Emphysem auf dem Boden einer Tuberkulose

  • Hallo miteinander,
    ich bitte um Hilfe bei der Kodierung des folgenden Falles:
    In der Epikrise unter Hauptdiagnose ist zu lesen:
    \"primäres bullöses Emphysem rechter Oberlappen bei Lungentuberkulose, Miliartuberkulose\"
    Die stat. Aufnahme erfolgte \"zur weiteren Reevaluierung nach zurückliegender Therapie und zur Klärung eines evtl. chir. Vorgehens\".
    Eine 4- fach- Therapie läuft aktuell noch für weitere 3 Monate, dann 3- fach- Therapie weiter. Die Sputumkontrollen waren negativ.

    Was gebe ich als HD an? Die TB mit A15.- ? Oder Miliartuberkulose? Oder das Emphysem? Und kann ich B90.9 als ND angeben? Weil ein Folgezustand in Form eines Emphysems vorliegt? :d_gutefrage:

    Vielen Dank im Voraus!
    medcont

  • Hallo medcont,

    Ihrer Schilderung nach wurde die Tuberkulose bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert (A15.-). Und dies offenbar erst kürzlich, da die 4-fach-Therapie weitere 3 Monate fortgeführt werden soll.
    Sie müßten nach den Röntgenbefunden entscheiden, ob eine Lungentuberkulose oder eine Miliartuberkulose vorlag.

    Sputumkontrollen waren negativ. Sie meinen damit die aktuell negativen Sputen? Haben Sie schon die PCR? Kulturen stehen sicherlich aus.

    Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob ein \"primär bullöses Emphysem\" als Folge der TB entstand - wäre es dann nicht ein sekundäres?
    Das bullöse Emphysem würde ich mit J43.9 kodieren als HD bei der ND A15.-
    Alternativ, unter der Annahme eines Emphysems auf dem Boden der TB, als HD die A15.- mit der ND B90.9 + J43.9

    Mit freundlichen Grüßen

    Lunge - Internist / Pneumologe

  • Hallo Herr Lunge,
    vielen Dank für Ihre Antwort.
    Die TB wurde bei uns im Mai 2009 diagnostiziert/gesichert und behandelt. Erst im November ! konnte der Patient entlassen werden. Aktuell waren die Sputen negativ, und ja, die Kulturen stehen noch aus. Das Wort \"Miliartuberkulose\" habe ich zum 1. Mal in der oben zitierten Epikrise gelesen. Da mach ich mich aber noch schlau.

    Hab ich es richtig verstanden, dass es für die Kodierung von B90.9 keine zeitliche Limitierung geben muss? Wenn ich also sagen kann, dass die Erkrankung xy ein Folgezustand der TB ist kann ich den Kode verwenden?

    Herzliche Grüße
    medcont

  • Hallo,

    als maßgeblicher Grund für die stat. Aufnahme ist wohl die Klärung einer chir. Behandlung in Bezug auf das sekundäre Emphysem (als Folge der Tbc) anzusehen. Daher wird Emphysem zur HD (J43.8). A15 und B90.9 sind ND wegen Kontrolle und fotgeführter Behandlung der TBC.

    Ein primäres Emphysem hat per Definition keine bekannte Ursache, daher der Ausdruck \"primär\"!

    Gruß
    Ordu

  • Hallo,

    sehe ich auch so, Herr Ordu!

    medcont:
    Hinsichtlich der B90.9 greift D005d Folgezustände und geplante Folgeeingriffe:
    \"Folgezustände oder Spätfolgen einer Krankheit sind aktuelle Krankheitszustände, die durch eine frühere Krankheit hervorgerufen wurden.
    Es gibt keine allgemeine zeitliche Beschränkung für die Verwendung der Schlüsselnummern für Folgezustände. Der Folgezustand kann schon im Frühstadium des Krankheitsprozesses offenbar werden....
    Die Kodierung der Folgezustände von Krankheiten erfordert zwei Schlüsselnummern:
    • eine für den aktuellen Rest-/Folgezustand und
    • eine Schlüsselnummer („Folgen von ...“), die ausdrückt, dass dieser Zustand Folge einer früheren Krankheit ist.
    Der Restzustand oder die Art der Folgezustände werden an erster Stelle angegeben, gefolgt von der Schlüsselnummer „Folgen von ...“.

    Mit freundlichen Grüßen

    Lunge - Internist / Pneumologe

  • Hallo miteinander,
    ich bitte um Hilfe bei der Kodierung des folgenden Falles:
    Hier die Diagnosen lt. Epikrise als Zitat:
    \"-reaktivierte Lungentuberkulose durch Mycobacterium avium
    - mikroskopischer Nachweis srf. Stäbchen
    - Kultur der Bronchiallavage mit Mycobacterium avium
    - Z. n. Lungentuberkulose 2008, 2004 und in den 50- iger Jahren (vermutlich immer durch Mycobacterium avium)
    - multikavernöses Hohlraumsystem mit Superinfektion durch Staphylococcus aureus, Serratia marcsescens, Enterococcus faecalis\"

    Ich meine, A31.0 (Infektion durch Mycobacterium avium) sei HD. B90.9 würde ich als ND angeben.
    Wie verfahre ich mit den Kavernen? :d_gutefrage: J98.4 ist der Kode für nichttuberkulöse Kavernen und kommt so m. E. nicht in Frage. Im alphabetischen Verzeichnis ICD findet man unter Kaverne tuberkulös den Kode A16.2; allerdings heißt A16.- \"TB der Atmungsorgane, weder bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert\".
    Gebe ich den Kode trotzdem an? :augenroll: Mit den Keimen (B95.- und B96.- [sind resistogrammgerecht behandelt]) dazu?
    Vielen Dank für Ihre Hilfe!

    Herzliche Grüße
    medcont

  • Hallo Medcont,

    ich steuere gerne meine Meinung bei, mal schauen, was daraus wird. Zunächst müßte man schauen, ob die unter A15 genannten Zustände auch M. avium beinhalten. Sicherlich ist M. tuberculosis enthalten, aber auch andere Mykobakterien werden als Erreger der TBC gehandelt (s. Wikipedia, habe leider gerade meine Fachliteratur nicht greifbar). Hierzu zählt aber laut Wikipedia auch M. avium. Im ICD findet man jedoch M. avium als Inclusivum unter A31.0 Infektion der Lunge. Ob M. avium nichttuberkulöse Lungeninfektionen hervorrufen kann, weiß ich leider nicht, vielleicht kann dazu der User \"Lunge\" etwas beitragen...

    Ich würde, wenn klinisch von einer Tuberkulose gesprochen wird und M. avium als einer der möglichen Erreger gehandelt wird, bei der HD dann zur A15 tendieren.

    Es stellt sich dann die Frage, wie die Kavernen zu handhaben sind. M. E. kann man sie als Folgezustand ansehen, nach DKR D005d wären sie dann zu codieren, zusätzlich mit einem Folgecode. Aber nur dann, wenn sie die Nebendiagnosendefinition erfüllen. Gibt es hier speziellen Aufwand für die Kavernen? J98.4 ist im systematischen Verzeichnis eine \"sonstige Veränderung der Lunge\".

    Die Tatsache der Superinfektion (\"Lungenkavernitis\" finde ich im ICD nicht) wäre für mich am ehesten eine J22 zuzüglich der Erregercodes.

    Das wären meine spontanen Gedanken dazu, gibt es andere Meinungen?

    Viele Grüße,

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • Guten Morgen zusammen,

    das ist sicherlich ein interessanter Fall. Und eigentlich hat Herr Blaschke schon alles gesagt.

    Vielleicht noch dieses:
    Der M. avium-Komplex kann dünnwandig begrenzte, oftmals multiple Kavernen bilden. Einen eigenen Kode würde ich daher nicht suchen oder anführen, zumal es sich um den bildgebenden Befund handelt und ohne Konsequenz ist (es sei denn, eine operative Intervention ist geplant).

    Kodieren würde ich:
    HD: A31.0 Infektion der Lunge durch sonstige Mykobakterien - Inkl.: Infektion durch Mycobacterium: avium
    ND: A15.x - Tuberkulose der Atmungsorgane, bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert

    Zusätzlich, weil ich durch den bakteriologischen Nachweis eine Superinfektion sehe, als ND die J15.2 - Pneumonie durch Staphylokokken (OHNE B95.x).

    Steiten kann man sich, ob nicht doch die A15.x zur HD wird und damit die A31.0 zur ND.

    Mit freundlichen Grüßen

    Lunge - Internist / Pneumologe

  • Hallo Lunge,

    mir ist nicht klar, warum A15 und A31 zusammen codiert werden sollten. Ich denke, man muß sich entscheiden, ob man es nun eine M. avium-TBC (A15) nennen will oder eine sonstige M. avium-Infektion der Lunge (A31). Nach meinem Verständnis des Falls liegt nur eines der beiden vor, aber nicht beides. Oder sehe ich das falsch?

    Wenn man die Superinfektion der Kavernen als Pneumonie ansieht, dann geht m. E. auch die J15.2, aber die beinhaltet nur Staphylokokken in allgemeiner Form. Die zusätzliche Information, daß ein S. aureus vorliegt, bedingt aber m. E. die zusätzliche Codierung der B95.6, hinzu kämen dann, wie gesagt, wenn man es als Pneumonie ansieht, Pneumoniecodes für Serratia und E. faecalis, also J15.6 + B96.2! und J15.4 + B95.2!

    Spannender Fall. Könnte mir vorstellen, daß er zum MDK geht. Dann bin ich doch mal auf das erste Gutachten gespannt.

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke