Primäre Fehlbelegung durch Tod gem. BSG B3KR4/03R

  • Liebes Forum,

    mir fehlen mal wieder die Worte in Bezug auf den MDK. Ganz streng formaljuristisch ist der unten angegebene Casus zwar möglicherweise richtig, fassungslos bin ich trotzdem.

    Der Fall [Epikrise, Auszug]:
    [der Patient] wurde per Rettungsdienst notarztbegleitet bereits komatös und präfinal zu uns gebracht. Vom Notarzt war bereits am Einsatzort mit der Ehefrau des Patienten aufgrund des präfinalen Zustands bei Eintreffen des Rettungsdienstes und der schweren Grunderkrankung des Patienten ein Verzicht auf weitere invasive Maßnahmen und Reanimation besprochen worden. Direkt nach Umlagern des Patienten von der Rettungsdiensttrage wurde dieser asystol und zeigte weite lichtstarre Pupillen. Es wurde auf eine Reanimationsbehandlung verzichtet. [...]

    Aufenthalt im KH: 22:45 bis 22:47 Uhr


    Gutachten MDK:

    Primäre Fehlbelegung. Der Aufenthalt hätte um 1 Tag verkürzt werden können. Grund: Eine physische und organisatorische Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses ist nach vorliegender Aktenlage nicht gegeben...[unter Bezug auf o.a. BSG-Urteil].

    Erm...ja. Losgelöst von der bizarren Situation den Patienten überhaupt mitgenommen zu haben...wie soll ich - ohne Ausfallend zu werden - darauf reagieren? "tut uns leid, ist zu früh gestorben, als daß wir eine Kurve hätten anlegen können?"...


    Verwirrte Grüße


    Alex

  • Das Thema wurde hier bereits mehrfach erörtert, suchen Sie einmal. Wenn eine stationäre Aufnahme geplant ist und irgendeine Leistung von Ihnen erbracht wurde, kann sie abgerechnet werden.

    Ob bei geplantem

    Zitat

    Verzicht auf weitere invasive Maßnahmen und Reanimation

    über RTW ein Krankenhaus angesteuert werden muss, ist tatsächlich eine andere Frage.

  • Guten Morgen,

    SG Hannover, 28.04.2010, S 19 KR 961/08

    Zitat

    Unabhängig von der festgestellten medizinischen Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung stützt sich der Vergütungsanspruch der Klägerin ergänzend auf § 70 Abs. 2 SGB V. Die Leistungsverweigerung der Beklagten verstößt in eklatanter Weise gegen das Humanitätsgebot. Nach der Vorschrift des § 70 Abs. 2 SGB V haben die Krankenkassen und die Leistungserbringer durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.

    Gruß

    merguet

  • Hallo,
    der "Behandlungsplan" sah doch vor, dass nichts unternommen werden sollte. Welche Leistung hat also das KH erbracht?
    Gruß

    Dr.Gerhard Fischer
    Medizincontroller/Frauenarzt

    • Offizieller Beitrag

    ...Der Aufenthalt hätte um 1 Tag verkürzt werden können.

    Guten Tag

    Der o.g. Satz ist erklärungsbedürftig !

    Ist er in Übereinstimmung mit der ärztlichen Berufsordnung?


    Auch der „Todgeweihte“ hat nach Ansicht der Rechtsprechung Anspruch auf optimale ärztliche Behandlung:

    z. B. Schmerzen eines Todgeweihten, zu deren Linderung der Arzt verpflichtet ist


    Geplant bei Notfallaufnahme eines präfinalen Patienten:

    u.a. Schmerztherapie, Sauerstoff


    Frage 1

    Fehlende Gewissensprüfung beim Gutachter?

    Hat der Gutachter die geforderten nachteiligen Konsequenzen (Zitat: Der Aufenthalt hätte um 1 Tag verkürzt werden können) für den Patienten nicht vorhergesehen, handelt er hier fahrlässig?

    Frage 2

    oder

    kommt auch ein vorsätzliches Verhalten in Betracht ?


    Gruss

    E Rembs

  • Hallo zusammen,
    drei kurze Anmerkungen:

    1. MDK-Gutachten:

    Primäre Fehlbelegung. Der Aufenthalt hätte um 1 Tag verkürzt werden können.

    Das ist natürlich grober Quatsch und passt ja auch inhaltlich schon nicht zusammen. Spricht nicht unbedingt für die Sorgfalt bei der Begutachtung...

    2. Stationärer Aufenthalt?
    Hätten sie eine Reanimation wenn auch nur kurz fortgeführt, eine Schmerztherapie zumindest geplant o.ä. wäre sich die Mehrheit im Forum wohl einig, dass es sich um eine begonnene stationäre Behandlung, bzw. um eine solche Behandlung, die in einem anderen Setting nicht möglich gewesen wäre, gehandelt hätte.
    Man kann argumentieren dass der Patient offenbar in einem anderen Setting nicht hätte versorgt werden können, ergänzend mit §70 Abs. 2 SGB V. Konnte man ja nicht wissen, dass er nicht doch noch ein paar Minuten länger lebt und z.B. eine Schmerztherapie benötigt hätte...
    Aufgrund des doch sehr kurzen Aufenthaltes und des "geplantes Nichtstun"
    und "warten auf den Tod des Patienten" (zugegeben, zugespitzt
    formuliert) würde ich mir allerdings überlegen, wertvolle Zeit nicht in andere MDK-Fälle zu investieren...

    3. Notarzt:
    Es klang hier z.T. Kritik am Notarzt an, warum er den Patienten nicht zuhause hat sterben lassen. Wer das selber schon einmal gemacht hat weiss, wie schwierig die Situation vor Ort manchmal ist. Auch z.B. die emotionale Belastung von Angehörigen, selbst wenn diese eigentlich wie hier aufgrund der Grunderkrankung mit dem Tod rechnen. Insofern bitte ich alle, die nicht sicher aufgrund eigener Erfahrung in solchen Situationen von sich behaupten können, dass sie es "besser" gemacht hätten, von Kritik abzusehen. Immerhin hat dieser Notarzt nicht "das volle Programm gefahren" (ist im Zweifel immer der einfachere Weg) sondern schon durch die Absprachen mit den Angehörigen sehr bewußt und gezielt gehandelt. Und ob es für ihn absehbar war, dass der Tod so schnell eintreten würde, können wir hier ex post sicherlich nicht beurteilen.

    Nur meine Meinungen,
    viele Grüße,
    J.Helling