Kasse errechnet eigene DRG

  • Liebes Forum,

    folgender Fall liegt auf meinem Tisch:

    Patient wird in der Rettungsstelle eines anderen Hauses behandelt und dann aus Bettennot nach der ambulanten Behandlung zu uns verlegt und hier aufgenommen.
    Hier wird die DRG E62A mit HD Pneumonie abgerechnet.
    Die Kasse sagt jetzt, anhand der Daten des anderen Hauses sei das unstimmig, offenbar wurde dort eine exazerbierte COPD kodiert. Es wird DRG E65A berechnet, nachdem mit der auswärtigen DRG gegroupt wurde.:shock1:

    Meine Fragen:
    Darf die Kasse zur Plausibilitätsprüfung (Beitrag hier nach Herrn Thiemes Antwort editiert) die ICDs des anderen Hauses nehmen??? :angry:

    Darf die Kasse bis zur Klärung durch den MDK die geringere Vergütung anweisen :angry: oder muss sie erst mal voll zahlen und kann dann später verrechnen?

    Ich glaube ja, dass die Kasse beides nicht darf, aber hat da jemand die rechtlichen Grundlagen parat?

    Gruß aus dem strahlenden Berlin :rotate:

    RB

  • Hallo,

    MITNICHTEN hat die Kasse Recht!

    In den DKR wird zur Def. "Hauptdiagnose" (D002a) eindeutig festgestellt "Die Diagnose ... die nach Analyse ..." und später "... muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen." !!

    Das das verlegende Krankenhaus mit der Diagnose "exazerbierte COPD" abrechnet ist fuer Sie nicht von belang.

    Wichtig ist meines Erachtens lediglich, das Ihre Hauptdiagnose "Pneumonie" im Workflow Ihrer Diagnostik und Behandlung auch entsprechend der Definition nachvollziehbar ist.

    Ebenso darf die Kasse die Zahlungen nicht bis zur Klaerung durch den MDK zurückhalten. Meines Wissen existieren dafuer bereits mehrere Urteile, die Quellen dazu habe ich momentan jedoch nicht verfuegbar. Hoffe Sie aber zu finden.

    Mit besten Gruessen aus dem vollsonnigen Weimar

    M. Thieme

  • Schon gefunden:

    "Mit Urteil vom 23.07.2002 (Aktenzeichen: B 3 KR 64/01 R) hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen kein Recht haben, Krankenakten der Krankenhäuser einzusehen. Zudem haben die Krankenkassen in jedem Fall zunächst die Rechnungen der Krankenhäuser innerhalb der im jeweiligen Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (Krankenhausbehandlungsvertrag, KBV) vorgesehenen Fristen zu begleichen. Dies gilt selbst dann, wenn die jeweilige Krankenkasse Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abrechnung vorbringen möchte..."

    Quelle:

    Gesundheitsrecht

    MfG

    M. Thieme

  • Hallo Forum;
    m.E. gibt eher DKR 1003a Grundlage für die Argumentation der Kasse:

    „Eine infektiöse Verschlechterung der COLD ist mit J44.0 Chronische obstruktive Lungenkrankheit mit akuter Infektion der unteren Atemwege zu verschlüsseln, es sei denn, der infektiöse Zustand stellt ein eigenes Krankheitsbild dar, wie z.B. eine Pneumonie. In diesem Fall ist die Pneumonie als Nebendiagnose zu kodieren.“

    1. Ich setze voraus dass tatsächlich keine ND J44.0 (infektexacerbierte COLD) besteht?; das wiederspräche DKR, siehe Thread http://p15110835.pureserver.info/apboard/thread.php?id=1159 )

    2. „mthieme: Dass das verlegende Krankenhaus mit der Diagnose "exazerbierte COPD" abrechnet ist für Sie nicht von Belang“
    Von Belang wären jedoch Befunde die auf eine infektexacerbierte COLD hinweisen und damit die Kodierung zweifelhaft erscheinen lassen. In dem eigentlich seltenen Fall einer zwar weiterbehandelten, aber nicht exacerbierten COLD (J44.9) bei HD Pneumonie sollte die Dokumentation eine Bewertung evtl. konträrer Befunde ermöglichen.

    Der DRG-Projektbericht folgt der DKR 1003a mit bemerkenswerten Ergebnissen:
    http://www.g-drg.de/optionsmodell/…icht_Band_2.zip

    E62A (Atemwegsinfekte:HD 98,7%Pneumonie)10,9% ND J44.9; 0%ND J44.0/1
    E65 A/B (chronisch obstruktive Atemwegserkrankung) 0% ND Pneumonie

    Das kann doch nicht sein :)) , dass im DRG-Projektbericht kein einziger der Pneumoniepatienten mit COLD eine begleitende Exacerbation erlitten hat. (Das denkt wahrscheinlich auch die Kasse)

    Ich verweise deshalb nochmal an o.g. Thread, der leider an dieser spannenden Stelle abbrach, wie codiert die Gemeinde??

