Ab wann gilt ein Fall als stationär?

  • Sehr geehrte Damen und Herren,
    existieren eigentlich verbindliche Kriterien, ab wann ein Krankenhausfall als vollstationär gilt?

    Konkret: Ist ein Patient, der in der Rettungsstelle als Polytrauma erstversorgt wird und dann nach drei Stunden weiterverlegt wird ein vollstationärer Patient oder ein ambulanter Notfall?

    Ich freue mich auf unterschiedliche Meinungen!
    Vielen Dank!
    Uwe Lorenz

  • Hallo Herr Lorenz,

    auf Ihr Beispiel bezogen kann ich nur für NRW verbindlich sprechen. In § 2 Abs. 2 des Landesvertrages nach § 112 SGB V ist geregelt, dass eine Abklärungsuntersuchung vorliegt, wenn bei der Aufnahmeuntersuchung stationäre Behandlungsbedürftigkeit festgestellt wird, die Behandlung aber in einem anderen Krankenhaus durchgeführt werden muss.

    Diesen Fall würde ich entsprechend nicht als vollstationäre Behandlung ansehen.

    Wie die Regelungen in den anderen Landesverträgen aussehen, kann ich von hier aus leider nicht sagen.

    Gruß,

    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Schönen guten Tag allerseits, insbesondere Herr Lorenz und ToDo!

    Ich gebe Ihnen Recht, ToDo, dass in den Verträgen (auch in Hessen) teilweise die von Ihnen beschriebene Regelung festgelegt ist. Die Frage ist (wie so oft) deren Interpretation bezogen auf den Einzelfall.

    Und so komme ich (natürlich) unter Umständen zu einem anderen Ergebnis, als Sie:

    In dem Beispiel wird der Patient nämlich nicht nur untersucht, sondern es findet eine "Erstversorgung" statt. Natürlich kann man darunter vieles verstehen, aber ich gehe mal davon aus, dass dabei Leistungen an dem Patienten erbracht wurden und zum Beispiel der Kreislauf stabilisiert und er bis zur Verlegung auf Intensivstation überwacht wurde. Das wäre meines Erachtens etwas anderes, als eine "Abklärungsuntersuchung" und würde für mich die stationäre Abrechnung rechtfertigen.

    Ich vermute mal, ToDo, wir werden uns hier nicht einig. Zumindest wird es genügend Kassenvertreter geben, die sich meiner Meinung nicht anschließen würden. Ob es sich dann lohnt, wegen des Unterschiedsbetrages zwischen vorstationär und einem stationär die Gerichte zu bemühen, muss im Einzelfall abgewogen werden.

    Schönen Tag noch,
    --
    Reinhard Schaffert

    Medizincontroller
    Facharzt für Chirurgie
    Krankenhausbetriebswirt(VWA)
    Kliniken des Wetteraukreises

  • Guten Morgen,

    ich möchte mich mit einer Frage zu einem ähnlichen Fall anschließen: Ein Patient wird in der Ambulanz erstversorgt und anschließend mit V. a. Apoplex stat. aufgenommen, dann nach ca. 1,5 Std. zur weiterern Diagnostik (MRT) in ein anderes KH verbracht und ca. eine weitere Stunde nach Wiedereintreffen in unserem KH in ein 3. KH mit Stroke unit zur definitiven Versorgung verlegt. Ich würde diesen Fall stationär abrechnen wollen, zumal wir die Verbingungsleistung und die Transporte bezahlen müssen. Es ergäbe sich die DRG B70D mit CW 0,431(wir sind Optionshaus). Wie sehen Sie das?

    Viele Grüße aus Bremen
    E. Thoma?(

  • lieber herr lorenz,

    kommt er in die rettungsstelle als polytrauma, dann besteht nach §39 sgb-v die indikation zur stationären behandlung, da ja sicherlich art und schwere der erkrankung und die erforderliche therapie das rechtfertigen, er kann somit als stationärer fall aufgenommen werden

    rechnen sie in jedem falle mit einem widerspruch der kassen

    entscheidend für den erfolg einer stationären abrechnung ist:
    - die art der leistung, die erbracht wird, diese sollte über das leistungsspektrum einer ambulanten notaufnahme hinausgehen
    - die tatsache, dass dieser patient ein stationäres bett belegt hat, er sollte im krankenhausinformationssystem nachweisbar einer bestimmten fachabteilung zugeordnet sein

    mit freundlichen grüßen aus jena
    u. leder

  • Hallo Forum, hallo Herr Thoma,

    jetzt kommt wieder so eine unverschämte Frage eines medizinischen Laien von der Krankenkasse:

    Warum haben Sie den Patienten nach der gestellten Verdachtsdiagnose überhaupt aufgenommen. Wenn doch die gesicherte Diagnose nicht bei Ihnen weiterbehandelt wird, müsste doch der Verdacht reichen, um ihn in das geeignete Krankenhaus mit stroke unit zu verlegen, oder? Hätten die nicht ggf. die entsprechende Diagnostik selbst durchführen können, so dass Sie sich dadurch auch die Verbringung hätten sparen können?

    Zusammenfassend nochmal der Hinweis (auch an Herrn Leder):

    Das ist ja der Punkt. Bei der Abklärungsuntersuchung wird ja die Notwendigkeit der vollstationären Behandlung festgestellt, da sind wir uns einig. Aber in den Fällen, in denen diese zwar festgestellt wird, aber nicht im aufnehmenden Krankenhaus durchführbar ist, bzw. in einem anderen Krankenhaus durchzuführen ist, liegt eben keine vollstationäre Behandlung vor, sondern "nur" die Abklärungsuntersuchung. (wie gesagt, trifft vielleicht nicht in allen Ländern zu, jedenfalls in NRW und - lt. Herrn Schaffert - in Hessen)

    Gruß,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

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    (Mark Twain)

  • Hallo Forum,

    der Begriff "Abklärungsuntersuchung" ist ja für Krankenkassenmitarbeiter sehr dehnbar Ich möchte da Herrn "ToDo" nicht zu nahe treten, aber ich habe da schon die tollsten Dinge erlebt.

    Nach meiner Meinung ist die Versorgung eines Polytraumas deutlich mehr als eine Abklärungsuntersuchung. Das eine stationäre Behandlung vorliegt, ist ja meistens schon bekannt, wenn diese Patienten in der Ambulanz aufgenommen werden. Nur, falls eine Verlegung notwendig wird, muss der Verletzte dennoch versorgt und stabiliert werden, teilweise auch auf der Intensivstation, damit eine Verlegung überhaupt möglich ist. Nach meiner Ansicht kann das nur eine stationäre Behandlung sein!

    Schönen Gruß

    Heribert Hypki

  • Hallo zusammen,

    wir sollten in der Tat niht dne Fehler begehen, einzig aufgrund der Tatsache einer Verlegung, die stationäre Behandlung zugunsten der Abklärungsuntersuchung auszuschliessen. Mir gefällt da der Ansatz, des spezifizierten, nur im stationären Umfeld erbringbaren Lesitungsspektrums sehr gut.

    Im übrigen frage ich mich wor der -an dieser Stelle absolut unscharfe NRW 112er- die Trennlinie ziehen will; der Patient kann ja auch nach 12,14 Stunden oder drei tagen extern verlegt werden, wo ist dann die Trennlinie zwischen Abklärung und vollstationär?

    Gruß

    FD

  • Hallo ToDo,

    zur Erläuterung: 1. Es war nicht feststellbar, ob der Schlaganfall erstmalig bzw. frisch war und ob damit eine Behandlung in der Stroke unit überhaupt sinnvoll gewesen wäre. 2. Leider haben wir im Bereitschaftsdienst keinen Zugriff auf das CT/MRT im Haus :( , da es sich um eine angeliederte Praxis handelt.
    Was hätten wir tun sollen?

