Kassenanfrage: Zu späte Verlegung

  • Liebe Mitstreiter,

    gestern flatterte mir eine Anfrage einer sonst sehr kooperativen Kasse auf den Tisch, die mich doch sehr erstaunte.

    Wir nahmen einen Patienten zur Notfallbehandlung auf (akute Niereninsuffizienz) und verlegten ihn nach drei Tagen weiter.

    Nun kam die Anfrage der Kasse, warum wir ihn denn nicht schon früher verlegt hätten, so daß sie (die Kasse!) Verlegungsabschläge einheimsen könne.

    Für mich ist dies Art der Anfrage neu und zeugt von eigenartigen Auswucherungen dieses Abrechnungssystems. Hat jemand bisher ähnliche Anfragen erhalten, wie sind Sie damit umgegangen? Hierfür das Wirtschaftlichkeitsgebot zu bemühen, scheint mir doch reichlich weit hergeholt. Ich habe die Kasse zunächst gebeten, ihre Anfrage doch nochmals zu überdenken und bin auf die Antwort gespannt.

    Viele Grüße,
    V. Blaschke

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    Dr. med. Volker Blaschke

  • Schönen guten Tag Herr Blaschke!

    Ich hatte das Problem bereits bei einigen Fällen in 2004, bei denen es allerdings um Tuberkulose ging. Da diese DRG damals nicht bewertet und auch noch nicht verhandelt war, waren diese Fälle netürlich per se für die Kasse auffällig und 600 € pro Tag waren netürlich auch kein Pappenstiel. Letztlich konnten diese Fälle dann auch im Gespräch geklärt werden, aber es ist natürlich ein erheblicher Aufwand.

    Ich kann zwar das Problem der Kasse nachvollziehen (Behandlung einer Diagnose, für die das Krankenhaus nicht geeignet ist), weiß aber auch aus Erfahrung, dass sich manche dinge erst im Verlauf als nicht behandelbar und daher zu verlegen ergeben. Dies in der Dokumentation nachzuweisen ist oft schwierig, da man ja zunächst davon ausging, den Patienten selbst behandeln zu können.

    Außerdem gibt es da noch das Problem, dass der Patient erst zu einem bestimmten Termin übernommen wird. Wer ist denn dafür verantwortlich? Jedenfalls kann dafür nicht das verlegende Krankenhaus zur rechenschaft gezogen werden.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo Herr Blaschke,
    losgelöst von Ihrem Einzelfall folgende Anmerkung:
    Das Vergütungssystem DRG setzt neue, auch wirtschaftliche Anreize, die vom Grundgedanken her das stationäre Versorgungssystem effizienter machen sollen. In einzelnen Konstellationen ist aber denkbar, dass Leuistungserbringer finanziellen Profit aus Grundregeln der Vergütung erlangen wollen, die andere Gründe haben. Dies ist insbesondere dann zweifelhaft, wenn das wirtschaftlich motivierte Handeln der Krankenhäuser den Interessen des Patienten entgegensteht. Ein Beispiel hierfür ist nachzulesen unter http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=46433 .

    Medizinisch nachvollziehbare, gut dokumentierte Entscheidungen schützen sie vor ungerechtfertigten Vorwürfen.

    Gruß
    D. Duck

    Mit freundlichen Grüßen

    D. Duck

  • Hallo Herr Schaffert und D. Duck,

    vielen Dank für die Beiträge. Wie auch Herr Schaffert ausführte, ist die Verlegung praktisch immer ein wesentlich komplexerer Vorgang als die reguläre Entlassung. Viele Dinge müssen zwischen den Häuser geklärt werden. Nicht vorhandene bzw. noch nicht freie Betten oder bereits voll verplante OP-Kapazitäten oder Geräte sind nur einige Aspekte. Auch ist es m. E. oftmals sehr schwierig, den \"richtigen\" Verlegungszeitpunkt zu bestimmen. Bei Notfallverlegungen ist es sicherlich der frühestmögliche Zeitpunkt, bei nicht notfallmäßiger Verlegung besteht aber ein Spielraum. Es kann aber nicht sein, daß die Kassen hier aus ökonomischen Gründen regulierend eingreifen wollen. Aus meiner Sicht ist die frühestmögliche Verlegung auch nicht immer im Interesse des Patienten. Dieses komplexe Thema vom grünen Tisch aus entscheiden zu wollen, halte ich für nicht zulässig.

    Wollen wir mal sehen, was daraus wird.

    Viele Grüße,
    V. Blaschke

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    Dr. med. Volker Blaschke

  • Hallo Herr Blaschke,

    Zitat


    Original von Blaschke:
    Es kann aber nicht sein, daß die Kassen hier aus ökonomischen Gründen regulierend eingreifen wollen. Aus meiner Sicht ist die frühestmögliche Verlegung auch nicht immer im Interesse des Patienten. Dieses komplexe Thema vom grünen Tisch aus entscheiden zu wollen, halte ich für nicht zulässig.

    Viele Grüße,
    V. Blaschke

    Es kann aber auch nicht sein, dass die Krankenkasse keine Berechtigung zur Prüfung solcher Fälle haben sollen, denn dann wäre den Häusern, die die wirtschaftlichen Interessen in diesen Fällen vor die Entscheidung über den frühestmöglich und ggf. sogar geeigneten Verlegungszeitpunkt stellen.

    Eine solche \"Steuerung\" kann auf gar keinen Fall von Kostenträgern geduldet werden und sollte auch nicht im Interesse der Leistungserbringern sein!

    Was war denn zuerst?

