Dekubitus oder Hyperämie

  • Liebes Forum,

    ich habe eine Frage zur Kodierung eines Dekubitus. Der Fall stellt sich wie folgt dar:

    Ein Patient, geboren 1929, wurde nach einem Sturz (Fall aus dem Jahr 2004) aufgrund einer Schenkelhalsfraktur mit einer DHS versorgt. Am ersten postoperativen Tag wurde im Pflegeverlaufsbericht eine Rötung des Gesäßes sowie beider Fersen beschrieben. Eine Einreibung mit Esemtan Lotion ist erfolgt.

    Wir haben daraufhin einen Dekubitus ersten Grades kodiert.

    Laut MDK-Gutachter wird dieses jedoch nicht \"genehmigt\". Zitat \"Grundsätzlich ist es med. richtig, dass sich ein so genannter Dekubitus 1. Grades durch eine Rötung zeigt. Voraussetzung dafür ist aber, dass dies nicht nur vorübergehend vorhanden ist. Rötungen an Druck ausgesetzten Liegestellen kennt jeder aus eigener Anschauung. Sie sind verursacht durch eine vorübergehende vermehrte Blutfülle nach der Entlastung (reaktive Hyperämie). Eine derartige, auch physiologisch auftretende Erscheinung kann nach hiesiger Auffassung nicht über den ICD-Schlüssel L89.1- abgebildet werden.\"

    Der Aufwand ist laut MDK-Gutachter unstrittig, seiner Meinung nach ist nur nicht nachvollziehbar, dass es sich um einen Dekubitus und nicht um eine reaktive Hyperämie gehandelt hat.

    Zu unserer Schande muß ich gestehen, dass leider kein Lagerungsplan geführt wurde und auch keine \"strukturierte Erhebung eines Dekubitus-Risikos\" in der Akte geführt wurde.

    Weiß jemand einen Rat?
    Ich bedanke mich schon einmal im Voraus!

  • Hallo NDorf, Gruß an das Forum,

    Ebensowenig wie Ihnen dürfte dem MDK Arzt gelingen zu beweisen, daß die Hautrötung eine flüchtige Hyperämie war. Wenn Ihre Kliniker (Pflegekräfte oder Ärzte) einen Dekubitus bemerkt haben und diesen in der Kurve oder im Verlaufsbericht dokumentiert haben, dürfte dies eindeutig sein. Wenn darüber hinaus der Aufwand nicht strittig ist, kann der MDK-Arzt dies auch nicht wiederlegen. Jeder Dekubitus beginn nun mal mit einer Rötung der Haut.
    Und es wäre schlimm, wenn sich diese nicht bei vielen Patienten wieder zurückbilden würde, nachdem z.B. entsprechende Lagerungsmaßnahmen getroffen wurden :i_bett:.

    Dei Behauptung ein Dekubitus ist nur dann eine Dekubitus, wenn dieser bleibt, ist m.E. absurd.

    Gruß

    merguet

  • Hallo NDdorf, hallo Forum,

    etwas spät (aber gut erholt bei Z.n. Urlaub) möchte ich mich hierzu auch noch kurz zu Wort melden.

    Bei der Argumentation in solchen Fällen hilft auch immer gut: Bereits der Verdacht auf eine Erkrankung (mit Aufwand) muss kodiert werden !!!

    Viele Grüße aus Melle
    Dr. Th. Wagner 8)
    Facharzt für Chirurgie
    Leiter Medizincontrolling
    christl. Klinikum Melle

  • Hallo Herr Wagner,

    Zitat

    Original von Th. Wagner:
    Bereits der Verdacht auf eine Erkrankung (mit Aufwand) muss kodiert werden !!!

    wo steht das, bitte? Und wie belege ich einen \"Verdacht mit Aufwand\"?

    Mit freundlichen Grüßen,

    Markus Hollerbach

  • mhollerbach
    Ich würde die DKR D008b (Verdachtsdiagnosen) in dieser Richtung interpretieren.

    Gruß

    MiChu ;)
    Sei nicht unglücklich vor der Zeit, denn was dich, als dir drohend, in Angst versetzt, wird vielleicht nie kommen. (Seneca)

  • Wie bitte ???
    Der DKR 008b zu entnehmen, dass \"der Verdacht auf eine Krankheit (mit Aufwand) kodiert werden muss\", halte ich für groben Unfug. Könnten Sie Ihre Auffassung näher erläutern ?