    Viele Grüße

    E. Thoma

  • Schönen guten Tag allerseits!

    Zitat


    Original von ToDo:
    Warum haben Sie den Patienten nach der gestellten Verdachtsdiagnose überhaupt aufgenommen. Wenn doch die gesicherte Diagnose nicht bei Ihnen weiterbehandelt wird, müsste doch der Verdacht reichen, um ihn in das geeignete Krankenhaus mit stroke unit zu verlegen, oder?


    Ich finde zwar das Beispiel von Herrn Thoma auch etwas problematisch (warum konnte der Patient nicht von dem Krankenhaus mit MRT weiterversorgt werden?), aber ich will auf das Grundsätzliche in ToDos Frage kommen:

    Versuchen sie mal, ToDo, gerade neurologische oder neurochirurgische Patienten zeitnah aus der Notaufnahme eines kleinen Krankenhauses zu verlegen. Das erfordert manchmal erhebliche Geduld und Hartnäckigkeit und hinterher hat man rote Ohren vom Telefonieren. Als ehemaliger Rettungsdiesntmitarbeiter und Praktikant einer Notaufnahme wissen Sie vielleicht, wovon ich rede.

    Ich hatte einmal einen Patienten mit traumatischer Wirbelfraktur und Querschnitt über drei Stunden in der Ambulanz liegen, bis ich gnädigerweise in einer über 100km entfernten Klinik ein Bett bekam. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich ihn erst einmal stationär aufgenommen, damit er wenigstens pflegerisch versorgt ist. Das ganze Problem ist nur deshalb entstanden, weil der Notarzt - wissend, dass wir nicht die geeignete Klinik sind - den Patienten zunächst uns vor die Tür gekarrt hat, anstatt einer neurochirurgischen Klinik. Dass diese "Erstversorgung" völlig unzulänglich ist und für den Patienten nur Zeit (und damit vermutlich auch Nerven im wahrsten Sinne des Wortes) kostet, wurde nicht bedacht oder schlimmer, ignoriert.

    Ich will damit sagen, dass die stationäre Aufnahme trotz evtl notwendiger Weiterverlegung manchmal durchaus auch aus Situationen ergibt, die nicht duch eine pauschale Fallbetrachtung erkannt werden können, sondern wo man sich unter Umständen mit den individuellen Gegebenheiten des Einzelfalles auseinandersetzen muss.

    Schönen Tag noch,
    --
    Reinhard Schaffert

    Medizincontroller
    Facharzt für Chirurgie
    Krankenhausbetriebswirt(VWA)
    Kliniken des Wetteraukreises

  • Hallo Herr Thoma,

    deshalb hatte ich einschränkenderweise betont, dass dafür mein medizinisches Wissen nicht ausreicht.

    Wenn Sie in der Tat erst nach erfolgter Diagnostik (in dem Fall MRT) feststellen können, ob der Patient ein Fall für Sie ist, dann halte ich die von Ihnen geschilderte Konstellation in der Tat für vollstationär abrechenbar.

    Das gilt im Übrigen auch für das Eingangsbeispiel mit dem Polytrauma. Wenn eine Versorgung durchgeführt (und dokumentiert) wurde, ist es natürlich nicht nur eine Abklärungsuntersuchung. Im Einzelfall ist dieser Punkt aber sicher dennoch streitbar - nehmen wir den Herzpatienten, der aufgrund akut geschilderter Beschwerden ein/zwei Hübe Nitro erhält, bevor er ins benachbarte Krankenhaus mit Kardiologie transportiert wird und dort verbleibt. Zählt die Nitro-Gabe dann auch als Versorgung und begründet eine vollstationäre Abrechnung? Ich denke nein!

    Gruß,

    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)