wieder einmal: Wahl der HD...?

  • Hallo Forum,

    folgender Fall:


    Patient kommt mit schwerer Quetschverletzung des Zeigefingers mit Subamputation und offener Mittelgliedfraktur stationär.

    Therapie: Spickdrahtosteosynthese, sehnennaht, Wundnaht

    wir haben Als HD:
    S62.62 (mit Sekundärcode: S61.89) (Fraktur Finger)
    als ND:
    S68.1 (Traumatische Amputation eines ...Fingers...partiell)

    Proceduren: Spickdrahtosteosynthese & Sehnennaht

    DRG I32E

    Kostenträger fordert: als HD die Traumatische Amputation...
    (natürlich mit niedrigeren erlös)

    wer hat recht?
    ich denke das hier die HD mit dem grössten ressourcenverbrauch (fraktur finger) zu wählen ist? oder liege ich falsch?

    vielen dank und ein schönes wochenende

    gruss
    beo

  • Hallo beo,

    ich dachte zunächst auch, der Fall ist logisch, aber unter dem Sekundärkode S61.89! findet sich leider folgendes:
    S61.89! Weichteilschaden III. Grades bei offener Fraktur oder Luxation des Handgelenkes und der Hand Ausgedehnte Weichteildestruktion, häufig zusätzliche Gefäß- und Nervenverletzungen, starke Wundkontamination

    Hinw.: Offene Frakturen mit Weichteilschaden IV. Grades (subtotale und totale Amputation) werden als Amputation nach deren Lokalisation kodiert.

    Sieht so aus, als hätte die Kasse recht. ?(

    Die S61.89! beinhaltet leider nicht die subtotale Amputation! Mit S68.1 wird die Verletzung genau beschrieben und ist damit als HD anzuerkennen. ;(

    Würde ich aber noch durch andere Meinungen absichern lassen :biggrin:

    Ciao

    riol

    Viszeralchirurg/Unfallchirurg

  • Schönen guten Tag,

    hier kommt die zweite Meinung, die allerdings in die gleiche Richtung geht:

    Da der Schlüssel S68.1 auch die totale Amputation beschreibt und zumindest diese nicht ohne Fraktur (oder Exartikulation) denkbar ist, beinhaltet dieser Schlüssel bereits die Fraktur. Die Fraktur ist daher nicht extra zu verschlüsseln, es sei denn, es handelt sich um völlig unterschiedliche Lokalisationen (Endgliedamputation und zusätzlich Grundgliedfraktur). Aber selbst dann halte ich eine (Teil-)Amputation für die schwerwiegendere Verletzung, die somit nach DKR 1911 die Hauptdiagnose sein muss.

    Nach dieser Kodierrichtlinie spielt der Ressourcenverbrauch keine Rolle! Außerdem frage ich mich, ob der Draht wirklich soviel teurer ist, als das Nahtmaterial für die Sehne.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo Beo,

    nach den beiden ersten Tipps nun auch meiner, der zielt in eine ganz andere Richtung.

    Mir kommt nämlich die Sub(totale?)amputation spanisch vor. Nach Pschyrembel ist eine subtotale (partielle) Amputation eine Verletzung „mit Durchtrennung wichtiger anatomischer Strukturen, vor allem der Gefäße, unter Bestehenbleiben einer schmalen Gewebebrücke.“

    Wenn Sie unter Anderem die S61.89! (drittgradig offen) und als Maßnahme keine Gefäßversorgungen (Ligaturen, Gefäßnähte, Stumpfversorgung, Replantation(-sversuch), usw.) codieren, kommen mir erhebliche Zweifel, ob überhaupt eine subtotale Amputation per Definitionem vorgelegen hat, oder waren noch andere Finger beteiligt, oder war die subt. Amputation distaler als die offene Fraktur? Aber selbst dann müsste doch noch etwas mit ihr passiert sein. Vielleicht sollten Sie dies noch einmal überprüfen.

    Vielleicht klärt sich das Ganze dann schon auf diese Weise.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

  • Hallo Herr Winter,
    hallo beo,

    eigentlich wollte ich mich gleich auf Herrn Winter stürzen, da mir unsere (riol/Schaffert) Argumentation hieb- und stichfest erschien. :teufel:

    Zum Glück habe ich aber alles noch mal sorgsam geprüft und muss gestehen, dass ich/wir evtl. doch falsch liegen könnte/n. :rotwerd:

    In der Tat würde man bei einer subtotalen Amputation am Fingermittelglied durchaus eine Gefäßrekonstruktion zumindest radial oder ulnar erwarten. Wenn noch ein Gefäßbündel gestanden hat und für die Versorgung des Fingermittel- und endgliedes ausreicht, hatte möglicherweise doch \"nur\" eine 3.gradig offene Fraktur vorgelegen und der Kode S68.1 sollte ganz entfallen. :d_gutefrage:

    Vielleicht sollte sich ein ausgewiesener Handchirurg melden zu der Frage, ob die Intaktheit EINES palmaren Gefäß-/Nervbündels eine \"subtotale\" Fingeramputation ausschließt oder beinhaltet???
    :d_pfeid:

    Bin gespannt!

    Gute Woche

    riol

    Viszeralchirurg/Unfallchirurg

  • Schönen guten Tag allerseits,

    an so einer Struktur wie dem Finger sind meiner Ansicht nach die Grenzen zwischen drittgradig offener Fraktur und Teilamputation fließend. Wesentlich ist, dass - sofern nicht unterschiedlich lokalisiert - nur eines von beiden kodiert werden kann. Wenn der befundende Arzt eine Teilamputation beschreibt, dass ist diese auch zu verschlüsseln, wobei die Fraktur enthalten und daher nicht zusätzlich anzugeben ist.

    Alternativ wäre mit dem befundenden Arzt zu sprechen, ob es sich vielleicht doch \"nur\" um eine offene Fraktur gehandelt habe. Dann wäre aber der Befund entsprechend anzupassen und der Schlüssel für die Teilamputation würde wegfallen.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    hier ist die Spezielle DKR 1905d Offene Wunden/Verletzungen zu beachten. Läge also eine Verletzung vor, wo die (endgülige) Amputation \"drohen\" würde, wäre die Gefäßverletzung als HD zu nennen. Wie unsinnig ich diese Regel finde, habe ich schon mehrfach dargestellt.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Schönen guten Tag Dirk,

    ist die Kodierrichtlinie 1905d nicht eher im Hinblick auf \"Verlust der betroffenen Gliedmaße\" aufgrund der Gefäßverletzung, also Durchblutungsstörung zu verstehen, wie sie bei isolierten oder kombinierten Gefäßverletzungen an Extremitäten als Folge der Verletzung auftreten kann? Insofern verstehe ich durchaus, dass hier eine Gefäßverletzung priorisiert wird (da die schwerwiegendsten Folgen drohen).

    Für eine traumatische Amputation (die nur eine Teilmenge dieser Fälle ist) gibt es aber einen spezifischen Kode der die damit verbundenen Einzelverletzungen beinhaltet. Geht dieser dann nicht vor?

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Reinhard,

    diese Einschränkung kann ich nicht aus der DKR herauslesen. Die Problematik mit den Amputationskodes habe ich in diesem Kontext ja auch schon beschrieben (siehe Vortrag letztes Jahr Herbssymposium DGfMC) und es geht ja noch weiter:
    1911a Mehrfachverletzungen
    Diagnosen
    Die einzelnen Verletzungen werden, wann immer möglich, entsprechend ihrer Lokalisation und ihrer Art so genau wie möglich kodiert.

    Auch hier kollidieren die Amputationskodes mit den DKR. Hier könnte man sagen, dass nur die Kodes gemeint sind, die explizit in der Regel angesprochen werden.....

    Ich persönlich würde einen komplett abgeschnittenen Finger als Amputation kodieren. Bei anderen Sachverhalten wird es mit der 1905d schwierig.

    Ob sich das mal klärt, bleibt abzuwarten.....

  • Hallo zusammen,

    ich verstehe 1905d

    Zitat

    Für jede Körperregion steht im Kapitel XIX ein Abschnitt für offene Wunden zur Verfügung. Hier sind auch Kodes aufgeführt, mit denen offene Wunden verschlüsselt werden, die mit einer Fraktur oder einer Luxation in Verbindung stehen oder bei denen durch die Haut in Körperhöhlen eingedrungen wurde (d.h. intrakranielle Wunden, intrathorakale Wunden und intraabdominale Wunden).
    Die offene Wunde ist in diesen Fällen zusätzlich zur Verletzung (z.B. der Fraktur) zu kodieren, s.a. DKR 1903 Fraktur und Luxation (Seite 133).


    zunächst so, daß hier doch die Fraktur bzw. Amputation die HD darstellt und der nachgeschaltete Abschnitt

    Zitat

    Liegt eine Verletzung mit Gefäßschaden vor, hängt die Reihenfolge der Kodes davon ab, ob der Verlust der betroffenen Gliedmaße droht. Ist dies der Fall, so ist bei einer Verletzung mit Schädigung von Arterie und Nerv
    • zuerst die arterielle Verletzung,
    • danach die Verletzung des Nervs,
    • danach ggf. eine Verletzung der Sehnen,
    • schließlich die Fleischwunde anzugeben.


    auch wirklich unterzuordnen ist.

    [f2]Mit freundlichen Grüßen


    Dr. M. Finke
    Oberarzt der Chirurg. Abteilung :i_ritter:
    Rotkreuzklinik Lindenberg[/f2]

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Herr Finke,

    unterordnen würde bedeuten, dass ja dann bei (Teil)Amputationen Fraktur immer HD wäre, der Rest würde folgen. Das ist aber hier ja nun mal nicht so:
    - zuerst die arterielle Verletzung,
    - danach die Verletzung des Nervs,
    - danach ggf. eine Verletzung der Sehnen,
    - schließlich die Fleischwunde anzugeben.
    Wenn man hier die (Teil)Amputationen rausnehmen will, muss man es auch sagen.

    Im ersten Teil wird nur gesagt, wo man die Kodes für offene Wunden findet, mehr eigentlich nicht.

    Der von mir zitierte Teil der DKR gehört ersatzlos gestrichen. Es ist einfach über die 1911a geklärt:
    Reihenfolge der Kodes bei multiplen Verletzungen
    Im Fall von mehreren näher beschriebenen Verletzungen ist als Hauptdiagnose die Erkrankung auszuwählen, die am schwerwiegendsten ist.