1-Tages-Fehlbelegung?

  • Liebes Forum,
    Notfälle diagnostizieren und behandeln wir teils sehr umfangreich auf unserer bettenführenden Aufnahmestation. Und wenn wir dann am Ende eines Tages feststellen, daß der Patient nun doch nach Hause kann, dann stellt die Kasse den Tag strittig - und erhält vom MDK mit der Argumentation Schützenhilfe, der Aufnahmeprozess hätte halt zu dem Ergebnis geführt, daß hier keine Aufnahme notwendig gewesen sei. Wir halten dagegen, daß die Aufnahme mit der Belegung eines Bettes auf der Aufnahmestation ja schon vollzogen sei.
    Bevor wir nun in den gerichtlichen Kampf ziehen, hätte ich gern vom Forum ein Meinungsbild.

    Danke.

    G.

  • Guten Tag,

    Morgens aufgenommen - abends entlassen: auch in der Rechtssprechung inzwischen Beleg für den Tatbestand der ambulanten Behandlung. Daß Sie in Ihrem Haus erhebliche Aufwendungen betreiben, wird sicher nicht bestritten. Stationäre Behandlung ist dies allerdings nicht.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo Herr Sander,

    so ganz kann ich Ihnen da nicht zustimmen: Natürlich haben Sie Recht für den Fall, das der Aufenthalt von vorneherein ohne Übernachtung *geplant* war - dann liegt in aller Regel ambulante Behandlung vor. Aber: Auch ein am Aufnahmetag abgebrochener stationärer Aufenthalt ist ein stationärer Aufenthalt (Bundessozialgericht B 3 KR 11/04 R ). Wenn also bei der Aufnahme davon ausgegangen werden konnte, das ein mehrtägiger stat. Aufenthalt erforderlich sein würde, handelt es sich um eine stationäre Krankenhausbehandlung.

    Unerheblich ist hierfür allerdings, ob der Patient sich irgendwann in einem Metallgestell mit Matratze befunden hat. Laut Gesetzgeber entscheidet die \"physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses\". Das BSG faßt dies wiederum so auf, dass es hierbei entscheidend auf die geplante Aufenthaltsdauer ankomme (B 3 KR 4/03 R).

    Auf das ursprüngliche Problem bezogen würde ich meinen: Pat. kommt mit Symptomen, die eine ernsthafte Erkrankung nahelegen, die Anamnese und Aufnahmeuntersuchung (wozu mit Sicherheit nicht sämtliche am Aufnahmetag durchgeführte Zusatzdiagnostik gehört!) kann den Verdacht nicht ausräumen. Also ist die stationäre Aufnahme aus der Ex-Ante-Sicht des Aufnahmearztes indiziert. Der Patient wird mit den spezifischen Möglichkeiten der Station behandelt (der MDK möge Ihnen mal bitte eine konkrete ambulante Behandlungsalternative aufzeigen, wo unangemeldete Patienten an einem Tag notfallmäßig umfangreiche Abklärungsdiagnostik unter entsprechender Überwachung erhalten!).

    Wenn sich dabei herausstellt, dass der Herzinfarkt doch nur Sodbrennen war - schön für Patient und Kasse. Das ist aber kein Gund zur Aberkennung des stationären Tages, denn das wäre nur zulässig, wenn aus der Ex-Ante-Sicht die Aufnahme nicht vertretbar gewesen wäre (Bundessozialgericht B 3 KR 11/01 R).

    Es wird also auf den jeweiligen Einzelfall und dessen Dokumentation ankommen. Wenn die Aufnahmesituation eine stationäre Behandlung rechtfertigt, würde ich widersprechen.

    Sonnige Gruesse

    MDK-Opfer

  • Hallo Forum, hallo MDK-Opfer,

    in dem BSG-Urteil 11/04 wird ja ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Frage der fehlerhaften Behandlungsplanung nicht mit entschieden wurde. Für dieses Urteil, und nur für dieses Urteil, wurde davon ausgegangen, daß der Behandlungsplan (\"muß aufgenommen werden\")so rechtens war. Genau diese Frage ist es aber, die zunehmend thematisiert wird. Wann kann aus gutem Grund die Entscheidung getroffen werden, daß der Patient/die Patientin der Krankenhausbehandlung mit Eingliederung in den KH-Alltag bedarf? Eine Vollnarkose oder eine mehrstündige postoperative Überwachung reichen hierfür nicht aus laut diesem BSG-Urteil.
    Die Entscheidung zur Aufnahme kann erst dann erfolgen, wenn nach entsprechender Anamnese und Diagnostik die Notwendigkeit der ständigen ärztlichen Überwachung über den Tag hinaus begründet werden kann. Oder wenn klar ist, daß für die Klärung bei fortbestehender akuter Gefährdung der Tag nicht ausreicht.
    Ob Standarddiagnostik oder Zusatzdiagnostik gefahren wurde, ist zwar für das KH kostenrelevant, dürfte aber für die Einordung des Falles unerheblich sein.

    Gruß
    Maria

  • Hallo Frau Schimmer,

    die spannende Frage in diesem Zusammenhang ist: \"Ab wann ist der Patient aufgenommen?\". :d_gutefrage:
    Ihre Lesart \"nach Anamnese und Diagnostik\" impliziert, dass sämtliche Diagnostik am Aufnahmetag zur Aufnahmeprozedur grhören würde, und das erscheint nicht sehr logisch.
    Zum Aufnahmeprozedere würde ich persönlich lediglich Anamnese und körperliche Untersuchung, evtl. einfache Routineuntersuchungen zählen (das wären in einer Notaufnahme z.B. EKG oder BZ-Stix). Was darüber hinaus an Diagnostik unter Inanspruchnhme der Klinikstruktur durchgeführt wird, ist bereits Teil der stationären Behandlung. Und wenn sich dabei herausstellt, dass doch keine Indikation vorlag, wird der Aufenthalt eben abgebrochen und der eine Tag berechnet. Genauso sieht das übrigens auch der BGH:
    \"Eine vollstationäre Krankenhausbehandlung ist auch dann gegeben, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecken soll, später jedoch aus medizinischen Gründen vorzeitig abgebrochen werden muss - sog abgebrochene stationäre Krankenhausbehandlung\" (Leitsatz des Urteils B 3 KR 11/04 R). Im konkreten Fall ging es um einen Patienten, bei dem nach der stationären Aufnahme zur elektiven OP der Anästhesist wegen eines bis dahin nicht bekannten Bluthochdrucks sein Veto einlegte. Der Patient wurde noch am Aufnahmetag wieder heimgeschickt. Nach Ihrer Definition wäre das ambulant, das BSG hat es aber eindeutig als stationär eingestuft.

    In Bezug auf die Notaufnahme-Fälle bleibe ich also bei meiner Meinung: Wenn *bei Aufnahme* (und nicht irgendwann später am gleichen Tag) die stationäre KH-Behandlung zu rechtfertigen ist, muss die Kasse zahlen.

    Immer noch sonnige Gruesse

    MDK-Opfer

  • Guten Tag zusammen,

    ich gebe allen Diskutanten völlig recht, wenn auf die ex-ante-Sicht des aufnehmenden Arztes abgestellt wird. Bei unklarem Befund im EKG und Oberbauchschmerzen würde ich auch z.B. von einem Infarktverdacht ausgehen und dann auch gesichert annehmen, daß eine stationäre Behandlung insofern notwendig ist, als die erforderlichen Maßnahmen nach Art und Umfang praktisch nur im Krankenhaus (stationäre Behandlung) erbracht werden können.
    Dabei spielt zweifellos auch der Aufnahmezeitpunkt eine Rolle. Bei der Konstellation 01.00 Uhr bis 13.00 Uhr ist die Argumentation immer einfacher als bei einer Verweilzeit zwischen 08.00 und 17.00 Uhr.
    Dennoch: die Aufnahmeentscheidung (G-AEP-Kriterien) wird ja nicht auf Zuruf getroffen, sondern nach einer sorgfältigen primären Einschätzung, die durchaus auch die eine oder andere Untersuchung enthalten darf. Daneben darf man auch nicht damit argumentieren (ich formuliere mal überspitzt): \"Wir haben soviele schwierige und aufwendige Untersuchungen angestellt, das muß dann ja schließlich stationär sein.\"
    In der ganzen Diskussion schwingt für mich auch die Frage mit, inwieweit die Krankenhäuser denn fürderhin tatsächlich in die ambulante Versorgung mit eingebunden werden und wie sich so etwas auch in der Frage der Abrechnung niederschlägt.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo Opfer,