    Die \"Auswüchse\" der Kassen, an allem sparen zu wollen?
    Oder vielleicht die \"Auswüchse\" einiger Krankenhäuser, denen das Wasser bis zum Hals steht und die durch \"Erlösoptimierung\" ohne jede Weitsicht kurzfristige Liquidität sichern???

    Eine etwas weniger einseitige Sicht der Dinge hilft nicht nur Ihren Diskussionspartnern sondern künftig in solchen Diskussionen auch Ihnen selbst - ganz sicher. :d_zwinker:

    Gruß,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Hallo ToDo!

    Vielen Dank für die Antwort. Wie wollen Sie dies denn prüfen? Und worauf?

    Wenn im Falle einer geplanten Verlegung das Zielhaus sagt, es habe leider kein Bett frei, um den Patienten aufzunehmen, dann ist die Verlegung eben nicht möglich. Punkt. Diese Antwort bzw. diese Tatsache werden Sie aber nirgendwo dokumentiert finden, dies ist nicht üblich. Es soll auch den einen oder anderen Fall geben, wo im Zielhaus zwar ein Bett frei gewesen wäre, dieses aber telefonisch verneint wurde. Dieses ist praktisch nicht zu prüfen, es sei denn, Sie gingen am selben Tag noch in das Zielhaus und zählten alle Betten persönlich durch.

    Hiermit ist der Fall doch eindeutig tot und für Sie nicht zu \"gewinnen\", und keine nachträgliche Prüfung der Welt kann Licht in die Angelegenheit bringen. Alternativ schlage ich vor, daß das verlegende Haus in diesen Fällen Sie bzw. Ihre Kollegen mit der Organisation eines geeigneten Bettes beauftragt, das dürfte Ihnen nicht leichtfallen, schlechterdings gar fast unmöglich sein.

    Aus meiner Sicht bleibt diese Frage ein Punkt, der nicht sinnvoll zu prüfen ist. Daher sollte man sich lieber auf die wichtigen Dinge beschränken und nicht mit Nebelkerzen werfen.

    Viele Grüße,
    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • Zitat


    Original von Blaschke:

    Wenn im Falle einer geplanten Verlegung das Zielhaus sagt, es habe leider kein Bett frei, um den Patienten aufzunehmen, dann ist die Verlegung eben nicht möglich. Punkt. Diese Antwort bzw. diese Tatsache werden Sie aber nirgendwo dokumentiert finden, dies ist nicht üblich.

    Aus meiner Sicht bleibt diese Frage ein Punkt, der nicht sinnvoll zu prüfen ist. Daher sollte man sich lieber auf die wichtigen Dinge beschränken und nicht mit Nebelkerzen werfen.

    Viele Grüße,
    V. Blaschke

    Hallo Herr Blaschke,
    auch ich möchte mich hier nicht im Detail verlieren. An dieser Stelle grätsche ich ToDo jedoch zur Seite.

    In meiner aktiven Zeit am Patientenbett habe ich auch aus anderen forensischen Aspekten jegliche Bemühungen um Verlegungen(insbes. Telefonate) in der Patientenakte protokolliert. Dabei war zumindest nachzuhalten, an welchem Tag zu welcher Zeit ich mit welcher Klinik mit welchem Ergebnis kommuniziert habe.

    Wie oben bereits angesprochen tat ich dies nicht aus Gründen der Kostentransparenz.
    Zu verlegende Patienten weisen in aller Regel ein schweres Krankheitsbild auf, welches im eigenen Haus nicht (ausreichend) zu behandeln ist. Tritt nun eine plötzliche, mit eigenen Mitteln nicht beherrschbare Komplikation auf, so wird die Frage nach einer möglichen, frühzeitigen Verlegung von Anwälten oder Richtern gestellt. Und in diesen Fällen hilft Ihnen nur ihre dokumentierte Bemühung.

    Deshalb muss auch der Entscheidungsprozeß über eine Verlegung und die Tätigkeiten in diesem Zusammenhang dokumentiert werden.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. Duck

  • Hallo,

    ein interessantes Thema, auch wir bekommen solche Schreiben inzwischen allerdings glücklicherweise eher selten un dmeist können wir das auch klären.

    Dennoch halte ich das Thema für brisant, denn gerade das man Patienten nicht aufnimmt, obwohl man es könnte und fachlich auch zuständig ist, wird zukünftig eine größere Rolle spielen.

    Ich denke hier an bewusste Fallselektion...wieso sollte ein Krankenhaus einen Patienten übernehmen, wo von vorneherein klar ist das es ein Nicht- Kostendeckender Fall wird?

    Das ist zwar unethisch und sicher auch gegen den Versorgungsauftrag und diverse Gesetze, aber kaum nachprüfbar....gibt halt beim Anruf die Auskunft..\'haben kein Bett\'..oder es werden Betten bei den Notfallstellen gar nicht erst gemeldet...(das habe ich persönlich schon erlebt)

    Und jeder kennt solche schwer verlegbaren Fälle, die keiner haben will...

    Das kann doch dann nicht das Problem des aufnahmenden Hauses sein?

    Und zu TODO: Schwarze Schafe gibt es überall, und wenn keine mehr möglich sind, haben wir den Überwachungsstaat...ich denke eine gewisse Maß schwarzer Schafe muss jedes System tolerieren können (wobei wir da sicher ums Maß streiten können ^^)....sonst wirds totalitär und der Aufwand die schwarzen Schafe zu finden wird immer grösser, als das was diese aus dem System ziehen.(das ist persönliche Meinung!)

    Gruss

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin