Komplexbehandlung stroke unit

  • Liebes Forum,

    in den von uns betreuten Häusern ist seit Januar 2006 folgendes Problem aufgetreten:

    Wenn Patienten in der stroke unit behandelt werden, wird später bei der Abrechnung diese komplextherapeutische Behandlung mit dem
    OPS 8-981 kodiert, so dass am Ende eben eine bestimmte DRG erscheint.

    Die Kassen sind jetzt wohl in nahezu allen Fällen beigegangen und lassen derzeit durch den MdK prüfen, ob es denn nicht eine \"normale\" Schlaganfallbehandlung auch getan hätte.

    Sollen jetzt die Krankenhäuser etwa die ganze Dokumentation der Stroke - Unit - Behandlung ( also z.B. Messprotokolle, Beatmung etc. ) kopieren und anhand der Dienstpläne nachweisen, dass wirklich 24 Stunden ein Arzt da war?

    Ist das Problem in anderen Häusern auch schon aufgetreten? Wie wird damit umgegangen?

    Wir haben uns heute überlegt, dass wir mindestens einen Präzendenzfall durchklagen wollen, wenn die Kassen wirklich anfangen, hier downzucoden.

    Über Feedback würde ich mich sehr freuen,

    Gruß an alle

    Attorney

    Rechtsanwältin

  • Guten Abend!

    Zitat


    Original von Attorney:
    Die Kassen sind jetzt wohl in nahezu allen Fällen beigegangen und lassen derzeit durch den MdK prüfen, ob es denn nicht eine \"normale\" Schlaganfallbehandlung auch getan hätte.

    Im Kodierleitfaden Schlaganfall finden Sie im Kapitel 4.6.1 Hinweise zu Zugangskriterien für Stroke-Unit-Patienten. Wenn Sie einen stabilen Patienten, der vor 5 Tagen eine TIA hatte, auf die Stroke Unit aufnehmen, müssen Sie dies schon gut begründen.

    Zitat


    Original von Attorney:
    Sollen jetzt die Krankenhäuser etwa die ganze Dokumentation der Stroke - Unit - Behandlung ( also z.B. Messprotokolle, Beatmung etc. ) kopieren und anhand der Dienstpläne nachweisen, dass wirklich 24 Stunden ein Arzt da war?

    Selbstverständlich müssen Sie - wie immer beim Kodieren - dokumentieren, dass Sie die Strukturvoraussetzungen gemäß OPS erfüllen. Wie Sie das tun, bleibt Ihnen überlassen; es bietet sich eine Kombination aus patientenbezogener Dokumentation (z.B. FIM, Nachweis der zeitgerechten Bildgebung, Physiotherapie etc.) und standardgestützer Dokumentation (Arztpräsenz, koninuierliche Möglichkeit der Lyse) an.

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo Forum,

    natürlich tritt das Problem der Kodierung beim Schlaganfall in diesem Jahr wieder überall neu auf, allerdings mit unterschiedlichen Ausprägungen:

    So kenne ich glücklicherweise noch nicht die Variante, wonach der MDK die Indikation an sich überprüft. Allerdings gibt es auch andere Möglichkeiten, die behandelnden und kodierenden Ärzte als Betrüger hinzustellen, z.B. indem man feststellt, dass nicht alle \"Maßnahmen der Neuropsychologie und Ergotherapie täglich...\" erbracht worden seien, zitiert nach dem \"offiziellen\" Leitfaden der DSG, Seite 24, veröffentlicht im März d.J.

    Man kann die Aufzählung im OPS-Code bzw. in diesem Leitfaden durchaus als logische ODER-Verknüpfung verstehen. Leider gibt der Leitfaden überhaupt nichts her, bei welchen Defiziten die Therapie nur durch einen Ergotherapeuten oder Neuropsychologen durchgeführt werden kann, die nicht durch geeignete Physiotherapie oder ärztliche Maßnahmen (Medikation) ersetzt werden kann.

    Laut MDK - so mein Eindruck der bisherigen Interpretation des Leitfadens - würden täglich außer So alle Therapieformen und Anwesenheit aller Therapeuten gleichzeitig verlangt, auch wenn eine einzige konsequente Therapie mit variablen Bausteinen ausreicht, um zu einer Symptomlinderung zu kommen. Wenn nur eine einzige Unterschrift der angegebenen Berufsgruppen im konkreten Maßnahmenkatalog fehlt, wird die Kodierung einer Komplexbehandlung vom MDK nicht anerkannt...

    Meine Fragen an die im Forum beteiligten Neurologen:
    Können Sie mir geeignete Literatur empfehlen, die auf die Akutbehandlung von Schlaganfall-bedingten Defiziten aus Sicht der Neuropsychologie und Ergotherapie näher eingeht?

    Ist es fakultativ oder obligat, die neurologische Überwachung mit einem ganz bestimmten Score durchzuführen, wo steht dies geschrieben?

    Mich erinnert die Diskussion fatal an das Vorgehen des MDK bei der Palliativmedizin (parallel hier im Forum), wo auch die Begutachtung aus klinischer Sicht unhaltbar ist und inzwischen von DIMDI als Überinterpretation zurückgewiesen sein soll. Was halten Sie davon?

    Vielen Dank murx

  • Guten Tag,

    die erlöswirksame Kodierung der Komplexbehandlung kann eigentlich nur Gegenstand lebhafter Prüftätigkeit werden. Dies war absehbar und ist nur eine Variation über das schon oft diskutierte Thema. Zwei Anmerkungen:
    1. Auf Dauer wird es kaum eine Möglichkeit geben, außerhalb einer zertifizierten und anerkannten Stroke unit (Landeskrankenhausplan) die Leistungen der Komplexbehandlung glaubhaft nachzuweisen. Ausnahmen mag es geben, aber es scheint mir grundsätzlich schwierig zu sein.
    2. Nach unserer Interpretation kann nicht für jeden Fall die komplette Latte der möglichen Betreuungskräfte gefordert werden. Dies wäre auch medizinisch-inhaltlich kaum sinnvoll: was sollte denn ein Logopäde bei einem Patienten mit rechtshirnigem Insult, der tadellos sprechen kann, oder ein Ergotherapeut bei einem komatösen Patienten, der zwar respiratorisch stabil aber sonst kaum verhandlungsfähig ist. Ich denke, der MDK - oder wer auch sonst immer - kann kaum ernsthaft verlangen, daß täglich die gesamte Sturmreihe bei allen Patienten Aufstellung nimmt, um dann unverrichteter Dinge das Feld zu räumen. Jedoch fehlt in diesem Zusammenhang eine klarstellende Aussage. Insofern bin ich für die \"bedingte Oder-Variante\", soll also meinen: wir versuchen, ein auf den Patienten individuell bestmöglichst abgestimmtes Konzept zu realisieren. Nichts anderes sollte eigentlich in einer solchen Einheit passieren.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo Herr Sander,

    vielen Dank für Ihren Beitrag.
    1. Bei meinen Ausführungen bin ich selbstverständlich davon ausgegangen, dass zu Beginn eines Jahres feststeht, ob die Strukturvoraussetzungen für die Komplexkodierung (5 von 10 Merkmalen des Codes) erfüllt sind oder nicht, so dass Punkt 1 eigentlich kein Thema sein sollte. Leider sind hier im Gegensatz zur Intensivbehandlung eindeutige Interpretationen erst peu a peu geliefert worden, was mancherorts an sich für Ärger sorgen dürfte. Darauf wollte ich aber nicht hinaus, obwohl ich mir gewiss für künftige derartige Kodier- und Abrechnungsvorschläge auch eine klare Trennung von Struktur- und Leistungsanforderungen und mehr Eindeutigkeit seitens DIMDI/INEK wünschen würde.

    2. Die Defizite sollen immer nur symptombezogen behandelt werden, deswegen treffen Ihre Ausführungen nur zum Teil den Kern. Aber: Manche Störungen könnten grundsätzlich von mehreren Therapeuten behandelt werden, andere erfordern eher eine Unterbrechung der begonnenen Therapie. Dies kann nicht immer nach Schema F abgehakt werden, sondern ergibt sich manchmal erst aus dem Kontext.

    Mir scheint wichtig, dass durch die oben skizzierte Prüfpraxis oder gar durch Anzweiflung der Indikation auch anerkannte und zertifizierte Stroke Units, denen Patienten aus Häusern im Umkreis zugewiesen werden, ohne sachliche Begründung dem Vorwurf des Upcoding ausgesetzt sind und damit nicht nur haufenweise Arbeit haben, sondern quasi kriminalisiert werden.

    Den in diesem Zusammenhang notwendigen Dokumentations- und Gutachtenwahn kann ich nicht nachvollziehen. Auch wenn er nach Lage der Dinge zu erwarten war, wird er dadurch nicht erträglicher.

    Was meinen die anderen?
    Gruß murx

  • Guten Abend,

    Zitat


    Original von murx:

    Dies kann nicht immer nach Schema F abgehakt werden, sondern ergibt sich manchmal erst aus dem Kontext.

    ich stimme Ihnen sofort zu, aber damit muß man auch und gerade in der Begutachtung von Fällen sehr darauf achten, daß eben nicht auch nach Schema F geprüft und anhand von formalen Aspekten die Inhalte in den Hintergrund geraten. Dabei scheint es mir besonders wichtig zu sein, daß ein Gutachter mit der nötigen Sorgfalt antritt. Hier spielt sicher der schon oft zitierte Facharztstandard auf Gutachterseite eine wichtige Rolle. Wenn dieser nicht gewährleistet ist, würde ich gerade in dieser sensiblen Zone keine Diskussion führen bzw. zulassen.

    Zitat

    Auch wenn er nach Lage der Dinge zu erwarten war, wird er dadurch nicht erträglicher.

    Hier paßt mal wieder hin: \"Und wir hatten doch nur das Schlimmste befürchtet.\" Aber das kennen wir ja inzwischen zu Genüge.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo, Herr Sander,

    danke nochmals! Leider muss ich allerdings Ihre letzte Hoffnung auf den Facharztstandard der Gutachter zerstören. Dieser schützt gerade nicht vor negativen Gutachten. Im Gegenteil: Offensichtlich gibt es Details, die den neurologischen Kollegen im MDK exklusiv zur Verfügung gestellt wurden, während die anderen noch auf schriftliche Interpretationen gewartet haben...

    Ob man bezüglich der Behandlung so die Spreu vom Weizen trennt, wage ich zu bezweifeln.

    Gruß murx

  • Hallo Attorney,
    die einfachste und wirksamte Lösung ist die kollegiale Einbindung des MDK. Man sollte über eine der Krankenkassen eine Begehung/ \"Abnahme\" der Stroke Unit erwirken. Wenn der MDK sieht, dass alle strukturellen Voraussetzungene erfüllt sind, wird die Anzahl der Prüfungen rapide abnehmen. (Wir haben diese Erfahrungen nach \"Abnahme\" der Geriatrie gemacht, nachdem festgestellt worden ist, daß in unserem Haus die Voraussetzungen für die Kodierung der 8-550.- auch am Wochenende erfüllt sind).
    Zu der Frage, ob nicht eine \"normale\" Schlaganfallbehandlung ausreicht muß ich sagen, dass bei Vorhandensein einer Stroke Unit jeder Schlaganfall- und TIA-Pat. einer Überwachung auf der Stroke Unit bedarf. Alles andere wäre medizinisch genauso fahrlässig, wie wenn man einen akuten Myokardinfarkt nicht kathetert, obwohl dies die anerkannt beste Heilungsmethode ist und ein Katheterplatz im Haus vorhanden ist. Die o.g.Auffassung der Kassen ist medizinisch höchst fragwürdig.

    Mit freundlichen Grüßen

    Lars Nagel

    Dr. Lars Nagel
    Leiter Medizincontrolling
    Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg
    [Groß-Umstadt | Seeheim-Jugenheim]