Ambulante Intensivmedizin

  • Liebes Forum,

    muss eine eintägige intensivmedizinische Behandlung ambulant abgerechnet werden, wenn sie ohne Übernachtung erfolgte?

    Der Fall:

    Pat. kommt mit supraventrikulärer Tachycardie zur Aufnahme, wird auf die Intersivstation aufgenommen und bekommt unter Monitorkontrolle Ajmalin i. v. gespritzt (das muss gem. Fachinfo auch unterm Monitor geschehen). Nach Umspringen in den Sinusrhythmus und einer Überwachungsfrist wird die Pat. noch am gleichen Tag entlassen.

    Das Problem:
    Das Krankenhaus will den Fall stationär abrechnen, die Krankenkasse ambulant, d. h. in diesem Fall \"vorstationär\".

    Für einen stationären Fall spricht:
    1. Herzfrequenz zum Aufnahmezeitpunkt > 140/Min (AEP-Kriterium)
    2. Keine Leistung aus dem Katalog stationsersetzender Maßnahmen (§ 115b)
    3. Entlassung am gleichen Tag war zum Aufnahmezeitpunkt nicht sicher absehbar bzw. geplant.
    4. Einsatz spezifischer Mittel des Krankenhauses, da notwendige Monitorüberwachung in der Praxis eines Niedergelassenen Arztes nicht möglich ist (BSG 4. März 2004 Az B 3 KR 4/03 R)

    Für einen ambulanten Fall spricht:
    1. Pat. hat nicht im Krankenhaus übernachtet.
    2. Pat. wurde wegen ähnlicher Problematik auch schon einmal vorstationär behandelt.
    3. Pat. ist nicht verstorben oder weiterverlegt worden.

    Obwohl alle Argumente beiden Seiten bekannt sind, gelingt es nicht, eine Einigung zu erzielen. Gibt es vergleichbare Fälle? Wie wurden die berechnet? :d_gutefrage:

    Ich bin für jeden Kommentar dankbar.

    Viele Grüße

    H. Bürgstein

  • Hallo Herr Bürgstein,
    im Urteil des Bundessozialgerichtes vom
    4. März 2004 Aktenzeichen B 3 KR 4/03R
    wird die Definition was ein Merkmal einer stationären Behandlung ist, neu definiert.
    \"Eine vollstationäre Behandlung ist: wenn der Patient geplant über Nacht bleibt.\" Das war bei Ihnen nicht der Fall. So sehen es auch die Kassen und der MDK in RLP.
    Urteil und Kommentare hier bei myDRG in einem anderen Thread nachzulesen, find Ihn grad nicht. Urteil und Kommentierungen faxe ich Ihnen gerne zu.
    Nachtrag: Eine Entlassung gegen ärztlichen Rat hätte die vollstaionäre Behandlung begründet, so sehe ich nur die Möglichkeit vorstationär abzurechnen.
    es schneit im Westerwald ganz kräftig

    Kurt Mies

  • Lieber Herr Killmer, lieber Herr Kmies,

    danke für die schnellen Antworten. Sieht so aus, als wenn ich besser nachgebe. Die KGNW interpretiert das Urteil des BSG übrigens etwas anders. Demnach sei die geplante Übernachtung ein hinreichendes Kriterium für die Feststellung einer stationären Behandlung aber kein notwendiges. Daneben erwähnt die KGNW mit Bezug zum Urteil weiterhin auch den Einsatz spezifischer Mitel des Krankenhauses über die die Praxis eines Niedergelassenen nicht verfüge sowie die Tatsache, dass eine Leistung nicht im Katalog der stationsersetzenden Maßnahmen erwähnt werde. Fazit der KGNW:

    Zitat

    Die von einigen Krankenkassen bereits vorgebrachte Auffassung, dass aufgrund dieses Urteils bei fehlender Übernachtung eine stationäre Behandlung grundsätzlich ausgeschlossen sei, deckt sich keinesfalls mit der Intention des BSG. Gleichwohl sollten die Krankenhäuser ... die grundsätzliche Zielrichtung dieses Urteils bedenken.

    Ich gebe aber zu, dass hier ein gerüttet Maß lobbyistischen Wunschdenkens zutage tritt.

    Gruß

    H. Bürgstein

  • Sehr geehrter Herr Bürgstein,

    hat die Kasse den MDK eingeschaltet oder handelt es sich um eine Private Krankenversicherung ?

    Im Übrigen wurden nach dem BSG-Urteil vom März 2004 zur vollstationären Behandlung im April die G-AEPs im Konsens verabschiedet - eine kleine juristische Feinheit nebenbei. Auch steht noch das G-AEP-Kriterium B4 gemäß Ihrer Information zur Verfügung (sofern die ITS-Pflichtigkeit medizinisch nachvollziehbar auch bestand).

    Der Aspekt einer vorstationären Behandlung ist vom Wortlaut her (§115a) nicht deckungsgleich mit der in Ihrem Haus durchgeführten Behandlung.

    So einfach nachzugeben ist m.E. nicht angesagt !

    MfG und einen schönen Feierabend
    Ralf Hammerich

  • Sehr geehrter Herr Bürgstein,

    seit dem BSG- Urteil B 3 KR 4/03 R steht man als Krankenhaus bei Tagesfällen tatsächlich auf dünnem Eis.

    Meiner Ansicht nach lassen sich aber auch bei Tagesfällen noch stationäre Aufnahmen begründen, da das BSG das Kriterim \"Übernachtung\" wohl nicht als Ausschlußkriterium verstanden wissen will, sondern zum Ausdruck bringen will, dass bei Tagesfällen der \"erste Anschein\" für eine nur ambulante Behandlung spricht. Dieser \"Beweis des ersten Anscheins\" dürfte aber nur in Ausnahmefällen und mit sehr guten Argumenten zu wiederlegen sein.

    In dem von Ihnen geschilderten Fall könnte durchaus eine Chance bestehen.

    Wenn sich Kostenträger und MDK solchen Argumenten verschließen, bleit nur der Gang zum SG und der wäre unbestreitbar mit einem erheblichen Risiko verbunden, da niemand derzeit mit Sicherheit sagen kann wie die Rechtsprechung das BSG- Urteil interpretieren wird.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mährmann

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag Herr Mährmann,

    aus Ihrem Profil geht hervor, dass Sie Jurist sind. Genau was uns hier bisher fehlte.....

    Herzlich Willkommen!

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Sehr geehrter Herr Maehrmann, sehr geehrter Herr Hammerich,

    auch Ihnen herzlichen dank für die gehaltvollen Kommentare. Es handelt sich um den Fall eines GKV-versicherten Patienten, der vom MDK begutachtet wurde. Interessanterweise wurde der Fall ins Rollen gebracht, als sich die Pat. weigerte, die Pauschale für die stationäre Behandlung zu bezahlen.

    Die Entscheidung, ob wir das Risiko des Rechtsweges auf uns nehmen wollen, hängt auch davon ab, ob die Pat. zur Klärung der \"Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung\" zu uns kam. Ich bin da eher skeptisch, was unsere Klagefreudigkeit angeht. ?( Wahrscheinlich wäre es für uns alle hilfreich, wenn wir ein paar mehr gerichtlich abgesicherte Entscheidungshilfen hätten - wenn die nur nicht so teuer wären... :a_traurig:

    Gruß

    H. Bürgstein

  • Hallo Forum,

    m.E. bestehen gute Gründe, die Pat. aufzunehmen.
    Es sind gleich mehrere Kriterien aus \"Schwere der Erkrankung\" und \"Intensität der Behandlung\" erfüllt.
    Zumal die erfolgreiche Therapie ja prospektiv nicht abzusehen war. Daß die Injektion von Ajmalin letztlich erfolgreich war, kürzt den Fall ab. Es hätte aber auch ein weit aufwändigerer Verlauf werden können. Wäre dann bei der Kardioversion der nächste Streit entstnanden?

    Bei der Eindeutigkeit (HF >140):defman: und gleichzeitiger Notfallaufnahme sollte man den Fall \"durchziehen\" (wenn ich auch keine Urteile beisteuern kann).

    Gruß

    merguet

  • Guten Tag alle zusammen,

    ich denke, dass nach allen hier aufgeführten Argumenten ein Widerspruch gerechtfertigt sein kann, wenn der \"Beweis des ersten Anscheins\" geführt werden kann. Allerdings verstehe ich unter diesem Kriterium, dass die Aufnahme unter der Annahme erfolgte, dass ein stationärer Aufenhalt mit Übernachtung notwendig sei. Wäre bei dieser Pat. eine Grunderkrankung nicht bekannt oder aufgrund bestehender Erfahrungen eine so schnelle Behebung des zur Aufnahme führenden Problems nicht absehbar gewesen, würde ich den \"Beweis des ersten Anscheins\" als geführt ansehen.

    Nun ist es aber in diesem Fall die Grunderkrankung (WPW-Syndrom) bei Aufnahme bekannt gewesen und es war auch schon einmal eine Behandlung nach einigen Stunden abgeschlossen worden. Deshalb halte ich es für wahrscheinlich, dass das Sozialgericht feststellen wird, dass die Aufnahme aufgrund dieser Vorkenntnisse nur für einige Stunden vorgesehen war und deshalb der \"Beweis des ersten Anscheins\" eben nicht gegeben sei. Sehe ich das richtig?

    Gruß

    H. Bürgstein

  • Sehr geehrter Herr Bürgstein,

    wenn der Patient aufgenommen wurde, weil die begründete Vermutung bestand, dass er zumindest über Nacht bleiben würde, dann besteht auch bei einem Tagesfall kein Problem, da es sich dann um eine abgebrochene Behandlung handeln dürfte, so dass eine stationäre Behandlung gegeben ist.

    Nur wenn der Aufenthalt als Tagesfall geplant war spricht eben der erste Anschein für eine ambulante Behandlung. Diesen Anscheinsbeweis müssten Sie dann wiederlegen.

    Ein Gang zum SG macht sicher nur Sinn, wenn Sie wirklich gute Argumente vorbringen können. Ansonsten ist das Kostenrisiko einfach zu hoch, außerdem dauern die Verfahren unendlich lange. Da kann es schon mehr Sinn machen einen außergerichtlichen Vergleich anzustreben.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mährmann