Beurteilung der Prozeßqualität

  • Guten Tag,

    man stelle sich folgende Situation vor: Begutachtung eines stationären Falles bei Überschreitung der oGVD durch den MDK. Bei Lektüres des Gutachtens folgende Konstellation:

    1. Unterlage(n) zur Begutachtung: Entlassungsbrief
    2. Gutachterliche Stellungnahme: \"Bei Optimierung der innerklinischen Prozesse wäre eine Überschreitung der oGVD vermeidbar gewesen.\" (oder so ähnlich).

    Auch mit einer gewissen Erfahrung auf dem Gebiet bleibt einem dabei mal wieder die Spucke weg.

    8o

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

    • Offizieller Beitrag

    Guten Abend,
    siehe hierzu:

    BUNDESGERICHTSHOF
    VI ZR 140/98 23.2.99

    „Gutachten von Sachverständigen können sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Werturteile enthalten. Aufgabe des Gutachters ist es häufig, kraft seiner Sachkunde zu bestimmten Tatsachen Stellung zu nehmen. Dann hat er einmal Auskunft über Sätze der Wissenschaft, Erfahrungssätze und dergleichen zu geben, wendet diese Sätze aber gleichzeitig auf den konkreten Fall an und gelangt so zu Schlußfolgerungen über das Vorliegen konkreter Tatsachen. Meint er, aufgrund seiner Untersuchungen und Überlegungen Gewißheit über die erfragte Tatsache erlangt zu haben, so wird er deren Existenz im Einzelfall uneingeschränkt behaupten.

    Gleichwohl ist rechtlich in der Regel der Schluß, den der Sachverständige aus seinem Gutachten zieht, ein Werturteil und nicht Behauptung einer Tatsache.

    Es liegt im Wesen des Gutachtens, daß es auf der Grundlage bestimmter Verfahrensweisen zu einem Urteil kommen will, das, selbst wenn es äußerlich als Tatsachenbehauptung formuliert worden ist, auf Wertungen beruht. Freilich kann im Einzelfall auch die gutachtliche Aussage im Rechtssinne eine das Widerrufsbegehren rechtfertigende Tatsachenbehauptung sein, etwa dann, wenn die der Schlußfolgerung vorausgehende methodische Untersuchung oder die zum Ergebnis führende Anwendung spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten nur vorgetäuscht oder grob leichtfertig vorgenommen worden ist.“


    Gruß
    E Rembs

  • Hallo Herr Sander,
    ich brauche mir die Situation garnicht mehr vorstellen, sie ist bereits tägliche Realität! Ich habe zahlreiche gutachterliche Stellungnahmen des MDK, dass \"die Aufnahme vor dem OP-Tag vermeidbar gewesen wäre\" und dass \"die Entlassung bereits am x.x.2006 möglich gewesen wäre\".
    Die Gutachter haben lediglich die Daten aus dem § 301 Datensatz und den Entlassungsbrief. Ich habe noch nie erlebt, dass hier mal ein Gutachter angerufen hätte oder mal mit dem behandelnden Arzt Rücksprache gehalten hätte.
    So lange die Gutachten auf eine \"dürren\" Datenlage beruhen, haben wir doch ganz gute Aussichten, die Fälle vor den Gerichten zu gewinnen(siehe Urteil zur Substantiiertheit von MDK-Gutachten).
    Zugegeben, manchmal haben die Gutachter auch Recht.
    Gruß

    Dr.Gerhard Fischer
    Medizincontroller/Frauenarzt

  • Guten Morgen, Herr Fischer,

    ich dachte schon, mein Thread wollte so gar nicht auf Interesse stoßen, daher bin ich Ihnen für Ihre Äußerung dankbar.
    Manchmal haben die Gutachter in der Tat auch Recht, zumal wir an vielen Stellen die Diskussion um präoperative Tage mehr im Innenverhältnis führen (sollten), da es m.E. organisatorisch gut abzubilden ist, auf den einen oder anderen Tag auch im eigenen Interesse zu verzichten.
    Selbstverständlich geht es irgendwann nur noch auf dem Weg der gerichtlichen Klärung - sicher auch mit guten Aussichten. Ich finde es allerdings bestürzend, auf welches Niveau sich die Gutachter inzwischen begeben haben - aus welchen Gründen auch immer ...

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Guten Morgen, Herr Rembs,

    ich bin wie immer von Ihrer profunden Kenntnis hinsichtlich Schriftstücken, Urteilen, Sentenzen etc. beeindruckt und bedanke mich für das Zitat. Nur: \"Quid ad nos?\" fragt der Lateiner. Oder: \"Und gezz?\" fragt das Kind des Ruhrgebietes.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo Forum,

    Die Gutachten auf Basis des Entlassungsberichtes sind ein Quell ewiger Freude. Sie haben allerdings auch damit zu tun, daß die Kassen immer mehr Schrotschuß-Gutachten anforden (Prüfung der Kodierqulität und Aufenthaltsdauer). Leider lassen sich die Kassensachbearbeiter auch nach intensiven Gesprächen nur in wenigen Fällen dazu hinreißen, den Sachverhalt so zu präzisieren, daß man gleich beim ersten Anlauf die relvanten Unterlagen an den MDK schickt.

    Das hilft allerdings auch nicht imer: der letzte Brüller: der Gutachter konnte unsere Unterlagen nicht lesen und fand die ZE-relevanten Einträge nicht. Er hat dann die Kopien an uns zurückgeschickt, wir haben sie mit Textmarker markiert, dann galt es. :totlach:

    Gruß aus Essen

    merguet

  • Guten Morgen!

    Da lob\' ich mir doch unseren MDK in Rheinland-Pfalz. Bei den regelmäßigen Begehungen können wir DIESE Problematik direkt vor Ort besprechen und haben Einblick in alle uns vorliegenden Unterlagen...

    Schwierig ist natürlich - insbesondere bei Überschreiten der oGVD - die Argumentation, wenn die Dokumentation nur spärlich ausgefallen ist.
    Hier gilt es eher das Bewusstsein der Mitarbeiter im eigenen Hause dafür zu sensiblisieren, daß für die vollstationäre Behandlung eben ein Grund da sein muss...

    Gruß aus Landstuhl, bewölkt, 0 Grad

    T. Flöser

  • Guten Morgen Forum,

    ich habe eine Frage zur Rechtssicherheit von Fällen, welche nur nach Datensatz § 301 geprüft werden.
    In der letzten Zeit häufen sich die Fälle eines Gutachters, der eine Prüfung des Falles anzeigt, aber keinen spezifischen Prüfgrund mitteilt.
    Nach einiger Zeit kommt ein Gutachten zum angezeigten Fall nur auf der Grundlage der § 301 Datensätze.
    1. gefällt uns nicht, dass keine Gründe der Prüfung genannt werden und auch keine weiteren Daten angefordert werden;
    2. gehen uns Gutachte auf 301 Datensätze zu, welche weder Hand noch Fuß haben, schwammig sind und nichts als \"Beschäftigungstherapie\" sind;
    3.möchten wir dieser Art und Weise entgültig einen Riegel vorschieben, evtl. klagen,
    Welche Handhabe habe ich als Klinik, um solche Abläufe zu unterbinden,
    wo finde ich rechtliche Hinweise/Urteile zu solch gelagerten Fällen, wie können wir
    als Klinik vorgehen?

    Danke

    Mit frdl. Grüßen
    [c=blue]Mikka[/c]

    :d_zwinker:
    Das Leben ist die Suche des Nichts aus dem Etwas.
    (Chr. Morgenstern)

  • Hi Mikka,

    Ihr Ärger ist nur allzu nachvollziehbar.

    Allein: Die Erfahrung lehrt, dass im SG-Verfahren im wesentlichen die Sachargumente geprüft werden.

    Spätestens dort müssen SIe inhaltlich diskutieren.

    Alle Zwischenschritte bleiben Vorgeplänkel. Das alleinige Argument, dass die GA nicht alle Sachverhalte gewürdigt haben, wird inzwischen mit Textbausteinen gekontert. Einige beantworten ja noch mal die Frage, welche Unterlagen sie haben wollen. Wenn Sie dann alle kriegen, verlangen Sie erst mal medizinische Argumente.
    Das Ganze ist nervenaufreibend.

    Manchmal hilft ein Kontakt zu Kassen, um von deren Seite her an den MDK heran zu kommen.

    Gruß

    merguet

  • Hallo Hr. Merguet,

    eigentlich könnte ich mich hier zurücklehnen und das Gutachten als null und nichtig ansehen, da wichtige Grundsätze verletzt wurden.
    Wir wollen aber, das dieses Procedere aufhört. Das, so glauben wir, kann nur durch ein weiterführendes Urteil /Unterbindung eines SG erreicht werden.
    Sehe ich das richtig?

    Schönes WE

    Mit frdl. Grüßen
    [c=blue]Mikka[/c]

    :d_zwinker:
    Das Leben ist die Suche des Nichts aus dem Etwas.
    (Chr. Morgenstern)

  • Hi Mikka,

    Zitat

    Sehe ich das richtig?

    ich weiß nicht...

    Über welchen Hebel sollte man den Kassen das (inkorrekte) Vorgehen SFB mit 301 Daten verbieten? Den Kampf um den Einzelfall müssen sie weiter führen.

    Zumal auch die KH formal nicht immer ohne Tadel sind...

    Mir ist bisher kein Beispiel für eine Rechtsprechung um die Verfahrensmängel bekannt.
    Ich habe nur mal was von einer Strafe wegen \"Mutwilligkeit\" gehört, als die Kasse auch nach SG-Entscheidung und MDK-GA zu Gunsten des KH immer noch nicht zahlen wollte.

    Formal haben Sie recht mit Ihrer Einschätzung

    Zitat

    eigentlich könnte ich mich hier zurücklehnen

    , wenn der Fall bezahlt ist.

    Entweder verrechnet die Kasse, dann können Sie dagegen klagen, oder sie erhebt ihrereseits Leistungsklage, dann müssen Sie den Fall wieder inhaltlich anfassen.
    Gibt´s da denn jemanden, mit dem mal mal reden kann ? (ich nehme mal an, Sie haben das schon hinter sich).

    Gruß

    merguet