Traumatische Aortendissektion

  • Hallo Kodiermitstreiter.

    Hier mal ein etwas skuriler Fall aus meiner Tätigkeit als Rechnungsprüfer, der eine Schwäche des DRG-Systems aufdeckt: :t_teufelboese:

    Ein Patient wird mit einer traumatischen Aortendissektion nach Verkehrsunfall eingeliefert. Diese ist nach meiner Ansicht mit dem ICD S25.0 zu kodieren. Es wurde ein Aortenstent eingelegt (5-38a.70). Diese Konstellation führt komischerweise in die Fehler-DRG 901D mit einer BWR von 2,040.

    Das behandelnde Krankenhaus hat die drohende finanzielle Katastrophe dieses Falls zu umschiffen versucht, in dem es als Hauptdiagnose die atraumatische Aortendissektion I71.03 gewählt hat. Dies führt dann zur DRG F51A mit einer BWR von 7,729 ! :a_augenruppel:

    Aus meiner Sicht ist diese Kodierung aber nicht richtig, da die Exklusiva der Kodegruppe I00-I99 Verletzungen und Verletzungsfolgen explizit ausschließt. Das Krankenhaus argumentiert, dass die I71.03\" spezifischer\" ist, als die S25.0 (\"Verletzung der Aorta\"). Diese Ansicht würde angeblich auch der MDK vertreten.

    Kann jemand dieser Argumentation folgen ? Kann man jetzt wieder traumatische und nichttraumatische Diagnosen vermischen, wenn einem das eine \"spezifischer\" erscheint. Dann mußte man ja auch eine traumatisch Innenmeniskushinterhornläsion eher mit M23.32 als mit dem sehr viel weiter gefassten Trauma-Kode S83.2 kodieren, oder ?!?

    Insgesamt ist aber das eigentliche Problem dieses Falles, dass bei identischer Prozedur und gleichartiger Diagnose zwei vollkommen unterschiedliche DRGs angesteuert werden.

    Hat jemand eine Meinung zu dem Thema ?

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    Zitat


    Original von Gluecksritter:

    Ein Patient wird mit einer traumatischen Aortendissektion nach Verkehrsunfall eingeliefert. Diese ist nach meiner Ansicht mit dem ICD S25.0 zu kodieren. Es wurde ein Aortenstent eingelegt (5-38a.70). Diese Konstellation führt komischerweise in die Fehler-DRG 901D mit einer BWR von 2,040.

    Das behandelnde Krankenhaus hat die drohende finanzielle Katastrophe dieses Falls zu umschiffen versucht, in dem es als Hauptdiagnose die atraumatische Aortendissektion I71.03 gewählt hat. Dies führt dann zur DRG F51A mit einer BWR von 7,729 !


    Die Diagnose S25.0 ist wenig spezifisch, eine traumatische Aortendissektion wird mit dieser Kodierung nicht korrekt erfasst.


    Zitat


    Original von Gluecksritter:

    Aus meiner Sicht ist diese Kodierung aber nicht richtig, da die Exklusiva der Kodegruppe I00-I99 Verletzungen und Verletzungsfolgen explizit ausschließt.


    Gemäß amtlichen alphabetischen Verzeichnis wird ein traumatischer Angiospasmus (Bein) mit I73.9 kodiert.


    Zitat


    Original von Gluecksritter:
    Insgesamt ist aber das eigentliche Problem dieses Falles, dass bei identischer Prozedur und gleichartiger Diagnose zwei vollkommen unterschiedliche DRGs angesteuert werden.

    Da das Krankenhaus korrekt kodiert hat, liegt hier auch kein Systemproblem vor.

    Auch die Hauptdiagnosen (I20.0, I20.8, I25.11) in Verbindung mit der Prozedur 5-38a.70 führen in die DRG F51A.


    Kommentar:

    Die Therapieoptionen bei der Aortendissektion sind konservativ, offen chirurgisch oder minimalinvasiv mittels Stentgraftimplantation . Die chirurgische Therapie mit Gefäßprothese bedingt Mortalitäts- und Paraplegieraten von circa fünf bis 20 Prozent. Für die minimalinvasive EVAR liegt die technische Erfolgsrate bei 90 bis 100 Prozent, die Mortalitätsrate zwischen null und zehn Prozent und das Risiko für eine Paraplegie zwischen null und sechs Prozent.

    Es wird heute empfohlen die endovaskuläre Stentimplantation bei traumatischen thorakalen Aortenläsionen primär einzusetzen.

    http://www.klinik.uni-frankfurt.de/zrad/diagnosti…enlaesionen.pdf


    Eigentlich sollten Sie sich doch freuen, dass Ihr Versicherter diese optimale Therapie erhalten hat und es sollte für Sie nachvollziehbar sein, dass das Krankenhaus die dafür kalkulierte DRG zur Abrechnung bringt.


    Gruß

    Eberhard Rembs

    • Offizieller Beitrag

    Guten Morgen,

    da kann ich nicht zustimmen. Die traumatische Aortendissektion ist im Kapitel XIX zu kodieren. Zuerst wird ja bei der Kodierung das Organ oder Ursache als Ausgangspunkt genommen. Innerhalb diese Kapitels ist dann der spezifischste Kode zuzuordnen. Deswegen ja auch die einzelnen Exklusiva.
    Auch im Bereich des OPS sind bezüglich der Organe einzelne Kodes zuzuordnen. Auch hier kann ich dann nicht Kodes aus anderen Bereichen des Katalogs benutzen, wenn Sie zwar bezüglich der Therapie genauer sind, allerdings nicht für dieses Organ/Lokalisation zu benutzen sind.

  • Hallo miteinander,

    hier kann ich nicht ganz folgen.
    Typisches Problem des Autounfalles- Dezelerationstrauma- ist die Aortenruptur, nicht die Dissekation. Dazu muss eigentlich noch die Veranlagung- Marfan oder so - vorhanden sein. Ergo liegt eine Krankheit der Arterien/Aorta mit zu Grunde.

    Bei er I71.0- gibt es meines Wissens keine Exclusiva bei \"traumatischer\" Mitverursachung. - außer am Kapitelbeginn, dies ist aber bei der Dissekation, wie beschrieben, nicht die alleinige Ursache.

    Bei der Ruptur gehe ich mit der S25.0 konform, auch wenn hier die Therapie des Stents nicht korrekt vergütet wird. Bei einer Typ B Dissekation halte ich aus den beschriebenen Gründen die I71 für sachgerechter.

    Mfg

    Uwe Neiser


    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    eine traumatische Hirnblutung wird auch nicht mit einem I-Kode verschlüsselt, sondern mit dem adäquaten S-Kode. Warum das Prinzip im vorliegenden Fall gerade nicht greifen soll, ist nicht nachvollziehbar.
    Wenn bei adäquaten Trauma und vorbestehender Osteoporose eine Fraktur resultiert, kommt auch keiner (hoffentlich) auf die Idee die Osteoporose zur HD zu machen. Da spielt es keine Rolle, ob diese das Entstehen einer Fraktur begünstigt. Wenn die Ursache traumatisch ist, ist ein Kode aus Kapitel XIX zuzuordnen. Dies wird auch über die Exklusiva am Anfang jedes Kapitels erläutert. Diese müssen dann auch nicht erneut bei allen Kodes dieses Kapitels wieder aufgelistet werden (deswegen stehen Sie ja am Anfang des Kapitels). Bekannt ist allerdings, dass auch Kodes gemeinsam genannt werden können, trotz der Exklusiva. Dann, wenn beide Erkrankungen/Verletzungen vorliegen. Klären Sie es doch mal mit dem DIMDI ab. Wenn dort gesagt wird, dass eine traumatische Verletzung der Aorta (ausschließlich) mit einem I-Kode anzugeben ist, gebe ich mich geschlagen.

  • Hallo Phlox,

    bei der an unserer Klinik mittlerweise sehr große Zahl an Polytraumen, die mit KM-Polytrauma-CT diagnostiziert werden, muss ich Ihnen leider erwidern, dass die Aortendissektion fast auschschlielich bei Hochrasanztraumen junger Patienten (< 40 Jahre) auftrat. Eine \"Veranlagung\" wie z.B. Marfan-Syndrom oder Arteriosklerose etc. war so gut wie in keinen einzigen Fall nachweisbar.

    Es bleibt also bei meinem Beispiel bei einer rein traumatischen Genese der Dissektion (bei natürlich Einriss der Gefäßinnenwand im Bereich des Aortenbogens).

    Daher scheidet nach meiner Ansicht jeglicher I-Code aus.

    Gruß

  • Hallo Alle miteinander,

    wenn ich mich hier einmische, so deshalb, weil ich glaube, wenn es zu einer traumatischen Aortendissektion kommt, muss noch Anderes passiert sein (Polytrauma o.ä.).

    Eine traumatische Aortenruptur mit Blutung usw. kann ich mir wie eine traumatische Hirnblutung gut vorstellen. Da ist die Codierung eindeutig und klar; aber eine isolierte Dissektion, also noch ohne Blutung ohne weitere Schäden?

    Man sollte sich überlegen, ob es sich hier nicht um einen – infolge eines Traumas ausgelösten diagnostischen Maßnahmen – mehr zufällig gefundenen und eventuell lebensrettenden Zufallsbefund handelt. Das Trauma selbst würde sich dann eventuell auf ein stumpfes Bauchtrauma o.ä. reduzieren.

    Eben so wie es vor Jahren durch die Presse ging, dass jemand durch Messerstiche ermordet werden sollte, die aber nicht tödlich waren, aber bei der Diagnostik ein Lungencarzinom entdeckt wurde, und somit durch den Mordversuch dem Patienten das Leben gerettet wurde.

    Daran sollte man bei aller Diskussion auch mal denken.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    Zitat


    Original von Selter:
    .... Wenn die Ursache traumatisch ist, ist ein Kode aus Kapitel XIX zuzuordnen. Dies wird auch über die Exklusiva am Anfang jedes Kapitels erläutert.


    Frage:

    Warum wird gemäß amtl. alphabetischen Verzeichnis die traumatische Glaskörperblutung (Eindringen von Blut aus Blutgefässen des Auges in den Glaskörper) mit H43.1 kodiert?
    Im systematischen Verzeichnis taucht das Wort „traumatisch“ unter H43.1 nicht auf.


    Gruß

    E Rembs

  • ... natürlich hatte der Patient Begleitverletzungen (und zwar nicht unwesentliche ...) ... aber alle im thorakalen Bereich und konservativ zu behandeln, so dass der Patient leider nicht den DRG-Status eines Polytrauma erreicht hat und auch knapp die erste Beatmungs-DRG verpasst hat.

    Das ist ja wahrscheinlich die Grundursache des Problems: Die aortale Verletzung ist insgesamt eine seltene Verletzung und tritt meistens im Rahmen eines Polytrauma auf. Da das DRG-System das Polytrauma aber etwas anders definiert als der Unfallchirurg fallen dann die \"isolierten\" Aortenverletzungen wegen ihrer Seltenheit weitestgehend \"unter dem Tisch\".

    ... ich hab da mal eine Anfrage ans DIMDI losgeschickt ... hat jemand Erfahrung, wie lange man auf eine Antwort warten muss ?

    Vielen Dank für die rege Diskussion

  • Hallo Gluecksritter,

    Zitat


    Original von Gluecksritter:
    ... ich hab da mal eine Anfrage ans DIMDI losgeschickt ... hat jemand Erfahrung, wie lange man auf eine Antwort warten muss ?

    Meine letzte Anfrage (Anfang Februar 2008 ) wurde nach drei Tagen beantwortet.


    MfG

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

  • Hallo Glücksritter,

    gelegentlich gehen die Antworten sehr schnell. Hängt wohl vom Problem ab. da bin ich sehr gespannt, was geantwortet wird.

    Ich habe nochmal ne Frage, ob es wirklich eine Typ B Dissektion war oder nur ein
    Einriß bzw . intramurales Hämatom ..

    Anbei ein kurzer Auszug zur traumatischen Aortenschädigung, was bestätigt, dass die Ruptur eigentlich die typische Traumafolge ist.

    Insgesamt ist für mich nicht nachvollziehbar warum hier durch die traumatische Genese der Aufwand für die Therapie (OP oder gecoverter Stent) im System ignoriert wird. Denn der ist gleich ob nun traumatisch oder arterosklerotisch bedingt.

    Das System ergibt hier folgende Konstellationen in Abhängigkeit von S oder I Kode und Therapie

    konservativ:
    S25 - X60Z
    I71 - F75D

    konventionelle OP- Rohrprothese mit oder ohne HLM ist egal
    S25 - X06B
    I71 - F07Z

    Stentgraft
    S25 - 901D !
    I71 - F51A

    Der Aufwand wird also bei der nicht konservativen Behandlung nicht adäquat abgebildet.


    Mfg

    Uwe Neiser