Was sind Sozialdaten?

  • Liebe Forumsmitglieder,

    kann mir jemand sagen, was Sozialdaten sind.

    Sind dies nur z.B. die Sozialversicherungsnummer oder gehören dazu auch alle Befunde, OP-Berichte etc..

    Gehören zu den Sozialdaten auch persönliche Notizen des Arztes hinsichtlich eines Patienten oder Falles?

    Kann der MDK oder die KK verlangen, dass über die vorhandenen Sozialdaten noch weitere angefertigt werden, die sein Informationsbedürfnis befriedigen?

    Für die Beantwortung im Voraus herzlichen Dank!

    Medman2

  • Schönen guten Tag medman2,

    die Definition von Sozialdaten ergibt sich aus § 67ff SGB X in Verbindung mit § 35 SGB I .

    Zitat

    § 67 Abs. 1 SGB X:
    Sozialdaten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.

    Hier ist somit recht allgemein definiert, dass Sozialdaten alle personenbezogenen Daten sind, die ein Sozialleistungsträger für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigt.

    Ich empfehle Ihnen, den Abschnitt ab § 67 im SGB X zu lesen.

    Persönliche Notizen eines Arztes zu einem Fall gehören meines Wissens nicht zur Krankengeschichte, soweit ich weiß hat nicht einmal der Patient ein Einsichtsrecht dazu.

    Die Frage, ob weitere Sozialdaten angefertigt werden müssen, ist mir zu unspezifisch. Es kommt natürlich auf den Zusammenhang und die Frage an, welche zusätzlichen Angaben da gemeint sind.

    Falls es um Abrechnungsfragen geht, kann man ganz allgemein folgendes sagen: Mit der Abrechnung stellen Sie einen Anspruch, den sie ggf. auch nachweisen müssen. D. h. Sie können z. B. keine Diagnose stellen und sich gleichzeitig darauf berufen, dass diese Diagnose oder der damit verbundene Aufwand nur aus den persönlichen Aufzeichnungen des Arztes nachweisbar ist, die Sie nicht herausgeben wollen.

    Wenn Sie also bestimmte Leistungen oder Diagnosen kodieren, die in die Abrechnung einfließen, müssen Sie auch die entsprechenden Nachweise dazu anfertigen und ggf. zur Verfügung stellen. Wenn der Streit darum geht, wie weit ein solcher Nachweis gehen muss, dann kann das letzlich nur durch ein Gericht geklärt werden.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Guten Morgen medman2,

    ich verstehe den Umfang des Begriffs \"Sozialdaten\" extensiver als Herr Schaffert und gehe davon aus, dass unter bestimmten Umständen auch die Notizzettel der Ärzte und Schwestern von den sozialdatenschutzrechtlichen Regeln erfasst werden.

    Nach § 67 SGB X kommt es darauf an, dass \"Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Personn [...] erhoben, verarbeitet oder genutzt werden\". Medizinischer und pflegerischer Dienst eines Krankenhauses sind zweifelsfrei befugt, solche Daten zu erheben und zu verarbeiten. Wenn Ärzte und Schwestern personenbezogene Daten eines Patienten erheben, so sind dies stets Sozialdaten. Sofern diese Daten einem bestimmten Menschen unmittelbar oder nur mittelbar zuzuordnen sind, unterliegen sie den sozialdatenschutzrechtlichen Bestimmungen. Es kommt nicht darauf an, ob die Verarbeitung in der Krankengeschichte oder auf einem Notizzettel erfolgt. Wann Daten mittelbar zuzuordnen sind, ist mitunter schwer zu bestimmen.

    Lautet die Notiz etwa: \"Galle auf Zimmer 117, nüchtern für ERCP\" ohne weitere Angaben, wie etwa das Datum zu enthalten, wird auch eine mittelbare Zuordnung nur schwer möglich sein. Lautet die Notiz hingegen: \"Galle auf Zimmer 117, Fenster, am 21.02.2011 nüchtern lassen für ERCP\", ist eine mittelbare Bestimmung schon leichter möglich. Wann eine Zuordnung von Daten zu einer Person möglich ist, lässt sich nicht pauschal sagen und ist im Einzelfall zu entscheiden. Lässt sich eine Zuordung vornehmen, unterfallen auch die Notizzettel dem Sozialdatenschutz. Dann sollte auf deren Vernichtung größte Sorgfalt verwendet werden. Sofern sie nicht vernichtet werden, sollten Patienten auch ein Einsichtsrecht haben. Dieses Problem stellt sich jedoch in der Regel nicht, zumal diese Notizen häufig \"nur\" in den Müll geworfen werden.

    Im Übrigen stimme ich Herrn Schaffert zu. In Abrechnungsfragen obliegt es dem KH die Patientenakte so zu führen, dass es den einer Kodierung zugrunde liegenden Aufwand nachweisen kann. Gelingt dem KH der Nachweis nicht, wird der Aufwand als nicht erbracht angesehen.

