Wider das politische Getöse einiger Krankenkassen

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    Ein Drittel aller Operationen nicht medizinisch erklärbar

    Vielleicht sollte man mal die Drittel richtig sortieren, da im Text es dann so beschrieben ist:

    "18,3 Millionen Klinikbehandlungen gebe es in Deutschland pro Jahr, die demografische Entwicklung und der medizinische Fortschritt erklärten aber nur ein Drittel der Zunahme. „Zwei Drittel sind nicht medizinisch erklärbar“, so Deh. "

    Jeder, wie er mag...

  • Guten Morgen,

    gnau das passiert eben: Im Titel heißt es ein Drittel. Im Text sogart zwei Drittel. Nur bei aufmerksamer Lektüre sieht man, dass sich das auf den Zuwachs bezieht.


    Okidoki: EIn Schimpf auf die privaten Ketten finde ich hier insofern Fehl am Platz, als der Fehlanreiz für alle gilt. Da mag die Misswirtschaft in manchem kommunalen oder kirchlichen Haus auch Zwänge erzeugen, die dann nicht mehr nur sachdienlich sind. Außerdem ist es für einen Chirurgen ein nachvollziehbares Verhalten, dass er operieren will. Insofern sollte die hiesiege "Gemeinde" nicht in Sektiererei verfallen, sondern sich um die Eiche scharen, wenn sie angegriffen wird.

    Gruß

    merguet

  • Guten Morgen,

    MiChu: danke für den link.

    Da kommt mir gleich wieder die Galle hoch!

    "...mittlerweile fast jeder vierte Deutsche operiert..." - was soll das heißen? Wird jeder 4. Deutsche einmal pro Jahr operiert oder in seinem ganzen Leben einmal oder sonstwas?

    "...18,3 Millionen Klinikbehandlungen gebe es in Deutschland pro Jahr..." - das mag stimmen, aber ist Klinikbehandlung = Operation? Was ist mit so unbedeutenden Randdisziplinen wie Innere oder Neurologie, wo fast nie operiert wird?

    "...Je stärker Kliniken aufgrund von Überkapazitäten unter wirtschaftlichem Druck stehen..." - natürlich die Überkapazitäten. Liegt es auch an den Überkapazitäten, dass Patienten ewig auf Termine oder OPs warten müssen, dass die Flure mit Betten vollgestellt sind und Intensiv- und Beatmungsplätze fehlen?

    "...„Patienten in Deutschland können sich nicht mehr sicher sein, dass sie ausschließlich aus medizinischen Gründen behandelt werden..." - Das ist der Gipfel! Generalisiert und undifferenziert wird mit Ängsten gespielt. Es sollte vielleicht auch erwähnt werden, dass AOK-Versicherte sich nicht sicher sein können, überhaupt eine adäquate medizinische Versorgung zu erhalten, selbst wenn sie indiziert ist. Die MDK-Schere im Kopf der Kliniker sorgt schon dafür. Und falls die mal nicht funktioniert wird einfach die Leistung hinterher nicht bezahlt - das nächste Mal denkt man dann dran.

    Unbestreitbar gibt es Kliniken und Ärzte, die das System ausnutzen und nicht indizierte OPs durchführen. Trotzdem macht es mich wütend, wie man in so eine kurze Stellungnahme soviel Halb- und Unwahrheit verpacken kann und im Rundumschlag (mal wieder) den ganzen Krankenhausbereich diffamieren kann! Liebe (zahnlose) DKG: vielleicht mal prüfen, ob hier rechtlich vorgegangen werden sollte? Ach nein, Verzeihung. Ich wollte niemanden beim Büroschlaf stören und das schon immer gute Einvernehmen mit den Mächtigen im Gesundheitssystem ist ja auch viel wichtiger...

    Beste Grüße - NV

  • Na bitte,

    der Kleine Interpretationsfehler schafft es auf den Titel der Spiegel-Online Seite, (verweist auf...).