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo,
    ich sehe diesen Teil der DKR D008b als zutreffend:


    Zitat

    Wenn eine Behandlung eingeleitet wurde und die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig waren, ist die Verdachtsdiagnose zu kodieren.

    Gruß

    MiChu ;)
    Sei nicht unglücklich vor der Zeit, denn was dich, als dir drohend, in Angst versetzt, wird vielleicht nie kommen. (Seneca)

  • Hallo allerseits,

    die Formulierung in DKR D008 bedeutet, dass Verdachtsdiagnosen (bei Entlassung des Patienten nach Hause) dann kodiert werden, wenn eine Behandlung in Bezug auf diese Verdachtsdiagnose stattgefunden hat. Auslöser und Thema dieser Diskussion war und ist die Frage, inwieweit die Durchführung prophylaktischer Massnahmen die Kodierung einer Diagnose rechtfertigen, die genau durch diese Prophylaxe verhindert werden soll.

    In der Aussage von Herrn Wagner ist hingegen nur vage von einem Aufwand in Bezug auf eine Verdachtsdiagnose die Rede, der Begriff \"Behandlung\" taucht nicht auf. Daraus könnte man schliessen, dass jede Verdachtsdiagnose kodierbar sei, sofern irgendein (z.B. diagnostischer) Aufwand diesbezüglich entstanden sei. Und diese Interpretation wäre, wie Herr Leonhardt ja schon gesagt hat, in der Tat \"grober Unfug\".

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Noch mal hallo,
    unabhängig davon wie die DKR D008b zu interpretieren ist halte ich diese Regel im vorliegenden Fall für nicht relevant. Es lag entweder ein Dekubitus oder ein drohender Dekubitus (DKR D001a), nicht aber der \"V.a. Dekubitus\" vor.
    Die Stadieneinteilung nach Seiler definiert den Dekubitus I° als nicht wegdrückbare Rötung. Also:
    Rötung nicht wegdrückbar --> Dekubitus kodieren
    Rötung wegdrückbar --> Dekubitus gemäß DKR D001a nicht kodieren.

    Die Wegdrückbarkeit der Rötung wurde doch sicherlich dokumentiert, oder ?

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


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  • mhollerbach
    Leonhardt

    Komme im Augenblick nicht mehr hinterher.
    Wenn ich bei einem Pat. eine Rötung als Dekubitus 1.Grades interpretiere und entsprechen behandle ist für mich die Kodierung L89.1 ok.
    Selbst wenn der MDK behauptet der Dekubitus ist nicht bewiesen so werde ich gegenteiliges behaupten und mind. diese als meine Verdachtsdiagnose festlegen. Da ich diese Verdachtsdiagnose behandelt habe ist sie m.E. entsprechend den DKR zu kodieren.

    Gruß

    MiChu ;)
    Sei nicht unglücklich vor der Zeit, denn was dich, als dir drohend, in Angst versetzt, wird vielleicht nie kommen. (Seneca)

  • Hallo MiChu,

    Herr Leonhardt hat doch darauf hingewiesen, dass in den DKR ein Unterschied gemacht wird zwischen einer \"sich anbahnenden\" oder \"drohenden\" Krankheit einerseits und einer Verdachtsdiagnose andererseits. Umgangssprachlich mag dieser Unterschied unbedeutend sein, für die Kodierung ist er aber sehr wichtig.

    Wenn ein Patient also eine Rötung der Haut aufweist, dann können Sie diese als Zeichen eines bereits bestehenden Dekubitus ersten Grades interpretieren, sofern Sie über (dokumentierte) Sachargumente verfügen, welche diese Einschätzung rechtfertigen (z.B. die erwähnte Stadieneinteilung). Das ist dann eine Diagnose, die gemäß DKR D003 kodiert wird, keine Verdachtsdiagnose.

    Andererseits können Sie die Rötung als Zeichen für einen sich anbahnenden Dekubitus betrachten - dann wird der Zustand nicht kodiert, egal, welchen Aufwand Sie zur Verhinderung eines Dekubitus getrieben haben, da es keine spezifische Schlüsselnummer für einen sich anbahnenden Dekubitus gibt.

    Eine \"Verdachtsdiagnose\" Dekubitus hingegen gibt es nicht, genausowenig wie es einen Verdacht auf Sepsis oder auf Schwangerschaft gibt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach