off-label-use

  • Liebes Forum,

    die Kasse möchte ein Medikament (Zusatzentgelt) 76ZE7101 Neulasta/ Pegfilgastrim, das verhandelt wurde nicht übernehmen. Begürndung: \"Es handelt sich um ein \"off-label-use\".
    Gilt dies überhaupt für den stationären Bereich?

    Liebe Grüße aus Schwaben und einen schönen Tag

  • Guten Tag allerseits!

    Unbestritten besteht nach § 137c SGB V ein sogenannter \"Verbotsvorbehalt\" für Methoden in ihrer Anwendung im stationären Bereich.

    Die davon zunächst unabhängige Kostenübernahme für Verfahren durch die GKV sieht dann doch noch zusätzlich eine ganze Menge an Regularien in verschiedenen gesetzlichen Regelungen vor.
    Alleine schon aus dem § 12 SGB V \"Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein\" leitet sich ab, dass im stationären Bereich nicht jede Maßnahme durch die GKV erstattet werden darf. (Auch wenn sie in ihrer Anwendung grundsätzlich nicht ausdrücklich verboten ist)

    Der Offlabel - Use einer Substanz bedeutet, dass sie außerhalb ihres Zulassungsbereiches eingesetzt wird. Somit ist also zumindest die Zweckmäßigkeit der Maßnahme nicht mehr allgemeingültig gesichert.
    Sind die Kriterien der einschlägigen Urteile erfüllt (lebensbedrohliche Erkrankung ohne alternative Therapieoptionen und Hinweise auf mögliche Erfolgsaussicht des Therapieversuches), dann muss die GKV auch die Therapiekosten beim Offlabel - Use übernehmen.
    Die Erfahrung in der Begutachtung solcher Fragestellungen zeigt aber, dass erstaunlich häufig alternative, zugelassene Behandlungsoptionen bestanden hätten.

    Schon aus Gründen der Patientensicherheit darf nicht jede \"gute Idee\" eines Arztes durch GKV-Finanzierung gefördert werden.
    Gute Ideen müssen sich in Studien beweisen (und tun das dann ja oft genug nicht). Solche Studien werden von der interessierten Industrie finanziert, da sie die Absatzmärkte vergrößern können, müssen die bekannte wissenschaftlichen Kriterien erfüllen und vor allem mit den betroffenen Patienten ganz deutlich besprochen werden!

    Viele Grüße

    [f3][c=blue]Dr. Annette Busley[/c][/f3]
    Fachgebietsleiterin Stationäre Versorgung

    [f3][c=blue]MDS[/c][/f3] Medizinischer Dienst des
    Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.
    Telefon: 0201 8327-288
    E-Mail: a.busley@mds-ev.de

  • Vielen Dank für die ausführliche Arrgumentation. In unserem Fall stellt sich das aber wie folgt dar:

    Der Patient ist ein Kind im Alter von 3 Jahren. Die Alternative zu dem Medikament Neulasta wäre Filgrastim. Das Kind müsste aber dann über 30 Tage lang jeden Tag eine Injektion erhalten. In diesen 30 Tagen insgesamt eine Menge von 287,45 MIE entspricht 709,04 Euro. Das Neulasta kostet die Kasse ca. 900,00 Euro. Rein rechnischer gesehen dürfte man nur um 200,00 Euro streiten und nicht um die gesamte Kosten. Man sollte bei der ganzen Sache auch ein stückweit noch den Menschen bzw. hier das Kind sehen...Auch sollte man überlegen, dass aufgrund der vielen s.c. Gaben sich ein erhöhtes Infektionsrisiko bzw. Hämatombildung für den Patienten besteht.

  • Hi Silvia,

    Lässt sich dies gegenüber dem Kostenträger im persönlichen Gespräch darstellen?

    @ Frau Busley: Selbstverstädnlich sollten Off-Label Medikamente nicht mit der Giekanne ausgeschüttet werden. In der Regel werden sie doch vor allem als eine der letzten Therapie-Optionen eingesetzt. Nicht zuletzt, weil die Kassen das inzwischen, glaube ich, anerkennen, werden die Fälle glücklicherweise seltener geprüft.

    :i_respekt:

    Leider ist es aber auch so, dass mancher off-label use trotz guter Wirksamkeit ein solcher bleibt, weil die formalen Zulassungskriterien für die zweite Indikation nicht erfüllt sind.

    Es dürfte auch klar sein, dass die KH so manchen off-label use aus eigener Tasche zahlen, was aber dem KTR weder auffallen kann noch interessieren dürfte.

    Gruß

    merguet

  • Liebe Frau Silvia,
    lieber Herr Merguet,

    im begründeten Einzelfall habe ich Kassen bislang immer gesprächsbereit erlebt, gerade Aspekte der Patientenfreundlichkeit werden akzeptiert.

    Da Offlabel - Use gelegentlich auch einem nur formalen (manchmal sogar Industrieinteressen - gesteuerten) Zulassungsproblem entspringt, wird er ja in der Begutachtung nicht grundsätzlich abgelehnt. Diese Erfahrung bestätigen Sie ja. Es gibt ja sogar Situationen, in denen die Kassen ein großes Interesse an Offlabel - Use haben.....

    Meine Stellungnahme sollte nur klarstellen, dass im KH nicht jedes Verfahren zu Lasten der GKV abgerechnet werden kann, nur weil dazu keine Richtlinie des G-BA erlassen wurde.

    Viele Grüße

    [f3][c=blue]Dr. Annette Busley[/c][/f3]
    Fachgebietsleiterin Stationäre Versorgung

    [f3][c=blue]MDS[/c][/f3] Medizinischer Dienst des
    Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.
    Telefon: 0201 8327-288
    E-Mail: a.busley@mds-ev.de

  • Liebe Frau Dr. Busley,
    bitte schildern Sie mir eine Situation, in der Kassen ein Interesse an Offlabel-use haben! Das würde mich wirklich interessieren. Ich habe so viel Ärger wegen diesem Thema! Und obwohl allen Beteiligten (in unseren Fällen) klar ist, dass der Gebrauch des Medikaments außerhalb seiner Zulassung (die Wirksamkeit ist hinreichend durch Studien belegt) wirtschaftlicher ist, als bei den herkömmlichen Behandlungsmethoden zu bleiben, verweigern die KTR die Zahlung, obwohl alle behandelnden Ärzte des Patienten bestätigen (schriftlich), dass alle \"zugelassenen \" Methoden ausgeschöpft sind. Auch wir halten an dem Grundsatz fest, dass die Gabe eines Medikaments außerhalb seiner Zulassung immer nur das letzte Mittel sein darf.

    Ich unterstelle jetzt mal ganz mutig, die Kassen profitieren von dem mangelnden Zulassungsinteresse der Hersteller. Die Versicherten haben die Leistung ja bekommen! Und an der Stelle sagt leider kein Gutachter des MDK, dass dies sogar die kostengünstigere Alternative war und empfiehlt die Behandlung zu bezahlen, nein, im Gegenteil. Der Gutachter zieht sich auf die \"zugelassenen Behandlungsmethoden\" zurück, die teurer, zeitaufwendiger sind und die der Patient seit Jahren hat über sich ergehen lassen und deren Wirksamkeit eher nicht eingetreten ist.

    Ich will damit nur sagen, dass man kostenträgerseitig natürlich nicht alles durchgehen lassen darf, aber das BSG hat die Kriterien festgelegt, nach denen Kassen verpflichtet sind, solche Fälle zu bezahlen. Die Mitarbeiter der KK können dies nicht einschätzen, aber von den Gutachtern erwarte ich da schon, dass geltende Rechtsprechung in die Beurteilung der Situation einbezogen wird.

    Mit freundlichen Grüßen
    U. Seiffert-Schuldt

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,


    Zitat


    Original von FUSS:
    bitte schildern Sie mir eine Situation, in der Kassen ein Interesse an Offlabel-use haben!


    „....wenn es billiger ist, soll es uns recht sein.“


    Siehe:

    Sozialgericht für Off-label-use mit Avastin
    Kostenaspekte entscheiden
    KÖLN (iss). Augenärzte dürfen Verträge mit Krankenkassen abschließen, nach denen sie bei Patienten mit feuchter altersbedingter Makuladegeneration (AMD) das für diese Indikation nicht zugelassene Medikament Avastin® verordnen können. Das entschied das Sozialgericht Düsseldorf (SG).

    Novartis wird Berufung einlegen

    http://www.aerztezeitung.de/politik_gesell…tik/?sid=502793


    http://www.justiz.nrw.de/Presse/presse_…_2008/index.php


    zur Ergänzung:


    Unterschiede (!) der beiden Medikamente siehe:


    The Fab domain of ranibizumab differs from the Fab domain of bevacizumab by six amino acids, five on the heavy chain (four of which are in the binding site) and one on the light chain

    Figure 1. Relationship between Ranibizumab and Bevacizumab.
    http://content.nejm.org/cgi/content/full/355/14/1409


    The Price of Sight — Ranibizumab, Bevacizumab, and the Treatment of Macular Degeneration


    Sowie:


    Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat auf das Risiko einer intraokularen Infektion bei inadäquater Aufbereitung von Medikamenten zur intraokularen Injektion hingewiesen.


    Aktueller Anlass des PEI-Schreibens seien \"Cluster von Endophthalmitiden\" gewesen, die nach Injektion von Bevacizumab und Ranibizumab jeweils nach Auseinzelung aufgetreten seien, wobei die Aufbereitung nicht nach den Bestimmungen des Arzeimittelgesetzes (AMG) erfolgt sei, berichten die ophthalmologischen Fachgesellschaften

    http://www.ool.de/news/kliniken_…,_psmand,3.html


    Worst case: Infektion nach „off-Label“ use von Avastin.
    Das wird dem Gutachter nicht gefallen....
    das wird möglicherweise teuer für den Arzt...


    Gruß

    Eberhard Rembs

  • Liebe Frau Seiffert-Schuldt,

    bitte entschuldigen Sie meine späte Antwort - ich bin viel unterwegs.
    Herr Rembs hat Ihnen schon den \"Klassiker\" im offlable-use genannt, bei dem die Kassen ein eindeutiges Interesse gezeigt haben (Bewerten will ich das hier gar nicht).
    In höchstrichterlichen Urteilen ist festgelegt worden, dass Versicherte Anspruch auf auch nicht zugelassene Behandlungen zu Lasten der GKV haben, wenn eine lebensbedrohliche Erkrankung besteht. So, wie Sie die Fallkonstellation (seit Jahren Behandlung, die nicht viel Wirkung gezeigt hat) schildern, ist dieses Kriterium eher nicht gegeben.
    Auch wenn ich in den Augen manches Forumsteilnehmers dazu vielleicht den falschen Arbeitgeber gewählt habe: ich habe großes Verständnis dafür, dass Patienten mit dem Erfolg einer Behandlung unzufrieden sind und Ärzte gerne mehr für Ihre Patienten erreichen wollen.
    Das führt dann schnell(?) mal zu einem \"eminenzbasierten\" experimentellen Behandlungsansatz.
    Und der ist schlicht und einfach gefährlich!! Eine Behandlungsmethode muss erst Ihren Wert in kontrollierten Studien bewiesen haben, bis sie weitere Verbreitung finden darf - und sobald die Kostenträger zahlen, findet eine Methode Verbreitung - dafür sorgt schon der Hersteller.
    In verzweifelten Fällen wird das anders gesehen - aber nicht jeder Fall ist (im Sinne der Rechtsprechung) verzweifelt.
    Und vor allem ist nicht jede andere oder neue Behandlungsmethode gut und hilfreich!!

    Viele Grüße

    [f3][c=blue]Dr. Annette Busley[/c][/f3]
    Fachgebietsleiterin Stationäre Versorgung

    [f3][c=blue]MDS[/c][/f3] Medizinischer Dienst des
    Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.
    Telefon: 0201 8327-288
    E-Mail: a.busley@mds-ev.de

  • Liebe Frau Busley,
    wie man Ihren bisherigen Beiträgen entnehmen konnte, waren Sie im \"früheren Leben\" mal Chirurgin.
    Wieviele Operationen haben Sie durchgeführt bzw. hat Ihre Abt. durchgeführt, zu denen es im strengen Sinne auch keine \"Evidence-based\" Aussagen gibt - die aber trotzdem jeder macht??? War das alles schlicht und einfach gefährlich??

    Was würden Sie sagen, wenn es ein Medikament gäbe, das nur in wer.Weiss.wo zugelassen ist, aber bei sagen wir 15 % der Pat. mit Wirbelsäulenbeschwerden (nicht lebensbedrohlich....!) eine erhebliche Verbesserung brächte, aber bei einer 4 Wochen-Kur zB. 5000 EUR kosten würde?

    Alles nicht so schlicht und einfach.

    Viele Grüße
    P. Dietz