hallo Herr Duck!
    Den neurologischen Aspekt jetzt mal beiseite gelassen. Bei einer alkoholassozierten, akuten Pakreatitis wird doch auch die Pankreatitis zur HD und nicht die zugrunde liegende Krankheit.
    mfG Findus

    MfG findus

  • Hallo und...aber, aber Herr Leonhardt,

    Alkoholmißbrauch ist doch \"one of the most common causesof adult-onset seizures\"(N Engl J Med 1999;340:915-919). Ob nun rum fit, \"alcohol related seizure\" oder (Entzugs-) Krampf genannt sei dahingestellt.
    In F10.0, F10.3 und .4 sind diese \"symptomatischen Krampfanfälle\" angeführt. Warum plötzlich nun die Umbenennung in G40.6?

    mfg ETgkv

  • Hallo Frau Dr. ETgkv und willkommen im Forum,

    1. cooler Nick!

    2.

    Zitat


    Original von ETgkv:
    Alkoholmißbrauch ist doch \"one of the most common causesof adult-onset seizures\"(N Engl J Med 1999;340:915-919)


    Schönes Zitat, steht übrigens auch in jedem (deutschen) Lehrbuch der Neurologie und wurde von mir nicht bezweifelt.

    3. Wohl aber habe ich versucht zu bemerken, dass

    Zitat


    Original von ETgkv:
    Ob nun rum fit, \"alcohol related seizure\" oder (Entzugs-) Krampf genannt


    eben nicht

    Zitat


    Original von ETgkv:
    dahingestellt


    sei und es sich somit im oben geschilderten Fall mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht um einen

    Zitat


    Original von ETgkv:
    symptomatischen


    (Entzugs-)Anfall handelt.

    4.

    Zitat


    Original von ETgkv:
    In F10.0, F10.3 und .4 sind diese \"symptomatischen Krampfanfälle\" angeführt.


    wenn ich richtig gelesen habe, war hier die Rede von F10.2.

    Zitat


    Original von ETgkv:
    Warum plötzlich nun die Umbenennung in G40.6?

    Gegenfrage: Warum gleich beim ersten Posting so aufgebracht ?

    Viele Grüße, P. Leonhardt

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


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  • hallo Herr Leonhardt!

    Vorab dies:1)Ihre Anrede ist nicht korrekt; bitte im Forum schlicht und einfach: ETgkv. 2)isch habe gar kein (neues deutsches/engl.) Lehrbuch der Neurologie. Daher der Verweis auf einen frei zugänglichen Artikel (pubmed).

    zu Entzugskrampf: Die zeitliche Bindung an eine Entzugsphase ist lose; manche sehen eher einen Zusammenhang mit der täglichen Dosis C2H5OH. Der Name ist aber fest etabliert.
    In den Vorschlägen der ILAE zur Klassifizierung der Epilepsien(Arch Neurol 2001;28:305-312 oder http://www.epilepsy.org)finden sich Alkoholentzugskrämpfe unter \"Zustände mit Epilepsien, die keine Epilepsiediagnose erfordern\"

    zu G40.6: GM-Anfälle; nicht näher bezeichnet. Das sollten Diagnosen sein ohne Umstände, die eine andere näher bezeichnete Diagnose geradezu nahelegen.

    der Fall: stadtbekannter Alkoholiker, Aufnahme nach Krampfanfall. CT-Ausschuß ICB, subdurales Hematom etc, Behandlung wie bei C2H5OH-Entzug.
    Welche Diagnose ist denn da nach negativer DD wahrscheinlich? Für mich Entzugskrampf/ alkoholbedingter Kramfanfall.

    Codierung: -->Alphab. Verzeichnis <Entzugskramf, Alkohol F10.3>
    --deswegen stat. aufgenommen und behandelt: HD F10.3
    (Kontrolle Syst Verzeichnis: in .03 für F10-F19 sind symptomatische Krampfanfälle mit drin.)

    mfg ETgkv

  • Guten Tag Frau ETgkv,

    offensichtlich fällt es mir manchmal schwer, mich verständlich auszudrücken. Daher noch ein letzter Versuch:

    1. Wenn kein Entzugssyndrom vorliegt, wird auch kein Entzugssyndrom kodiert.

    2. Wenn kein Entzugssyndrom vorliegt, kann auch kein \"Entzugskrampf\" auftreten.

    Drittens und abschließend zitiere ich die D002d:

    Und nun schlage ich vor, diese (auf Außenstehende doch wohl recht kleinkariert wirkende) Diskussion zu beenden.

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


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  • Hallo Findus und Diskussionsrunde,

    ich finde diesen Thread gar nicht kleinkariert, sondern recht interessant, umso mehr als es sich um ein im Alltag recht häufiges Problem handelt (s.a. rezenter Post von AA im Forum \"DRG for beginners\").
    Mein erster Impuls war: Folgen Sie dem MDK, denn wenn ich richtig gruppiert habe, bringt V62Z mehr als B67D, aber es geht uns ja ums korrekte Kodieren, nicht wahr ?

    Für eine abschließende Bewertung scheinen mir 2 Angaben zu fehlen:
    1. War die Pat. bei Aufnahme alkoholisiert oder liegen Angaben zu einem kurz vorher beendeten C2-Gebrauch vor ? - F10.0 oder F10.3 ?
    2. War dies der erste epileptische Anfall, wurde die Diagnose einer Epilepsie gestellt ?

    Ad 1 - Im ICD-Text heißt es sowohl unter F10.0 wie auch unter F10.3 eindeutig, dass Krampfanfälle als Manifestation von Rausch oder Entzug auftreten können, was denke ich, auch medizinisch unbestritten ist.
    Es wurde offenbar ein Entzugssyndrom unterstellt und prophylaktisch mit Distra und Haldol behandelt, hierunter bildeten sich keine Entzugssymtome aus, wunderbar, d.h. die Behandlung war effektiv und das Entzugssyndrom darf somit kodiert werden.

    Ad 2 - ich wäre vorsichtig mit G40.- Wir kodieren G40 nur, wenn eine Epilepsie diagnostiziert wurde, was bei einem einmaligen Anfall, noch dazu evtl. provoziert, oft nicht möglich ist. Gerade unter G40.5 heißt es \"Epileptische Anfälle (sic!) im Zusammenhang mit...\"

    Die Alkoholabhängigkeit selbst wurde jedoch von Ihnen offenbar nicht behandelt, sondern nur deren Komplikationen, würde daher F10.2 als HD nicht zustimmen, sondern würde für F10.3 plädieren (oder F10.0, wenn Pat. stark alkoholisiert).

    NB: Wir kodieren in Situationen, in denen ein alkoholkranker Patient, dem wir wegen eines erstmaligen Anfalls aufnehmen, der weder nachvollziehbar berauscht, noch im Rahmen eines Entzugs einen erstmaligen Anfall hat, und bei dem wir die Diagnose Epilepsie nach EEG, MRT etc. nicht stellen können: HD R56.8 und ND F10.2

    Ich hoffe, hiermit alle Klarheiten beseitigt zu haben und hoffe auf Erleuchtung durch einen Lord of the Codes....

    Beste Grüße

    Dr. K. Kessler
    Oberarzt der Klinik für Neurologie
    DRG-Beauftragter

    Dr. K. Kessler
    Oberarzt/DRG-Beauftragter
    Neurologische Klinik
    Kliniken Maria Hilf GmbH
    41063 Mönchengladbach