    Mit freundlichen Grüßen
    DRG-Recht

  • Schönen guten Tag DRG-Recht,

    ich gehe davon aus, dass Sie im Sozialrecht zweifellos eine höhere fachliche Kompetenz haben als ich, daher folge ich Ihren Ausführungen immer sehr gerne. Bei diesem Beitrag habe ich allerdings etwas Verständnisschwierigkeiten:

    Sie sprechen von Sozialdaten, und beziehen darin unter anderem den Notizzettel in der Krankenakte mit ein. Nach meinem Verständnis ist jedoch zwischen Sozialdaten und der Patientenakte zu unterscheiden.

    Nach § 67 SGB X sind Sozialdaten die Daten \"...die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle erhoben, verarbeitet oder genutzt werden\" (Den Verweis auf die verarbeitende Stelle haben Sie im Zitat ausgelassen). In § 35 SGB I sind jedoch die Leistungsträger der Sozialversicherung (definiert in §12 SGB I mit Verweis auf die §§ 18 bis 29 SGB I ) genannt. Nach meinem Verständnis gehören Pflegepersonal und Ärzte nicht dazu. Daher werden - so wie ich es verstehe - Daten aus der Krankenakte erst dann zu \"Sozialdaten\", wenn sie durch die Krankenkasse, den Medizinischen Dienst oder einen anderen Leistungsträger der Sozialversicherung \"...erhoben, verarbeitet oder genutzt werden\"

    Falls ich in dieser Interpretation falsch liege, lasse ich mich gerne von Ihnen überzeugen.

    Unabhängig davon sind wir uns sicher darin einig, dass der Krankenakte als patientenbezogene medizinische Aufzeichungen hinsichtlich des Datenschutzesein ein mindestens ebenso hohes Schutzbedürfnis zuzurechnen ist, wie den Sozialdaten.

    Die Frage, ob die subjektiven ärztlichen Notizen zu der Krankenakte zählen bzw. der Patient (oder andere) ein Einsichtsrecht darauf haben, wird unter anderem auf der Internetseite der KBV wie folgt dargestellt:

    Zitat

    Einsichtsrecht
    Jeder Patient hat ein Recht auf Einsicht in diese Dokumentation, ohne daß er ein besonderes Interesse erklären muß. Das Einsichtsrecht erstreckt sich nach der Rechtsprechung und dem ärztlichen Berufsrecht nicht auf den Teil der Dokumentation, der subjektive Eindrücke und Wahrnehmungen des Arztes enthält. Aus datenschutzrechtlicher Sicht wird die Auffassung vertreten, daß nach dem Bundesdatenschutzgesetz auch dieser Teil der ärztlichen Aufzeichnungen zu offenbaren ist.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo,

    zur Frage von medman2, ob auf Anforderung des MDK bzw. der Kostenträger weitere Sozialdaten \"angefertigt\" werden müssen, lautet die Antwort meines Wissens \"nein!\". Der MDK kann immer nur auf die vorliegenden Unterlagen zugreifen und nicht weitere Stellungnahmen einfordern.

    Natürlich kann es trotzdem im Einzelfall sinnvoll sein, weitere, extra für die Prüfung erstellte Unterlagen vorzulegen, z. B. Stellungnahmen der Behandler etc.

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • Hallo Herr Schaffert,

    dass sich die Regeln der §§ 67 ff. SGB X auch auf Krankenhäuser erstrecken, obwohl sie, wie Sie zutreffend anmerken, in § 35 SGB I nicht genannt werden, kann ich Ihnen im Moment nicht präzise belegen. Im Laufe des Tages werde ich aber Gelegenheit haben in der entsprechenden Kommentierung nachzulesen und die Informationen nachtragen.

    Was den Begriff der Sozialdaten angeht, gehe ich davon aus, dass es sich bei den Informationen in der Krankenakte um Sozialdaten handelt. Bedenken Sie bitte, dass der Begriff des Sozialdatums ein sehr weiter Begriff ist. Er umfasst nicht nur persönlich Daten wie Name, Anschrift, Geburtsdatum, Erkrankungen, KK etc., sondern alle \"Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse\". Dazu zählen z.B. auch die Informationen einer tatsächlich durchgeführten Behandlung, sei es die Durchführung einer OP, bestimmter diagnostischer Maßnahmen, die Verabreichung von Medikamenten oder pflegerische Maßnahmen. Grundsätzlich ist jede Information, die im Bezug zu einem Patienten steht, ein Sozialdatum.

    Sie werden sich erinnern, dass wir vor einer Weile eine Diskussion über die Photodokumentation von Dekubiti geführt haben. Auch diese Bilder halte ich für Sozialdaten, ebenso wie Röntgenaufnahmen und Sonographieausdrucke, die dem Schutzbereich der §§ 67 ff. SGB X unterfallen, sofern die betreffende Person bestimmt oder bestimmbar ist. Haben Sie z.B. eine Röntgenaufnahme eines Thorax, auf der Name und Geburtsdatum des Patienten vermerkt sind und ein Pleuraerguss zu sehen ist, dann gibt diese Aufnahme Auskunf über ein \"persönliches Verhältnis\" des Patienten.

