Anforderung von Krankenunterlagen gem. §294a SGB V

  • Hallo Forum,

    mit der Begründung \"zur Prüfung der Ursache einer Infektionskrankheit\" fordert eine Ersatzkasse bei uns eine Kopie des Entlassungsberichtes an. Eine Schweigepflichtsentbindung des Patienten sei nicht erforderlich.

    Bezug wird genommen auf den zum 1.1.2004 neu geschaffenen §294a SGB V und auf ein Urteil des Sozialgerichts Berlin (AZ: S82KR2038/02) vom 1.6.2004. (Dieses Urteil habe ich bisher leider nicht finden können).

    Laut Stellungnahme der DKG vom 7.12.2004 steht den Kassen ein Einsichtsrecht in bestimmte Unterlagen zu, wenn sie damit \"die Frage von Ersatzansprüchen gem. §116 SGB X klären\" wollen.

    Wie wird anderwo mit solchen Anforderungen verfahren?
    Geben Sie Krankenunterlagen heraus, wenn mit dem §294a argumentiert wird?

    Vielen Dank!

    Grüße
    NiR

  • Guten Morgen NIR,
    Ja da habe ich was:
    Der Datenschutzbeauftragte hat nichts gegen den Versand an die Kasse bei vermuteten Behandlungsfehlern. Aber nur bei Beauftragung und Unterschrift des Patienten hier.
    http://www.aerztezeitung.de/docs/2001/09/19/167a1501.asp?nprod
    Anders ist es seit der § 294a STGB V in Kraft ist. Wir haben das mit einer Kasse auch hinterfragt. Hier die Antwort der Kasse:

    wir nehmen Bezug auf Ihr Schreiben vom …….05.
    Die Mitteilungspflicht nach § 294 a SGB V erstreckt sich u. a. auf sonstige Unfälle, Körperverletzungen und drittverursachte Gesundheitsschäden.

    Ein Rundschreiben der Krankenhausgesellschaft vom 15.05.04 sagt dazu folgendes aus:

    \" Die DKG geht nach einer datenschutzrechtlichen Prüfung und Beratungen im Fachausschuss \"Recht und Verträge\" am 22.03.04 in Berlin davon aus, dass sich die Verpflichtung der Krankenhäuser nicht nur auf die Meldung von Anhaltspunkten, die möglicherweise auf drittverursachende Gesundheitsschäden hinweisen, zu melden sind, sondern darüber hinaus die Krankenkassen auf Nachfrage weitere erforderliche Daten von den Leistungserbringern erhalten können, um ihrer Prüfungsverpflichtung nachzukommen. Die Ermächtigungsgrundlage des § 294 a SGB V umfasst daher auch die Verpflichtung zur Übermittlung sonstiger weitergehender Krankenunterlagen direkt an die Krankenkassen.\"

    Die Prüfung, ob es im Seniorenheim, in dem die o.g. Patientin lebte, zu einem Pflegefehler kam, ist uns nur durch die bereits angeforderten Unterlagen möglich.

    Somit teilt uns nun die Kasse mit, das keine
    [c=blue]\"Schweigepfichtenentbindungserklärung zur Anforderung der Unterlagen\"[/code] :totlach: Klasse Wortschöpfung, oder?, nötig ist

    Kurt Mies

  • Hallo Nichtraucher,

    Die Schweigepflichtentbindungserklärung ist unbedingt erforderlich!
    Sonst droht Strafbarkeit gem. § 203 StGB!

    Lesen Sie einfach den Gesetzestext Satz 2!:
    § 294a SGB V
    Mitteilung von Krankheitsursachen und drittverursachten Gesundheitsschäden

    Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vor, sind die Vertragsärzte, ärztlich geleiteten Einrichtungen und die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen.
    Für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, die nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergeben, übermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen den Krankenkassen die erforderlichen Angaben versichertenbezogen.

    Wenden Sie sich an den Bundesdatenschutzbeauftragten in Bonn und informieren Sie sich und ihn.

