Einstellung Schmerzmedikation ambulant - stationär

  • Hallo liebe Forenmitglieder,

    77-jähriger Patient wird zur Schmerzeinstellung bei progredientem ossär metastasierenden Prostataca stationär aufgenommen. Es besteht zusätzlich ein Diabetes mellitus II, Harnstauung bds, Niereninsuffizienz (Krea 1,29mg/dl). Es erfolgte eine Schmerzeinstellung mit Valoron und Novamin, dann Einsatz eines Durogesic Pflasters. Des Weiteren folgten Konsile Strahlentherapie, Unfallchirurgie, Sono. Patient gab nach Gabe Schmerzmedikation VAS 5 an. Stationäre VD 4 Tage. Medikamentöse Therapie wurde bereits ambulant intensiviert.

    MDK sieht nun in diesem Aufenthalt eine primäre Fehlbelegung, die Einstellung der Schmerzen hätte ambulant erfolgen können, ein niedergelassener Schmerztherapeut hätte gegebenenfalls involviert werden können.

    Wie wird dieses Problem hier im Forum gesehen, ist dieser stationäre Aufenthalt durchzusetzen?


    Danke schon mal an alle

  • Moin,

    ich würde es versuchen. Und wenn es nur darum geht, zu beobachten, wie ein Sozialrichter eine solche Fallkonstellation bewertet.

    Gruß

    merguet

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    Wartezeiten für ambulante professionelle Schmerztherapie: teilweise mehrere Wochen
    worst case: möglicherweise ist die Wartezeit länger als die Lebenserwartung


    Werden vom Gutachter berücksichtigt:


    Schmerzintensität
    Schmerzqualität

    Lebensqualität des Patienten
    Multimorbidität
    Soziale Faktoren (alt, allein, gebrechlich, hilflos)
    Karnoswy Index
    Biopsychosoziale Dimensionen
    Instabilität des Knochens - pathologische Frakturen

    Immobilität
    Knochenmarksverdrängung - Tumoranämie und Myelosuppression
    Hypercalziämie


    MDK - primäre Fehlbelegung

    Beispiel für humane Medizin und Ökonomie?

    Nicht nachgeben!
    Werden hier vom Gutachter im konkreten Einzelfall elementare ethische und moralische Grundprinzipien beachtet ?


    Siehe auch:
    Julian Nida-Rümelin: „ der ökonomische Markt ist nicht moralfrei....
    der ökonomische Mensch ist nicht freundschaftsfähig”
    Julian Nida-Rümelin
    Die Optimierungsfalle
    Philosophie einer humanen Ökonomie, 2011


    Gruß

    E Rembs

  • Wartezeiten für ambulante professionelle Schmerztherapie: teilweise mehrere Wochen
    worst case: möglicherweise ist die Wartezeit länger als die Lebenserwartung

    Hallo,
    ist doch spätestens seit dem Spruch des BSG kein Argument mehr. Die Multimorbidität schon eher.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Az.: S 19 KR 961/08

    "[...]Nach dieser Regelung haben Krankenkassen und Leistungserbringer durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken. Diese Verpflichtung müsse gerade mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot abgewogen werden. Daher werde sie in gerichtlichen Auseinandersetzungen über einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung in der Weise herangezogen, dass sie diesen Anspruch stützt.Dies berücksichtigend verstoße es in eklatanter Weise gegen das Humanitätsgebot, dass die Beklagte die Leistung verweigerte hat. Dabei erscheine es nicht nur inhuman, sondern geradezu verwerflich, eine Patientin mit Herzbeschwerden und Luftnot unter Hinweis auf den ohnehin bevorstehenden Tod nicht in das Krankenhaus zur Behandlung aufzunehmen.[...]"


    § 70 SGB V Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit

    (1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

    (2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.


    Ich sehe es so: Die Wirtschaftlichkeit (ambulante Behandlung) kommt immer erst nach der humanitären Behandlung (stationäre Schmerzeinstellung).

    Sollte aber auch so dokumentiert sein, z.B. akute Exazerbation der Schmerzen.

    Abgesehen davon: in dem Beispiel waren die ambulanten Therapieoptionen ausgeschöpft, insofern ist eine stationäre Therapie durchaus gerechtfertigt.

    Ich würde klagen, und dem Patienten empfehlen das mal öffentlich zu machen.

    Viel Erfolg

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

  • Sehr interessante und mutige Argumente.

    ... dem Patienten empfehlen das mal öffentlich zu machen.

    Der Patient ist leider das schwächste Glied in der Kette der Beteiligten, der hat sicher keine Kraft mehr dazu ...

    There is a theory which states that if ever anyone discovers exactly what the universe is for and why
    it is here, it will instantly disappear and be replaced by something even more bizarre and inexplicable.
    There is another theory which states that this has already happened. ~Douglas Adams

  • Sehr interessante und mutige Argumente.

    Der Patient ist leider das schwächste Glied in der Kette der Beteiligten, der hat sicher keine Kraft mehr dazu ...

    Moin,

    soo mutig ist daran nichts. Es steht schon da, nur wird es meistens nicht beachtet.

    § 70 SGB V Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit

    Warum wohl wird die Humanität vor der Wirtschaftlichkeit genannt?

    Und dem Patienten empfehlen so was öffentlich zu machen? Warum nicht? Sind doch seine Daten, und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeutet auch, dass der Mensch seine Daten auch veröffentliche darf, wenn er will.
    Und das ist etwas wovor die Krankenkassen noch mehr Angst haben, als der Teufel vorm Weihwasser. :cursing:

    Viele Grüße

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA