Optionsmodell: Verdacht auf Unsinn

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Forum,

    Zunächst: vielen Dank an Herrn Sommerhäuser, dass er gestern und heute die Kommentierungen von Herrn PD Dr. Roeder und der Bundesärztekammer/AWMF so schnell bereitgestellt hat.

    („Bundesärztekammer und AWMF sehen weder medizinisch, noch technisch oder kalkulatorisch die Voraussetzungen für eine verantwortungsbewusste Umsetzung des gesetzlich angestrebten Optionsmodells 2003 erfüllt.“ Stellungnahme vom 3.9.02)


    Beide Stellungnahmen sind enorm wichtig und wertvoll. Sie zeigen, welche ungeheuren Risiken für die Krankenhäuser aber auch volkswirtschaftlich bestehen, wenn nicht noch in einem Kraftakt die erforderlichern Korrekturen erfolgen.

    Wer kann auf der Basis der jetzt vorgelegten Daten sich verantwortungsvoll für das Optionsmodell entscheiden?

    Ich warte auf Ihre/Eure Antworten.....


    Fundamental ist ein Vertrauen in die Datenintegrität, wo sind die „quality-checks“? Das angebotene Datenmaterial hat Objektivität suggeriert, de facto -auch wenn die Absicht eine andere war – kann auch ein Verdacht auf Unsinn oder Desinformation nicht ausgeräumt werden.

    Wurden hier leichtfertig Vertrauen und Glaubwürdigkeit beschädigt? Ich bin gespannt auf die Stellungnahmen der Verantwortlichen.


    Der hier eingeschlagene Weg wird dazu führen, dass die Kritiker des DRG Systems nun weiter eine gute Idee und ein gutes System mit Parolen zerreden können, weil die Umsetzung bei uns so wenig professionell gelaufen ist.

    Ich war gerade in Australien und habe dort vor Ort in Bezug auf das DRG-System erfahren, in welchen geordneten Strukturen die Kommunikation erfolgt und was Transparenz und Qualitätssicherung bei der Umsetzung und Anwendung bedeuten. Es geht auch anders und es geht auch besser!

    Best Practice, best Management, best Measurement unter diesem Motto stand die diesjährige Case-Mix Konferenz vom 1.9-4.9.02 in Melbourne. Dies sind nicht nur leere Worte, sondern sollten uns allen eine Verpflichtung sein. Die gegenwärtige Situation zeigt hier einen enormen Nachholbedarf und so gebührt den Autoren der genannten Kommentierungen mein Dank für die klaren und unmissverständlichen Statements.

    Case-Mix bedeutet dass man „apples and apples“ und nicht „swings and roundabouts“ vergleicht (Ric Marshall auf der diesjährigen Case Mix Konferenz).


    Persönliches Fazit: Wer jetzt als Reiter auf das Pferd Optionsmodell steigt, der muß spätestens heute wissen: es ist ein Ritt ins Ungewisse.
    Oder anders betrachtet: „Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steige ab“ (Weisheit der Dakota Indianer).


    Viele Grüße
    Schönes Wochenende

    Eberhard Rembs

    Bochum

  • Hallo Herr Rembs!

    Für das Optionsmodell kann ich die vielerorts geäußerten Befürchtungen nicht teilen, denn die Eckwerte sind ja von Krankenhaus zu Krankenhaus verschieden. Aus meiner Sicht ist daher die Teilnahme am Optionsmodell ein eher geringes Risiko für ein Krankenhaus, zumal die Ausgleichsregelungen verlockend sind.
    Das Risiko liegt m. E. in der Fortschreibung der fraglich validen Werte in die Zukunft. Wenn bis 2004 an der DRG-Definition und der Kalkulation nur ein weinig herumgebessert wird, ist das sicher zu wenig für den verbindlichen Systemstart. Hier liegt die Problematik: Während des Jahres 2003 muss die Datenbasis entscheidend verbessert werden. Und hier liegt der Haken: Man kann nicht gleichzeitig die DRG-Definitionen deutlich verändern und verlässlich kalkulieren, sondern nur nacheinander. Das bedeutet: 2003 muss eine brauchbare DRG-Definition geschaffen werden, auf deren Basis man dann (frühestens)2004 eine Kostenkalkulation starten kann. Da man aber erfahrungsgemäß mindestens 6 Monate Nacharbeitszeit benötigt und weitere Zeit, um die Ergebnisse abzustimmen, ist es realistischer, von einer brauchbaren Kalkulation im Jahre 2005 auszugehen, die dann eine realistische Base Rate für das Jahr 2007 liefern könnte. Warum haben denn alle anderen Staaten so lange für die DRG-Einführung gebraucht? Sicher nicht, weil sie wesentlich dümmer waren als wir. Irgend jemand hat mal sinngemäß gesagt "Wenn die Deutschen ein Problem lösen wollen, wird häufig die Lösung zum Problem". Der Mann hatte nicht ganz unrecht.

    Gruß und schönes Wochenende
    --
    Manfred Nast
    Medizincontrolling Bethesda AK Bergedorf Hamburg

    Manfred Nast

  • Lieber Herr Rembs, hallo Forum,

    es ist schon bald ein philosophisches Problem.

    Wenn man aber den Blick für das Wesentliche behält, sollen doch DRGs zu mehr Transparenz und Verteilungsgerechtigkeit führen. Und das möglichst noch in diesem Jahrzehnt.

    Dass der Referentenentwurf mit den dort veröffentlichten G-DRGs 0.9 bzw. 1.0 nicht perfekt ist, ist wohl jedem klar. Dass uns die Australier inzwischen voraus sind, auch.

    Ganz simpel gesprochen daher mein Fazit: Wenn wir nicht bald anfangen, werden wir uns dermaßen mit Nebensächlichkeiten aufhalten, dass auch Verbesserungen niemanden mehr interessieren werden. Nur am konkreten Objekt lassen sich Verbesserungen erreichen, also rein ins Optionsmodell damit etwas weitergeht.

    Weg von der Theorie, rein in die Praxis! Etwas mehr Mut und Pragmatismus wäre wünschenswert. Das Häufige ist häufig, und die Knochenbiopsie ist selten (und korrigierbar).

    Was haben wir denn eigentlich zu verlieren?

    Ich bitte um Nachsicht, dass das hier Gesagte lediglich meine Stimmung widerspiegelt.
    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Hallo Forum,

    ich möchte mich da Herrn Scholz anschließen. Wenn wir noch ein weiteres Jahr über die DRGs reden ohne wirklich konkret was dran zu tun - kann das was werden? Alleine schon die Kalkulation mit den deutschen RGs bringt doch so manche interessante Aspekte auf den Bildschirm und in die Köpfe. Sehr viel verspreche ich mir auch von der praktischen Abrechnung in DRGs. Dabei kommen doch die ganzen Schwierigkeiten bei den Kodierregeln und den DRG-Definitionen erst richtig hoch, dann aber mit Zahlen untermauert. Und der Druck zur Veränderung ist im Topf, wenn wir drin sind und die Sache nicht weiter vor uns herschieben.

    Das Risiko ist gering, sofern die Kassen zeitgerecht zahlen. Und ein Wettbewerbsvorteil wird das allemal sein, wenn man zwei Jahre statt einem mit dem System gelernt hat.

    Traurig wäre nur, wenn nächstes Jahr auch nicht mehr Häuser an der Kalkulation teilnehmen würden als 2002 ...

    Bis Montag,

    L. Boecken

    L. Boecken, Medizincontrolling der Kliniken der Stadt Köln

    • Offizieller Beitrag


    Lieber Herr Dr. Scholz, hallo forum,

    Transparenz und Verteilungsgerechtigkeit sind wichtige Grundbedingungen, sind Sie sicher, daß das gewährleistet ist. Die klar belegten und geäußerten Befürchtungen der genannten Kommentierungen sehen Sie nicht?

    Verlieren tut unter Umständen die Glaubwürdigkeit und die notwendige Akzeptanz des DRG-System.
    Möglicherweise verlieren einige auch viel Geld ...

    Um nicht mißverstanden zu werden, ich bin nicht gegen die Einführung des DRG Systems, aber müssen nicht elementare Grundsätze vorher robust festgelegt sein?

    Schöne Grüße

    Eberhard Rembs

    Bochum

  • Guten Abend Herr Rembs, hallo Forum,

    Zitat


    Original von Bundesärztekammer und AWMF:
    Zur Fehlerbereinigung wird die vollständige Offenlegung der Mappingtabellen, die Markierung und nachvollziehbar begründete Zuordnung kritischer Bereiche durch Fachgruppen mit anschließender Validierung anhand repräsentativer Echtdaten deutscher Krankenhäuser gefordert. Darüber hinaus müssen die in den AR-DRG-Versionen 4.2 und 5.0 vorgenommenen Fehlerkorrekturen bei der Erstellung der deutschen Übersetzung berücksichtigt werden. Die resultierende Rohfassung des G-DRG-Fallpauschalen-Katalogs könnte dann im Jahr 2003 auf Simulationsbasis verbindlich für alle Krankenhäuser eingesetzt werden.

    ...

    Bundesärztekammer und AWMF
    ...
    fordern daher nochmals, das G-DRG-System im Jahr 2003 zunächst im Rahmen einer Simulation auf bundesdeutscher Datenbasis zu validieren und die vorhandenen groben Fehler zu bereinigen. Ein abrechnungsrelevanter Einsatz des neuen Vergütungssystems für Krankenhausleistungen unter geschützten Bedingungen kommt erst dann in
    Betracht, wenn ein ausreichend geprüfter und mit der Selbstverwaltung konsentierter Entwurf des G-DRG-Systems vorliegt.

    Hört sich gar nicht so ablehnend an, oder?

    Aber was genau ist eine Simulation?
    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

    • Offizieller Beitrag


    Hallo Herr Scholz, hallo Forum,

    ich lese aus den statements: Finger weg vom Optionsmodell in der jetzt vorgestellten Version und mit den jetzt vorgelegten Relativgewichten.

    Vor einen Einsatz ist zunächst eine ordentliche Evaluation und Überarbeitung erforderlich...(Simulation)


    Hört sich für mich sehr ablehnend zur Anwendung des Optionsmodells für 2003 an.


    Schöne Grüße

    Eberhard Rembs
    Bochum

  • Hallo miteinander,

    wir simulieren doch schon mindestens ein ganzes Jahr lang. Die Benchmarking-Ergebnisse zeigen uns doch, wo wir stehen, wie wir finanziell heraus kommen werden usw. Wir in Schorndorf warten auf die Halbjahresergebnisse, um dann im Oktober zu entscheiden für oder gegen Früheinstieg. Voraussichtlich und aus meiner Warte hoffentlich positiv. Das Pferd ist übrigens nicht tot, sondern ein Fohlen, es lernt erst, einen Reiter zu tragen. Daher der Name "Lernendes System". Und wir lernen auch viel dabei und geben unsere Erfahrungen dabei doch auch weiter. Die Anpassungen können vorgenommen werden, bevor das System "scharf" geschaltet wird (2005 - 2007). Also habe ich keine Befürchtungen. Es mag bestimmte Häuser geben, die es härter trifft als andere, aber das ist eben Markt und das will man doch!
    Siehe auch den Bericht vom Josefshospital Wiesbaden in "Main-Rheiner"
    --
    Einen freundlichen Gruß vom MDA aus Schorndorf

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Guten Morgen Herr Rembs, hallo Forum,

    noch einmal das Zitat:

    Zitat


    Original von Bundesärztekammer und AWMF:
    Die resultierende Rohfassung des G-DRG-Fallpauschalen-Katalogs könnte dann im Jahr 2003 auf Simulationsbasis verbindlich für alle Krankenhäuser eingesetzt werden.

    Was mich optimistisch macht, ist die Zahl 2003 und die Aussage "verbindlich für alle Krankenhäuser".

    Sie schreiben dagegen

    Zitat


    Original von Rembs:
    Vor einen Einsatz ist zunächst eine ordentliche Evaluation und Überarbeitung erforderlich...(Simulation)

    Deswegen noch einmal die Frage, was genau Simulation sein soll.

    Meine Meinung: Abrechnungsteil des Optionsmodells nur als Simulation im Krankenhaus, d. h. Relativgewichte G-DRG 1.0 dienen nur der Orientierung, ohne konkreten Zahlungsanspruch in 2003, aber wie geplant verpflichtende Ablieferung der Falldaten nach §21 KHEntgG für alle Krankenhäuser.

    Dadurch Mengengerüst von ca. 20 Mio. Fällen statt 500.000 Fällen (G-DRG 0.9) für die Evaluation der Klassifikationen.

    Für das einzelne KH kann ohne Schaden der G-DRG 1.0-Grouper verwendet werden. Da alle gruppierungsrelevanten Felder im §21-Datensatz enthalten sind, könnte der gesamte Datenbestand auch mit zukünftigen Group******ionen (Grou_p_e_r_v_e_r_s_ionen :)) ) nachgegroupt werden (auch unterjährig), um beispielsweise eine plausiblere Kostenverteilung zu erhalten.

    Außerdem vollständige Berücksichtigung der Kostendaten aller deutschen Krankenhäuser, testierte Jahresabschlüsse mit DRG-fähigen Kosten oder zumindest auf Niveau der LKA-Daten, wo immer möglich natürlich auch fallbezogen, sofern das einzelne KH eine Kostenträgerrechnung macht und Qualitätskriterien für die Kalkulation beachtet werden.

    Nur durch diese Form einer 100%-Erfassung lässt sich m. E. eine vernünftige Diskussionsgrundlage schaffen. Auf jeden Fall erlaubt sie eine schnelle Umsetzung im Sinne einer top-down-Kalkulationen ohne sich in Detailfragen zu verrennen. Nur durch Kenntnis der Grundgesamtheit kann entschieden werden, ob eine Stichprobe repräsentativ ist.

    Alles das kann man also Simulation nennen, allerdings wäre hier keinerlei Option mehr gegeben. Ich würde dieses Verfahren tatsächlich vorziehen, wenn es so käme. Statt aber 2003 ohne konkrete Schritte der oben skizzierten Form verstreichen zu lassen und zu meinen, dass durch die Änderung einzelner DRG-Definitionen irgendetwas gewonnen würde, halte ich für verlorene Zeit und Verzögerungstaktik. Dann doch lieber das Optionsmodell, damit wenigstens Fakten geschaffen werden und die optionierenden KH die Zeit nutzen können.

    Herr Rembs, vielleicht sollten wir noch einmal herausstellen, welche Teile des Optionsmodells schwierig sind, z. B.:

    Bestimmte KH-Gruppen (Unikliniken) nehmen nicht Teil, der Datenpool wächst also nicht repräsentativ.
    Die Abrechnungsmodalitäten parallel zum alten System sind problematisch, die EDV ist großteils noch nicht soweit, in den KH aber auch auf Seiten der Krankenkassen.

    Es gäbe noch viel zu sagen...

    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Zitat


    Original von nast:
    ...Aus meiner Sicht ist daher die Teilnahme am Optionsmodell ein eher geringes Risiko für ein Krankenhaus, zumal die Ausgleichsregelungen verlockend sind.

    Hallo Herr Nast und alle anderen,

    das sind sie nicht unbedingt.
    Wenn Sie zu den Häusern gehören, die seit Jahren mehr leisten als sie dürfen und dafür nicht wenig Geld zurückzahlen "dürfen", ist zumindest die Mehr-Erlös-Regelung keineswegs verlockend.
    Sicher, die 100% gelten nur für "upcoding" - Fälle, aber die werden wir wohl haben, denn auf Anhieb wird kaum ein Haus seine Leistungen so exakt planen können. Und auch die 75% für "wirkliche" Mehr-Leistung ist im Vergleich zur bisherigen Situation nicht wirklich eine Verbesserung, denn bei Fallpauschalen und Sonderentgelten haben Sie teilweise weniger als 75%!

    Gruß
    Simone


    :(