    Grüsse, M.Goesling

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag Herr Goesling,

    der Projektbericht beleuchtet an vielen Stellen die mangelhafte Kodierqualität im Sinne der DKR. Das war aber auch nicht anders zu erwarten.
    Allerdings kann ich mich nicht hinter "Andere tun`s ja auch nicht" verstecken und wissentlich falsch kodieren.
    Allerdings muss man feststellen, dass die Akzeptanz und die Umsetzung der Regeln abnimmt, je unverständlicher die Formulierung ist, je größer die Widersprüche zu anderen Regeln sind und je deutlicher sie dem medizinischen Verständnis widersprechen (unabhängig davon, dass sie administrativer Natur sind).
    Dies alles unter einen Hut zu bringen, ist, gelinde gesagt, keine einfache Aufgabe. Das InEK wird sich zukünftig dieser Aufgabe widmen und ist dabei auf unsere Hilfe angewiesen.

    Gruß
    --
    D. D. Selter

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo Forum,

    ich möchte nur zur allgemeinen Kenntniss und evtl. Erheiterung mitteilen, dass selbst ein pfiffiger und flotter Admin, der blitzschnell Urteile zitiert, kein Allheilmittel gegen den Sachverstand der Krankenkassen ist:

    Es argumentierte aktuell eine der großen Kassen, die die für die Gesundheit zuständig ist, dass die ganzen Urteile ja in der zeit der Fallpauschalen und Sonderentgelte gesprochen wurden und sie deshalb unter den DRG's jetzt keine Gültigkeit mehr hätten.

    Da fällt einem kleinen MedCo doch mal grad nix mehr ein.
    --
    Michael Hönninger
    MedCo/FA Anästhesiologie
    Städtisches Krankenhaus
    Frankenthal

    Michael Hönninger
    FA Anästhesiologie / Notfallmedizin
    [glow=#FF0000,3]MedizinController[/glow]
    Stadtklinik Frankenthal

  • Das Argument der Krankenkassen ist so verkehrt nicht, hoenninm, weil es jetzt ja auch ganz neue Rechtsgrundlagen gibt (siehe oben). Dazu dürfte es noch kaum Rechtsprechung geben...

  • Hallo,

    als überwiegend noch klinisch denkender Mensch komme ich ehrlich gesagt mit den Vorschriften COLD-Exacerbation/Pneumonie überhaupt nicht zurecht. Gerade auf diesem Gebiet gibt es so viele Übergänge in den Krankheitsbildern, es lässt sich oft einfach nicht festlegen, ob eine Pneumonie im Gefolge einer COLD aufgetreten ist oder einfach so zusätzlich. Und der Begriff der infektexacerbierten COLD (sehr häufig!) besagt letztendlich, dass die COLD durch einen Infekt (so z.B. auch durch eine Pneumonie) exacerbiert. Wer will denn da die Grenzen ziehen? Die Behandlung und damit der Aufwand ist doch letztendlich allemal der selbe!
    Hier findet sich letztendlich eine der zahlreichen Stellen, an denen man den Eindruck hat, dass die "Schöpfer" der DRG keinerlei Bezug zur klinischen Realität haben.I)

    MfG Dr. Rost

    M.Rost

  • Hallo,

    als überwiegend noch klinisch denkender Mensch komme ich ehrlich gesagt mit den Vorschriften COLD-Exacerbation/Pneumonie überhaupt nicht zurecht. Gerade auf diesem Gebiet gibt es so viele Übergänge in den Krankheitsbildern, es lässt sich oft einfach nicht festlegen, ob eine Pneumonie im Gefolge einer COLD aufgetreten ist oder einfach so zusätzlich. Und der Begriff der infektexacerbierten COLD (sehr häufig!) besagt letztendlich, dass die COLD durch einen Infekt (so z.B. auch durch eine Pneumonie) exacerbiert. Wer will denn da die Grenzen ziehen? Die Behandlung und damit der Aufwand ist doch letztendlich allemal der selbe!
    Hier findet sich letztendlich eine der zahlreichen Stellen, an denen man den Eindruck hat, dass die "Schöpfer" der DRG keinerlei Bezug zur klinischen Realität haben.I)

    MfG Dr. Rost

    M.Rost