    Dort heißt es:

    Zitat

    Zwei von drei Operationen in Deutschland sind medizinisch nicht notwendig

    AUch hier ist der Fehler im weiteren Text erkennbar, heißt es dort doch analog zur Erstveröffentlichung:

    Zitat

    Allerdings, so Uwe Deh, Vorstand des AOK-Bundesverbands, in einem SPIEGEL-Interview, erklärten die demografische Entwicklung und der Fortschritt der Medizin nur ein Drittel der Zunahme. "Zwei Drittel sind nicht medizinisch erklärbar.

    Pisa lässt grüßen. Der Ruf ist ruiniert.

    Gruß merguet

  • Interessanter Kommentar: hier.
    Selten einen so kurzen und doch recht treffenden Text in der Nicht-Fachpresse gelesen. Wenn man einmal die unlauteren Mittel in den Entgeltverhandlungen und auf Landesebene weglässt (die man für "Laien" nur schwerlich darstellen kann), trifft das die Realität doch recht gut.

    Herzlichen Gruß
    L. Nagel


    edit: schon auf der news-Seite verlinkt, hatte ich übersehen.

    Dr. Lars Nagel
    Leiter Medizincontrolling
    Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg
    [Groß-Umstadt | Seeheim-Jugenheim]

  • Schönen guten Tag allerseits,

    ich habe mal bei der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (https://www.mydrg.de/www.gbe-bund.de) zwei Tabellen erstellt, die diese Diskussion vielleicht relativieren:

    Die erste Tabelle https://www.mydrg.de/www.gbe-bund.de/gbe10/F?F=258D sagt aus, dass zwischen 2002 und 2008 die aufgrund von Dorsopathien (ICD M45-M54) verlorenen Erwerbstätigkeitsjahre um mehr als 25% abgenommen haben. Im Vergleich dazu betrug die Abnahme für alle Diagnosen noch nicht einmal 6%.

    Die zweite Tabelle https://www.mydrg.de/www.gbe-bund.de/gbe10/F?F=269D zeigt (allerdings jetzt für die gesamte Diagnosegruppe M00-M99 Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes) zwischen 2000 und 2008 einen Rückgang der Arbeitsunfähigkeitstage je Fall um 2,5 Tage bei gleichzeigtem Rückgang der Fälle.

    Was ich damit sagen will - ohne hier einen wissenschaftlichen Beweis antreten zu wollen - ist, dass unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten der Anstieg der Operationen ins Verhältnis zu den Arbeitsausfällen gesetzt werden muss. Zumindest lässt sich die These ableiten, dass die Operationen zu einer Verminderung der Arbeitsausfälle der entsprechenden Erkrankung geführt haben.

    Auch wenn diese These hinsichtlich Korrelation und Signifikanz noch bewiesen werden müsste, ist sie zumindest zum jetzigen Zeitpunkt genauso "richtig" oder "falsch" wie die Behauptung, die Operationen seinen "unnötig".

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

    P.S. leider funktionieren die Links nicht ganz so wie erwartet, denn ich hatte die Tabellen etwas modifiziert. Unter den Tabellen befindet sich die Möglichkeit, bestimmte Parameter (z.B. die Jahre) einzustellen.

  • Hallo Herr Schaffert,

    ein interessanter Ansatz, ich hege jedoch den Verdacht - auch ohne den Beweis antreten zu wollen :rolleyes: - dass sich das Begutachtungsverhalten mancher Arbeitsmediziner in den letzten Jahren zu Lasten der Arbeitnehmer negativ verschoben hat. Ebenso könnte Hartz IV eine nicht unerhebliche - für den Staat positive - beeinflussung auf die Arbeitnehmer bewirkt haben.
    Mir fallen da so die früheren "Berentungen" von Bundespostbeamten (80er/90er Jahre) ein... wäre ja heute auch nicht mehr daran zu denken :P
    Heute gibt es eben schon zahlreiche Möglichkeiten Arbeitnehmer für eine Tätigkeit trotz starker Schmerzen zu motivieren.

    Ich versuche dies möglichst neutral zu schreiben, ohne eine Bewertung durch meine Person vorzunehmen 8)

    MfG
    Ductus
    Die Welt ist global, das Denken lokal