    den neuen Sachvortrag \"Behandlungsplan ist falsch\" hat das BSG nicht gewertet. Wäre die Behandlungsplanerstellung in früherer Instanz angegriffen worden, hätte das Urteil vermutlich anders ausgesehen. Richtig ist aber, das bei Entscheidung zur Aufnahme begründet voraussehbar sein muß, daß der Patient über mindestens einen Tag und eine Nacht des Krankenhauses bedarf. Ist das nicht absehbar, nicht sicher oder bedarf er absehbar vielleicht nur einer Behandlung von 8 oder 10 Stunden mit ohne ohne Op, dann ist das als ambulant einzuordnen.
    Typisches Beispiel: Geplante Kardioversion erfolgt bei uns im Haus mit Überwachung auf der Intensivstation. Und wir haben uns belehren lassen müssen, daß selbst die Überwachung auf Intensiv immer noch ambulant ist. Übernachtung war schließlich nicht geplant. Und die Höhe des Aufwandes spielt keine Rolle.

    Gruß
    Maria

  • Hallo Frau Schimmer,
    wie rechnen Sie denn die geplanten Kardioversionen ab? Eine vorstationäre Abrechnung (so praktizieren wir es in der Regel) deckt die Kosten bei Weitem nicht ab!

    Viele Grüße,
    Andreas Bongartz

  • Hallo Frau Schimmer,

    in der Tat ist es verwunderlich, dass in dem verhandelten Fall anscheinend der Blutdruck vor der Aufnahme nie gemessen wurde - und daß das 2 Instanzen lang keinem Kassenvertreter aufgefallen ist :d_gutefrage:
    Natürlich bin ich davon ausgegangen, das im Falle von Gital Verdachtsdiagnosen vorlagen, die einen stationären Aufenthalt zunächst rechtfertigten (Übernachtung also geplant) und sich bei weiterer Diagnostik nicht bestätigten. In diesem Fall würde es sich m.E. eindeutig um einen abgebrochenen stationären AUfenthalt handeln, nicht um ambulante Therapie.

    Was nun wirklich Sache ist, können wir ohne Kenntnis der Fälle natürlich nicht sagen - Gital, wie wärs mit ein paar Infos zu den Fällen?

    Noch sonnige Grüße

    MDK-Opfer

  • Allein die ausführlich Diagnostik bei Notfällen ist m.E. kein Argument für eine stationäre Abrechnung.
    Wenn Gital schreibt, am Ende des Tages stelle sich heraus, daß eine stationäre Aufnahme nun doch nicht nötig sei, nehme ich an, daß diese Entscheidung aufgrund der dann vorliegenden Diagnostik fällt. Und das wäre dannn meiner Meinung nach ein klassischer Fall für prästationäre Abrechnung - die in der Mehrzahl der Fälle wohl alles andere als kostendeckend sein dürfte.

    Ob es eine Alternative ist, die Diagnostik, die in diesen Fällen betrieben wird, auf ein paar Tage zu dehnen und dann wirklich stationär abzurechnen, mag man streiten. Das kommt einerseits sicher auf den Einzelfall drauf an und andererseits auch darauf, ob hier wirklich plausibel argumentiert werden kann, daß eine stationäre Diagnostig nötig ist.

    Über die Sinnhaftigkeit von Abrechnungsmodalitäten und Differenzierungen zwischen vor-nach-zwischen-halb-ganz-und-dreiviertelstationär mag man trefflich streiten.

    Aber im Hier und Jetzt sehe ich die oben geschilderten Fälle (leider) als klassische vorstationäre Fälle.

    Ebenfalls besonnte Grüße,

    N.

    \"Steinigt ihn, er hat ´Jehova´ gesagt!\"

  • Liebes Forum,

    da habe ich ja wenig Hoffnung, auf dem Klagewege vorwärts zu kommen. Vielmehr werden wir wohl daran gehen, unsere Aufnahmestation etwas anders zu strukturieren..
    Besonders gefreut habe ich mich übrigens über folgenden Fall: 60jähriger Alkoholiker war gefallen und kam abends mit Kopfplatzwunde und leichtem Bluterbrechen ins Haus. Klare Aufnahmeindikation. Also stationär. Aber der Patient ließ sich nicht überreden - und verließ das Haus gegen ärztlichen Rat. Und was sagt der MDK dazu? Es sei gar kein Behandlungsvertrag für stationäre Versorgung zustande gekommen!

    Nach einigem Nachdenken könnte auch das richtig sein.

    G.