    Ob diese Informationen in der Krankenakte oder auf einem Notizzettel stehen, ist nach meiner Auffassung unerheblich. Die Regelungen des Sozialdatenschutzes dienen vorrangig dem Patienten. Aus dessen Sicht ist es gleichgültig wo ihn betreffende schutzwürdige Informationen niedergelegt sind, denn jede Datenerhebung, -nutzung und -verarbeitung greift in seine schutzwürdigen Interessen ein.

    Sie sehen, dass ich die Auffassung der KBV nicht teile. Es mag sein, dass subjektive ärztliche Notizen nicht zur Krankenakte zählen. Wenn der Arzt jedoch Notizen zu einem Patienten anfertigt, dann handelt es sich um Sozialdaten. Allein die Subjektivität dieser Notizen würde ich nicht genügen lassen, um schutzwürdige Interessen des Patienten zu verneinen. Über diese Frage läßt sich mit guten Argumenten hervorragend streiten und ich will nicht leugnen, dass ich mich zumindest in dieser Frage mehr auf Seiten der Patienten sehe, die im Gefüge des Sozialdatenschutzrechts die schwächste Stellung einnehmen.

    Mit freundlichen Grüßen
    DRG-Recht

  • Guten Morgen Herr Schaffert,

    wie versprochen, möchte ich Ihnen noch kurz berichten, welch erstaunliche Erkenntnisse die Lektüre der sozialrechtlichen Kommentarliteratur zu der Frage des Sozialdatenschutzes der Leistungserbringer ergeben hat --- keine!

    Sie hatten mit Ihrem Hinweis, dass die Krankenhäuser nicht unter die §§ 69 ff. SGB X fallen, weil sie in § 35 SGB I nicht genannt werden. Die Kommentierung sagt hierzu, die Datenschutzregelungen des SGB X seien nur auf die in § 35 SGB I genannten Leistungsträger anwendbar, die enumerative Auflistung dort abschließend und einer analogen Anwendung nicht zugänglich. Die für Krankenhäuser einschlägigen datenschutzrechtlichen Regelungen sind also außerhalb des SGB zu suchen.

    Zuförderst ist freilich die strafbewährte ärztliche Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) zu nennen. Diese Regel gebietet, dass der Arzt Geheimnisse zu bewahren hat, nicht jedoch, wann er diese offenbaren darf. Strafprozessuales Gegegenstück zu § 203 StGB ist § 53 StPO, dessen Nr. 3 dem Arzt die Zeugnisverweigerung aus beruflichen Gründen im Strafprozess erlaubt. Weitere Verpflichtungen zur Verschwiegenheit werden den Ärzten durch die Berufsordnungen auferlegt. Zumindest im öffentlichen Dienst müssen die Mitarbeiter eines Krankenhauses bei Einstellung unterschreiben, dass sie über ihre Schweigepflicht belehrt worden sind.

    Diese Regelungen sind für den \"Datenschutzalltag\" in den Krankenhäusern wenig hilfreich. Konkretere Regelungen finden sich im Bundesdatenschutzgesetz, den Datenschutzgesetzen der Länder und ich meine mich zu erinnern, dass auch in einigen Landeskrankenhausgesetzen datenschutzrechtliche Regelungen getroffen worden sind.

    Inhaltlich sind die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB und der BDG, LDG und LKHG vergleichbar, sodass ich alle vom KH erhobenen, verarbeiteten und verwerteten Daten umfassenden Schutz genießen und dieser Datenschutz nur aufgrund eines Gesetzes durchbrochen werden kann.

    Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag
    DRG-Recht

  • Hallo DRG-Recht, hallo Herr Schaffert,

    nach ausführlicher Lektüre verstehe ich den Begriff Sozialdaten wir folgt:

    Sozialdaten sind zunächst inhaltlich identisch mit den personenbezogenen Daten nach dem BDSG (wortidentische Formulierung). Auch im SGB gibt es, wie im BDSG, besondere Arten von Daten (Gesundheitsdaten etc.).

    Die üblichen personenbezogenen Daten werden dadurch zu Sozialdaten, dass sie von den Sozialleistungsträgern angefordert, verarbeitet etc. werden (nicht werden dürfen), um ihre Aufgaben zu erledigen.

    Der Umfang der Sozialdaten wird letztlich dadurch eingegrenzt, dass sie zur Erledigung der Aufgaben erforderlich sein müssen.

    Für diese von den Sozialleistungsträgern angeforderten Sozialdaten greift der Sozialdatenschutz.


    Für die personenbezogenen Daten allgemein, die mit den Sozialdaten völlig identisch sein können, greift der allgemeine Datenschutz.


    Der Hinweis der KV zu den persönlichen Notizen bezieht sich auf das Einsichtsrecht des Patienten in seine Krankenakte. Dieses besteht, aber es besteht kein Recht des Patienten, die persönlichen Notizen des Arztes einzusehen.

    Schönen Abend

    medman2

  • Hallo Herr Blaschke, hallo Forum,

    kann die KK, z.B. im Rahmen der Prüfung zur Kostenübernahmeerklärung, weitere Auskünfte, z.B. die Anfertigung eines psychiatrischen Risiko-Scores für einen Patienten, zu einem Patienten verlangen?

    medman2