off-label-use

  • Lieber Herr Dietz,

    diesen Vorwurf müssen sich Chirurgen seit langer Zeit (berechtigterweise) machen lassen: sie sind sehr technik- und experimentierfreudig.....
    Das war in der Vergangenheit nicht immer zum Nutzen der Patienten, wird sich aber auch in Zukunft methodisch nicht wirklich ändern lassen und(wichtig): erfolgt unabhängig von Vergütungsfragen.

    Wenn ich mich zum Thema hilfreiche Medikamente dann an die Erfahrungen mit den so hoch gelobten cox2-Inhibitoren erinnere, die sehr schön geholfen haben, aber auch ganz schön doll den Bestattern (sogar trotz Zulassung hier), dann bin ich nicht mehr so begeisterungsfähig.

    Eine Zulassung bedeutet somit keine absolute Patientensicherheit, aber ich erlaube es mir weiterhin, ganz feste daran festzuhalten, dass man zumindest die Zulassung nach den deutschen Bedingungen fordern sollte, bevor die Kasse zahlt und die Patienten damit auch beruhigt werden.

    Ich wundere mich da auch immer über den Mut der Kollegen, die den Patienten solche Mittel geben - sie stehen doch im Zweifelsfall juristisch vor ziemlichen Problemen....

    Viele Grüße

    [f3][c=blue]Dr. Annette Busley[/c][/f3]
    Fachgebietsleiterin Stationäre Versorgung

    [f3][c=blue]MDS[/c][/f3] Medizinischer Dienst des
    Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.
    Telefon: 0201 8327-288
    E-Mail: a.busley@mds-ev.de

  • Hallo,
    tja, die Chirurgen müssen neue und ggf. aufwändigere Dinge nunmal stationär machen, wenn die neue Schraube halt 50 % der DRG auffrisst, ist Ihnen das ja primär wurscht - erst wenn es in die Kalkulation mal einflösse, gäbe es Ihnen zu denken, schätze ich....
    Bei den Medikamenten aber, die ggf. mal extra kosten, da ist es Ihnen nicht mehr wurscht. Passt nicht, mit Verlaub. Wenn, dann darf Ihnen die Pleite der Krankenhäuser überspitzt gesagt auch nicht egal sein.

    Und zu den COX2-Hemmern: Sie lesen scheint\'s gerne die B-Zeitung. Wieviele Pat. haben Sie gesehen, die aufgrund der Einnahme von COX2-Hemmern tot umgefallen sind? Klar zeigen die Studien ein erhöhtes Risiko für bestimmte Ereignisse. Aber gleich den Bestatter zu rufen, weil man da mal eine Woche eine Packung genommen hat...?? Da sollte man auch die Kirch\' im Dorf lassen.

    Auch die Risikoreduktion mancher Medikamente um 20 % heisst ja nun auch nicht, dass JEDER davon profitiert - Sie dürfen sicher bei vielen Medikamenten 100 Pat eine Therapie bezahlen, die dann einen vor dem Bestatter (aber doch nur mittelfristig...) \"rettet\". Trotzdem steht dies Medikament in den Leitlinien der Fachgesellschaft und der G-BA kommt ggf. an Studien dann auch nicht vorbei.

    Oder nehmen wir jahrelang bewährte Medikamente, die plötzlich die Zulassung verlieren und aus dem Handel gehen, und die Alternativen auch nicht zugelassen sind, wenn vielleicht auch untersucht? Was soll man tun? Pech, ihre Plazenta wird nicht mehr perfundiert, Kind geschädigt oder wie?

    Glauben Sie nicht, wir rennen jeder Mode gleich hinterher - aber manchmal muß man auch neue Wege gehen.

    Ich sage nochmals: Wo es für Sie umsonst ist, da ist der Fortschritt recht - ich habe einige \"alte\" Chirurgen erlebt, die angefangen haben mit der Lap.-Galle und auch ihre Nöte und teils Komplikationen. Heute soll man\'s bald ambulant machen.

    Kommt einer mit einer bezifferbaren Leistungsanfrage, dann wird gekniffen und nach Auswegen gesucht.

    Ich erinnere auch nur an den Fall, wo Kollegen verurteilt wurden, weil sie das nicht zugelassene Aciclovir nicht zur Behandlung einer Herpes-Enzephalitis gegeben haben. Und wenn ich mir die Ausgangsfrage anschaue, ist das auch ein Medikament, das man sicher nicht gibt, weil ein Pat. hustet. Man wird vielmehr hier auch von einer \"lebensbedrohlichen\" Situation ausgehen können. Da ist die Einlassung auf \"nicht zugelassen\" schon ein bisschen Dicke. Leider wissen wir nicht, um was es ging - wäre interessant - und ob die behandelnden Kollegen Literatur zum Thema vorweisen können.

    Viele Grüße
    P. Dietz

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,


    Zitat


    Original von A. Busley:
    Eine Behandlungsmethode muss erst Ihren Wert in kontrollierten Studien bewiesen haben, bis sie weitere Verbreitung finden darf ...


    zum Vergleich


    für die PKV (!) gilt:


    Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat entschieden, dass eine neue Behandlungsmethode auch dann von der PKV erstattet werden muss, wenn diese in der wissenschaftlichen Literatur noch nicht hinreichend dokumentiert ist.

    http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtsch…ung/?sid=509306


    Gruß

    E Rembs

  • Guten Tag Herr Rembs,

    mal abgesehen davon, dass wir hier wohl nicht das letztinstanzliche Urteil zu dieser Frage lesen, halte ich privatversicherte Patienten nun in diesem Punkt damit nicht für besser gestellt!

    Es bleibt dabei: erst nach Abschluss ausreichender Studien und entsprechender Dauer der Beobachtung (und selbst dann ja leider nicht immer) kann eine Verfahren seinen Nutzen, seinen Mehrwert gegenüber alternativen Behandlungen sowie seinen fehlenden \"Mehrschaden\" beweisen.
    Erst zu diesem Zeitpunkt möchte ich mit einem solchen Verfahren behandelt werden.

    Die verzweifelten Situationen, in denen Ausnahmen von diesem Prinzip gemacht werden sollten und ja auch können, sind nun mal nicht der Regelfall, aber allen bekannt.

    Dem Patienten eine große Mitverantwortung für seine Therapiewahl zu übertragen, halte ich in Situationen für gerechtfertigt, in denen die grundsätzliche Wirkung und Sicherheit alternativer Therapieverfahren geklärt sind - sonst nicht.
    Zusehr sind Menschen in der Situation einer bedrohlichen Erkrankung beeinflussbar und in ihrer freien Willensbildung eingeschränkt. (\"Ich würde gerne erste Erfahrungen mit einer neuen Behandlungsmethode bei Ihnen sammeln, sie ist aber noch nicht erforscht\" wirkt im Aufklärungsgespräch sicher anders, als \"Es gibt da eine ganz neue, sehr wirkungsvolle Behandlungsmethode\"). Der geschickte Arzt setzt durch, was er möchte...

    Hier halte ich es für eine wichtige Aufgabe eines Gesundheitssystems, Fürsorge für Patienten zu übernehmen und hoffe, dass es der PKV im Sinne ihrer Versicherten gelingen wird, sie nicht zu einem wesentlichen Anteil der Studienpopulation innovativer Verfahren werden zu lassen!

    Viele Grüße

    [f3][c=blue]Dr. Annette Busley[/c][/f3]
    Fachgebietsleiterin Stationäre Versorgung

    [f3][c=blue]MDS[/c][/f3] Medizinischer Dienst des
    Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.
    Telefon: 0201 8327-288
    E-Mail: a.busley@mds-ev.de

  • Liebe Frau Dr. Busley,
    so ganz recht haben Sie nicht:
    Die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet kommt laut Rechtsprechung nur in Betracht wenn es um die Behandlung einer schwerwiegenden (d.h. lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn keine andere Therapie verfügbar ist und wenn aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann...
    Das ist im Urteil auch so nach zu lesen, also es geht nicht nur um lebensbedrohlich. Und nur weil es nicht lebensbedrohlich ist, ist es nicht weniger schlimm. Und schon allein, weil Sie diesen kleinen Zusatz, dass es sich eben nicht nur um lebensbedrohliche Erkrankungen handelt, vergessen, überlesen oder was auch immer, haben, wird gleich ein anderer Sinn draus mit erheblichen Folgen für das Ergebnis eines Gutachtens. Aber das könnte man ja noch recht einfach richtigstellen. Wenn ich dann also darlege, alle Voraussetzungen für die Gabe eines Medikaments außerhalb der Zulassung erfüllt, bekomme ich als Antwort, das hätte auch ambulant erfolgen können..und wenn ich dann dargelegt habe, dass der Patient ja so schwer krank ist, dass das ambulant eben nicht möglich war, kommt die Antwort, es handelt sich um ein off label use oder die Behandlungsmaßnahmen sind doch noch nicht ausgeschöpft und die Kostenübernahme kann nicht empfohlen werden. :a_augenruppel:
    Ich möchte nochmal betonen, dass es auch nicht um Patienten geht, die mit ihrer Behandlung nicht zufrieden sind und auch nicht um experimentelle Behandlungsansätze. Diese Patienten leiden nicht nur unter Schmerzen sondern auch unter der Einschränkung ihrer Lebensqualität.

    Zitat

    Eine Behandlungsmethode muss erst Ihren Wert in kontrollierten Studien bewiesen haben, bis sie weitere Verbreitung finden darf - und sobald die Kostenträger zahlen, findet eine Methode Verbreitung - dafür sorgt schon der Hersteller.


    Auch nicht ganz richtig:
    Die Kostenträger zahlen erst, wenn das Arzneimittel oder die Behandlungsmethode zugelassen ist und wenn sie denn meinen, diese wird in den Leistungskatalog aufgenommen, das hat mit der Studienlage nichts zu tun. In meinen Problemfällen ist die Studienlage klar, die Fachwelt ist sich weitgehend einig, nur der Hersteller beantragt die Zulassung nicht aus Kosten-Nutzen Gründen.
    Viele Medikamente zur Behandlung von Kindern werden außerhalb der in der Zulassung festgelegten Bedingungen als off label use verordnet. Die Gründe liegen in der fehlenden Prüfung von bereits für Erwachsene zugelassene Arzneimittel für die Anwendung an Kindern. Ethische aber auch wirtschaftliche Bedenken stehen einer erweiterten Prüfung von Arzneimitteln an Kindern entgegen. Spätestens hier ist ein Beharren auf Behandlungsmethoden, die ihren Wert erst in kontrollierten Studien bewiesen haben auch bedenklich oder gefährlich? Auf jeden Fall nicht hilfreich für die Kinder.

    Mit der Kinderarzneimittelverordnung (seit 2005) werden pharmazeutische Unternehmer veranlasst (durch Anreize finanzieller Art), vermehrt Zulassungen für Kinderarzneimittel zu betreiben. Es ist den Herstellern schlichtweg egal, ob KTR in gewissen Segmenten die Arzneimittel bezahlen, im Hauptanwendungsgebiet ,dort ist es ihnen wichtig. Die Off label Problematik gibt es aber nicht nur wegen der Zulassungspolitik der Hersteller, sondern auch wegen Defiziten im Arzneimittelrecht.

    Aber trotzdem vielen Dank für Ihre Antwort auch an Herrn Rembs- ich werde mich jetzt mit dem \"Avastin-Urteil\" beschäftigen :)

    Freundliche Grüße
    Uta Seiffert-Schuldt

  • Liebe Frau Fuss,

    wenn ich das \"Nikolausurteil\" verkürzt zitiere und von verzweifelten Situationen schreibe, dann sind das nicht alleine die lebensbedrohlichen.
    Es wäre dieses Urteil aber sicher fehlinterpretiert, wenn jede krankheitsbedingte nachhaltige Beeinträchtigung (z.B. Oberschenkelamputation) die aus dem Urteil resultierenden Behandlungsansprüche nach sich zöge....

    Eine Diskussion des Themas auf der Einzelfallebene (zumal, wenn die Details des Einzelfalles dann nicht allen Diskutanten bekannt sind), wird zwangsläufig immer wieder zu Entscheidungen führen, die dem Grundsatz entgegenstehen.

    Ich stehe hier in diesem Forum für den Grundsatz ein.

    Für den Einzelfall gibt es Regelungen und wer sicher ist, da entsprechend dieser Regelungen zu handeln, der soll es durchfechten, wenn er auf Widerstand stößt.
    Das ist mein Ernst und ich befürworte absolut Ausnahmeregelungen für Sonderfälle.

    Aber ich befürworte vor allem die grundsätzliche Regelung.

    Im übrigen sind selbst orphan drugs wissenschaftlich zu evaluieren (ohne das das ca 220 Jahre dauert) - lassen Sie sich da von interessierter Seite bitte nicht falsch informieren. Somit sind gerade Kinder natürlich keine zu kleine Gruppe an potentiellen Nutzern. Wenn die Pharmaindustrie hier gerne Kosten spart, zeigt das, wie ausschließlich gewinnorientiert dort agiert wird, bei allen Bekenntnissen zur Verantwortung....
    Ja, in der Pädiatrie muss viel offlable therapiert werden, was meines Wissens nach bei fehlender Alternative den Behandlern nicht zur Last gelegt wird. Hier richtet sich sowohl die Kritik, als auch der konstruktive Ansatz (finanzielle Anreize) an die Pharmaindustrie.

    Viele Grüße

    [f3][c=blue]Dr. Annette Busley[/c][/f3]
    Fachgebietsleiterin Stationäre Versorgung

    [f3][c=blue]MDS[/c][/f3] Medizinischer Dienst des
    Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.
    Telefon: 0201 8327-288
    E-Mail: a.busley@mds-ev.de

  • Liebe Frau Dr. Busley,
    auch ich habe nicht von jeder die Lebensqualität nachhaltig beeinflussenden Beeinträchtigung geschrieben. Welche dazu gehören,die eine off label- Behandlung rechtfertigen ist im Einzelfall zu beurteilen.
    Im Ursprung ging es hier um die Behandlung eines Kindes mit einem Medikament außerhalb der zugelassenen Indikation, in der die Alternative 200 € preiswerter war, aber für das Kind hieß 30 mal \"pieken\". Zumutbar im Sinne der großen GKV-Gemeinschaft? Sicher nicht unbedingt lebensbedrohlich und vielleicht nicht nachhaltig die Lebensqualität beeinflussend, wenn das Kind das preiswertere Medikament bekommt, aber wie würden Sie entscheiden, wenn es Ihr Kind wäre? Ich glaube Ihnen, das Sie für den Grundsatz einstehen. Juristen und Gutachter sind aber immer nur gefragt, wenn es um Abweichungen vom Grundsatz geht. Dass grundsätzlich ein Arzneimittel außerhalb der zugelassenen Indikation nicht zu Lasten der GKV verordnet werden darf ist klar, deshalb geben die Kostenträger solche Fälle zur Prüfung an den MDK, der nun beurteilen soll, ob man in diesem Fall vom Grundsatz abweichen kannn oder nicht. Und genau das tut der MDK meistens nicht. Im Falle des Kindes hätte ich zum Beispiel gern eine detailliertere Begründung außer der, dass es sich um ein off label use handelt. Und in diesem Fall wird es dem Krankenhaus zur Last gelegt, dass man das Kind komfortabler behandelt hat.
    Mir erschließt sich Ihre Argumentation bzgl. der \"Arzneimittel für seltene Leiden\" nicht. Und von welcher interessierten Seite hätte ich mich da falsch informieren lassen sollen? :d_gutefrage:
    Ich habe von der Kinderarzneimittelverordnung geschrieben, die wenig mit orphan drugs in Zusammenhang steht.
    Aber wenn denn gerade bei der off label Therapie bei Kindern klar ist, dass meistens das desinteresse an der Zulassung seitens der Pharma ursächlich ist, warum kommt es dann zu Grundsatzbeurteilungen durch entsoprechende Gutachter?
    Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend
    Uta Seiffert-Schuldt

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,


    Zitat


    Original von FUSS:
    .. deshalb geben die Kostenträger solche Fälle zur Prüfung an den MDK, der nun beurteilen soll, ob man in diesem Fall vom Grundsatz abweichen kann oder nicht.


    In 88% der Begutachtungsfälle erfolgt von MDK Gutachtern die Ablehnung ( „wirkstoffgleiche“ Alternativpräparate, alternative Behandlungsmöglichkeiten)


    Gruß

    Eberhard Rembs

  • Zitat


    Original von FUSS:
    Und in diesem Fall wird es dem Krankenhaus zur Last gelegt, dass man das Kind komfortabler behandelt hat.


    Hallo,
    weil komfortabel erst einmal nix mit dem im SGB V verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot zu tun hat.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Guten Tag,

    unter juristischer Sichtweise ist die Applikation von Neulasta® (INN Pegfilgrastim) bei Kindern sicher ein Off-Label-Use und kann unter Verweis auf das SGB V seitens der Kostenträger mit Bezug auf eine Kostenübernahme abgelehnt werden.

    Allerdings müßte dann - bei konsequenter Handhabung dieses juristischen Konstrukts - die Behandlung von krebskranken Kindern und/oder Frühgeborenen konsequenterweise eingestellt werden, da summativ mehr als 50% der eingesetzten Substanzen keine explizite Zulassung für das Kindes- und Jugendalter haben, insbesondere für die relevanten (und teils hoch unterschiedlichen Altersgruppen).

    Nichts desto trotz und aus gutem Grund - auch wenn dies juristisch nicht wirklich hilft - hat das InEK das ZE für Neulasta® nach Alter gesplittet, weil es im Kindesalter eingesetzt wird. Nicht routinemäßig, nicht in Massen, aber durchaus in relevanter Häufigkeit. Dies ist zumindest an Schwerpunktzentren der Kinderonkologie in der Bundesrepublik der Fall.

    Der Verweis auf die Kinderarzneimittelrichtlinie ist formal klasse und bewirkt in Realitas nichts. Die Splittings der ZE für Kinder hätten zu einem großen Teil vermieden werden können, wenn die Pharmaindustrie sich beispielsweise mit Packungsgrößen an die Dosierung im Kindes- und Jugendalter anpassen würde. Produktmanager von beispielsweise Antimykotika namhafter Hersteller antworten auf ein derartiges Ansinnen aber mit ausgefeilten Dosierungsschemata nach Haltbarkeit der rekonstituierten Lösung, die am Schreibtisch funktionieren mögen, in realitas aber nicht. Bei erneuter Nachfrage kommt es dann zum Wahrheitsausbruch, welcher schlicht und ergreifend heißt: rechnet sich nicht, machen wir nicht.

    Aus meiner persönlichen Sicht und langjährigen Erfahrung treibt hier insbesondere der Gesetzgeber Augenwischerei: nominal alles prima, real passiert nix.

    Ich würde Ihnen empfehlen sich an das Kompetenzzentrum Onkologie des MDK (Nordrhein) in Düsseldorf (Leiter Prof. A. Heyll) zu wenden bzw. eine Klärung durch dieses zu veranlassen. Dort ist man sich dieser speziellen Situation bei Kindern sehr wohl bewußt und handelt entsprechend, ohne das Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V zu torpedieren. Zumindest habe ich diesen Balanceakt als bislang sehr gut gelungen erlebt.

    Aus (meiner) medizinischen Sicht wäre eine Verabfolgung von Neulasta® (PEG-Filgrastim) dann angezeigt, wenn das Kind die wiederholten Injektionen von nicht-pegyliertem G-CSF (bspw. Filgrastim/Neupogen® oder Lenograstim/Granocyte®) nicht verträgt bzw. dies für das Kind eine erhebliche Belastung darstellt (Dokumentation!). Es gibt tatsächlich 3-jährige, die wiederholte sc Injektionen so problemlos tolerieren, daß sich Erw. manchmal ein Stück davon abschneiden könnten ;)

    Aus der Praxisanwendung noch eine Anmerkung: infolge des Preises der Substanzen wird ohnehin zumeist die Packungsgröße und Substanz (Filgrastim vs. Lenograstim vs. PEG-Filgrastim) gewählt, welche unter Einhaltung der Dosierung (5-10 mikrogramm pro KG Körpergewicht) am kostengünstigten ist, um keinen Verwurf zu produzieren.

    Beste Grüße

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    Dr. med. A. Christaras
    FA Kinder- & Jugendmedizin