    Das Urteil kann ich übrigens auch nicht finden.
    Welche Ersatzkasse ist es in Ihrem Fall?

    MfG
    Ilizarov

  • Hallo Nichtraucher,

    sie scheinen da an einen etwas eigenartigen Kassenmitarbeiter geraten zu sein...

    Zunächst mal: Das genannte Sozialgerichtsurteil konnte ich ebensowenig finden wie die anderen Diskussionsteilnehmer - auch eine Suche nach dem Datum und dem ungefähren Zeitraum hat nichts ergeben, und zwar weder für das Sozialgericht Berlin noch für das entsprechende Landessozialgericht...

    Außerdem ist die Rechtsposition der DKG und des Bundesdatenschutzbeauftragten völlig falsch wiedergegeben - beide sind nämlich gerade der Meinung, daß die KK *kein* Recht zur Einsichtsnahme in Behandlungsunterlagen hat. Gegenteilige Äußerungen (wie die Ihrer KK)werden von der DKG als \"falsch\" und \"Unterstellung\" bezeichnet, insbesondere ein entsprechender Artikel in \"Arzt und Krankenhaus\".
    Quelle: http://www.dkgev.de/dkgev.php/cat/…%A7+294+a+SGB+V

    Also mal wieder ein Fall von \"Kasse will was haben, was sie nix angeht\".
    Ich würde eine kurze Stellungnahme schreiben - je nach Sachlage entweder mit dem Hinweis, dass Sie *keine* Hinweise auf eine Schadenserstzpflicht nach §294a sehen und deswegen keine Daten übermitteln können, oder eine kurze Nennung des Anhaltspunktes und des möglichen Ersatzpflichtigen, verbunden mit der Aufforderung, den MDK einzuschalten, damit sie *diesem* weitere Informationen zukommen lassen können (ist ohnehin sehr verwunderlich, dass der MDK im Gesetzestext nicht explizit genannt ist).

    hth

    MDK-Opfer
    (na gut, vielleicht sollte ich mich wirklich mal umbenennen - wie wärs mit \"KK-Opfer? :lach: )

  • Hallo Forum,

    hagrrr - mir war nicht klar, dass hier *alle* Links abgeschnitten werden. Na gut - wer die Stellungnahme lesen will, besuche bitte
    http://www.dkgev.de und klicke sich über \"Geschäftsbereiche\", \"Recht\", \"Sonstiges\" zur Stellungnahme vom 7.12.2004

    Frohes Schaffenallerseits

    MDK-Opfer

  • Hallo,

    aus aktuellem Anlass in unserem Haus möchte ich die Diskussion wieder aufnehmen... Gibt es neuere Erkenntnisse oder Erfahrungswerte zur Notwendigkeit einer Schweigepflichtentbindung?
    Meiner Ansicht nach kann es ja nicht von der Art oder dem Umfang der angefragten Unterlagen abhängen. Entweder verletze ich die Schweigepflicht durch Zusenden eines Entlassberichtes oder einer ganzen Akte, oder aber ich bin durch den §294a gedeckt...

    Den Hinweis von \"Ilizarov\" verstehe ich nicht ganz
    Zitat
    [c=blue]
    Die Schweigepflichtentbindungserklärung ist unbedingt erforderlich!
    Sonst droht Strafbarkeit gem. § 203 StGB!
    ...
    Lesen Sie einfach den Gesetzestext Satz 2!:
    ...
    Für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, die nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergeben, übermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen den Krankenkassen die erforderlichen Angaben versichertenbezogen.
    [/code]

    Was soll mir dieser zweite Satz denn besonderes sagen? Dass nur KVen versichertenbezogen übermitteln müssen? Oder sonstwas anderes?

    Sorry für die evtl doofen Fragen, aber irgendwie bin ich nach Lesen des Threads auch nicht schlauer bzgl. der Schweigepflichtsentbindung... Oder steh ich nur auf dem Schlauch...???

  • Hallo Herr Stocker,

    nix neues - das genannte Sozialgerichtsurteil scheint immer noch nicht in Datenbanken auffindbar zu sein.

    Für den Klinikarzt sind die Bestimmungen in §116 SGB X relativ wurscht - entscheidend ist §294a SGB V. Und nach der dortigen Formulierung kommt es in der Tat auf den Einzelfall an: Mitteilen müssen Sie
    \"die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher\".

    Daraus lässt sich mit Sicherheit kein Recht auf Übersendung von kompletten Arztbriefen oder Behandlungsunterlagen ableiten. Fragen Sie bei der Kasse nach, worauf sich der Verdacht auf Zahlungspflichtigkeit eines Dritten stützt und geben Sie nur die Informationen weiter, die die Kasse benötigt (wer muss warum zahlen, z.B. \"Patient wurde von Ehefrau vermöbelt\" oder \"es war ein Abeitsunfall\"). Wenn Sie *keine* Anhaltspunkte für einen solchen Fall finden, würde ich auch nur dieses mitteilen und die KK im Zweifelsfall auf die Rechtsauffassung des Bundesdatenschutzbeauftragten oder der DKG verweisen (mein oben angeführter Link funktioniert übrigens doch, war ein Fehler meinerseits). Wenn die Kasse näheres wissen will oder Ihrem Urteil nicht traut, soll sie bitte entweder den MDK beauftragen oder eine Schweigepflichtsentbindung beifügen.

    Achtung: Wenn die KK keine Schweigepflichtentbindung beibringt, dann hat evtl. der Versicherte diese verweigert (gemäß obigem Beispiel möchte er vielleicht nicht, dass sein Kassenmensch näheres über den Ehestreit erfährt). Wenn Sie nun dennoch mehr als die in 294a genannten Informationen übersenden, ist es wohl nicht ganz unwahrscheinlich, dass es Ärger gibt - und §203 StGB bedroht nicht Ihre Klinik, sondern Sie persönlich...

    weitere Klarheit gibt die Lektüre der Stellungnahme der DKG.

    mit winterkalten Gruessen

    MDK-Opfer

    P.S.: Die Chancen auf verwertbare Angaben erhöhen sich natürlich, wenn man auch schreibt, worin denn er \"gegebene Anlass\" besteht...

  • Hallo MDK-Opfer,
    und herzlichen Dank für das rasche Update..

    Der gegebene Anlass war lediglich ein interner: Bislang lief die §294a-Problematik in unserem Haus offensichtlich außerhalb des MedCo\'s zwischen den Kassen und den behandelnden Ärzten in den Kliniken direkt ab. Jetzt hatte sich ein OA jedoch mit der Bitte um juristische Klärung an das MedCo gewandt, weil er nicht gewillt ist, ohne Schweigepflichtentbindung Informationen an die Kassen zu geben (zurecht, wie ich denke). Ich war mir dabei jetzt lediglich unsicher, ab der §294 tatsächlich - wie von der in diesem Fall anfordernden Kasse behauptet - eine alleinige Rechtsgrundlage für die Herausgabe von Patientendaten ohne Scheigepflichtentbindung ist.

    Nichts desto trotz bin ich mit der wohl allgemeinen Auffassung, dass der Einzelfall entscheidet, nicht sonderlich glücklich. Meine Überzeugung ist noch immer, dass die Herausgabe medizinischer Daten nur an zwei Bedingungen geknüpft sein kann: entweder an eine Schweigepflichtentbindung des Patienten oder an ein detailliert umschriebendes gesetzliches Procedere (z.B. Datenkranz a la §301). Dass im Extremfall die Übersendung etwa einer kompletten Krankenakte vom individuellen Argumentationstalent eines KK-Sachbearbeiters und meiner Befähigung, die richtigen Rückfragen zu stellen, abhängen sollte, bereitet mir kein gutes Gefühl und wundert mich eigentlich auch im sonst so stark regulierten Datenschutzbereich...