Prämedikation

  • Sehr geehrtes Forum,

    zunächst möchte ich Sie hiermit begrüßen, bin neu in diesem Forum...
    Ich konnte hier bereits einige nützliche Infos finden.

    Meine Frage an die werten Teilnehmer:

    Unser Patient, durchschnittl. Alter, kam zur operativen Korrektur des Weichgaumens, Prozedur 5-294.4. Dauer des stationären Aufenthaltes zwei Tage. Der Patient wurde u.a. am Aufnahmetag prämediziert und bekam Tranxilium verabreicht. OP am nächsten Tag. Die Prämedikation wurde wegen längerer Anfahrt in unserem Hause durchgeführt.

    Die Kasse will nun den präoperativen Tag nicht akzeptieren.

    Unsere Argumentation:
    Patient kann nicht mit oben angesprochener Medikation Reise zur OP antreten.

    Welche Erfahrungswerte, Einschätzung haben Sie zu diesem Sachverhalt?

    Danke im Voraus

    AndreasK

  • Hallo, AndreasK!

    Willkommen im Forum und hoffentlich viele konstruktive Beiträge :j_spiny:

    Sie werden wohl auch den präoperativen Tag nicht als stationär notwendig anerkannt bekommen. Die Prämedikation wird ja üblicherweise nicht einen Tag vorher gegeben :d_gutefrage:
    Und hier muss man sich natürlich auch fragen lassen, ob es nur aus organisatorischen Gründen nicht zur OP am Aufnahmetag kam ...

    T. Flöser

  • Hallo Herr Flöser,

    Danke Ihnen für das Willkommen und Ihre Antwort.

    Meines Wissens wird die Prämedikation einige Tage vor, spätestens aber am Tag vor OP durchgeführt. Ab Vorabend der OP ist der Patient nüchtern.

    Dieser Patient bedurfte, nach Einschätzung der Anästhesie, zudem einer extra beruhigenden Medikation.

    Würden Sie den Patienten in diesem Zustand auf die Reise schicken (nüchtern+Medikation)?... mit anschließender OP?
    Ist dies nicht allein schon aus rechtl. Gründen eher bedenklich?... Was ist mit der Einschätzung/Verantwortung der Ärzte?... ex-ante meine ich.

    Danke Ihnen + Mfg

    AndreasK

  • Hallo, AndreasK!

    Ich hatte Sie etwas missverstanden: Sie meinten die Prämedikationsvisite, die natürlich vorher stattfindet. Aber hierzu bedarf es ja nun nicht der stationären Behandlung, sondern diese wird wie in den Fällen der ambulant zu erbringenden Operationen ein bis mehrere Tage vorher durchgeführt.
    Die extra beruhigende Medikation ist schwierig einzuschätzen. Wenn der Patient extreme Angst vor dem Eingriff hatte, ist es in Ausnahmefällen sicherlich möglich, dies unter stationären Bedingungen zu führen, jedoch bedarf es hierzu einer (psychologisch/psychiatrisch ? ) ausführlichen Dokumentation... wird sicher schwer! Natürlich schickt man den Patienten nach Einnahme von Tranxilium nicht mehr nach Hause. Jedoch sind die Patienten, welche morgens nüchtern zur ambulanten Operation kommen, auch die Nacht vorher zu Hause...

    T. Flöser

  • Lieber Herr Flöser, willkommem AdreasK.

    Zitat


    Orginal von Flöser
    ...Die Prämedikation wird ja üblicherweise nicht einen Tag vorher gegeben...

    Als Anästhesist muss ich ihnen leider sagen: Es ist durchaus die Regel, vor Operationen am Abend vorher ein Beruhigungsmittel (meist ein Benzodiazepin) zu verabreichen.

    Lieber AndreasK, wenn ich sie richtig verstehe, will der MDK darauf hinaus, diesen Fall als ambulante OP abzurechnen. Ansonsten macht es ja wenig Sinn, dass sie einen Tag streichen wollen. Oder käme der dann in eine Ein-Tages-DRG?
    Hier kann ich nur auf die AEP-Kriterien verweisen. In beiden Fällen müssen sie dem MDK klarmachen, welche Kriterien dazu führten, den Patienten präoperativ stationär aufzunehmen. Hier kann ein langer Anfahrtsweg, eine untzureichenden Betreuung oder eine notwendige präoperative Medikation aus Gründen einer erhöhten Ängstlichkeit oder einer mangelnden Compliance des Patienten durchaus eine Rolle spielen.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Stefan Stern

    Dr. Stefan Stern :sterne:
    Klinik für Anästhesiologie
    Klinikum der Universität München

  • Hallo Forum,
    es scheint mir so, dass in vielen Häusern auf Druck der Kassen (unter Mitwirkung des MDK) der präoperative Tag auch vor unzweifelhaft stationären Eingriffen gestrichen wird, wenn damit Kurzliegerabschläge erzielt werden können.
    Es gibt aber ein AEP-Kriterium, welches ich so verstehe, dass ein präoperativer Tag vor einem stationären Eingriff legitim ist.
    Es ist das Kriterium B2 der G-AEP-Kriterien.
    Zitat:
    B2 Operation, Intervention oder spezielle diagnostische Maßnahme
    innerhalb der nächsten 24 Stunden, die die besonderen Mittel und
    Einrichtungen eines Krankenhauses erfordert

    Ich würde daher nicht primär medizinisch argumentieren, sondern erstmal mit dem G-AEP-Kriterium kommen, um das Ansinnen der Kasse, die überhaupt nicht medizinisch sondern nur wirtschaftlich denkt, zurückzuweisen.
    Wir werden überschüttet mit Nachfragen, die nur noch aus Textbausteinen bestehen, weil der Kassencomputer eine evtl. Einsparmöglichkeit ausspuckt.
    Die Konsequenz kann für mich nur darin bestehen, dass wir alle Möglichkeiten \"unberechtigte\" Anforderungen an der Quelle zurückzuweisen ausnutzen müssen, bevor man sich an \"inhaltliche\" Diskussionen macht.
    Der Frust über die \"Überbordende Bürokratie\" resultiert sicher auch daraus, dass wir uns mehr Arbeit machen als nötig. Ich muss nicht jedes Ansinnen eines Kassencomputers zur Arbeitsbeschaffung eines DRG-Beauftragten Oberarztes machen.
    Zum Glück ist die Rechtsprechung da noch überwiegend auf unserer Seite.

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Liebes Forum, sehr geehrter Herr Heller,

    ja, ich denke, wir sind alle schon einmal an diesem Kriterium mit dem Gedanken hängen geblieben: Was ist denn das? Und dann erschien es uns so weltfremd, so irreal in unser vom Kostendruck und vom MDK gequälten Welt, daß wir es schlicht vergessen haben. Kann es denn tatsächlich sein, daß dieses Kriterium uns vollständig exculpiert, wenn wir die Patienten präoperativ z. B. für eine Tapp-Hernie einen Tag liegen lassen, um dann die volle DRG abzugreifen?
    Wo es doch jetzt reibungslos auch ohne diesen Tag funktioniert?
    Haben wir nicht hunderttausendfach bewiesen, daß dieses Kriterium aus einer anderen Welt stammt? Ist dieses Kriterium in diesem Papier stark genug, sich gegen die Zeit zu stemmen?

    Gruß
    G.

  • Hallo Gital,
    ich will nicht zurück in die \"Gute Alte Zeit\" der überlangen Aufenthaltsdauern. Aber ich möchte gerne Herr meiner Entscheidungen bleiben und mich nicht ständig rechtfertigen müssen, wenn ich eine Patientin mit großen Ängsten vor einer OP am Vorabend einbestelle und für einen ruhigen Schlaf vor der OP sorge oder alte und immobile Menschen am Vortag aufnehme, da eine andere Organisation große Schwierigkeiten bereiten würde. Es gibt sicherlich noch eine Vielzahl von Gründen, die den MDK und die \"Väter\" der G-AEB-Kriterien überhaupt nicht interessieren und die sie gerne mit einem Handstreich wegwischen.
    Ich habe mit Herrn Kollegen Heimig schon mehrfach darüber diskutiert, warum es eigentlich diese unsäglichen \"Kurzliegerabschläge\" geben muss, die Teilweise bis zur Hälfte des DRG-Erlöses ausmachen und natürlich einen Anreiz für die Kassen darstellen, hier die Notwendigkeit der Aufenthaltsdauer zu hinterfragen.
    Seine lapidare Festtellung war, dass man als Krankenhaus auch mit dem Kurzliegerabschlag immer noch gut auf seine Kosten käme und diesen Abschlag getrost hinnehmen könne.
    Ich glaube, dass eine Streichung der Kurzliegerabschläge noch einmal zu einem deutlichen Rückgang der Verweildauern führen würde, weil die derzeitige Regelung ein Fehlanreiz ist, Patienten länger als bis zur Unteren Grenzverweildauer im Krankenhaus zu belassen.

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Zitat


    Original von Thomas_Heller:

    Ich glaube, dass eine Streichung der Kurzliegerabschläge noch einmal zu einem deutlichen Rückgang der Verweildauern führen würde, weil die derzeitige Regelung ein Fehlanreiz ist, Patienten länger als bis zur Unteren Grenzverweildauer im Krankenhaus zu belassen.


    Guten Morgen,

    ich gebe Herrn Heller insofern recht, als derzeit in vielen Häusern peinlich auf die Einhaltung der uGVD geachtet wird, um nicht budgetschädlich für die eigene Einrichtung zu agieren. Selbstverständlich würde dieser (Fehl-)Anreiz entfallen. Ich kann mir nur nicht vorstellen, daß die KK dabei eine ungeminderte Vergütung hinnehmen würden. Letztlich müßte sich der Wegfall solcher Abschläge in einer Veränderung der Gesamtbewertung von DRG\'s niederschlagen. Damit wäre aber vermutlich die schöne ökonomische Homogenität der DRG\'s, auf die das InEK so großen Wert legt, gefährdet.
    Bezogen auf das geschilderte Beispiel kann ich aus meiner anästhesiologischen Vergangenheit beitragen, daß selbstverständlich die sorgfältige präoperative Vorbereitung bei großen Eingriffen sehr sinnvoll ist und nicht durch häusliche Gabe von 1-2 mg Flunitrazepam kompensiert werden kann. Dazu gibt es auch hinreichend Daten. Es ist nur zugegebenermaßen sehr mühsehlig, dies beim MDK in nicht enden wollenden Fachdiskussionen durchzusetzen.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein