Hautkrankheit vs. Besiedelung

  • Hallo Forum,

    noch ein Kodier- bzw. Abbildungsproblem möchte ich zur Diskussion stellen. Bei im Vordergrund stehender irritativ-toxischer Kontaktdermatitis (L24.4) war im Areal ein Erreger (Proteus) nachzuweisen; dieser Nachweis hat zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch geführt, nämlich einer antispetischen und antibiotischen Lokaltherapie.

    MDK-Gutachten
    Der Proteus (B96.2) sei nicht als Sekundärcode zur Kontaktdermatitis (L24.4) zu kodieren

    Reaktion des Krankenhauses
    Nun gut, dann müssen wir als Primärcode die zusätzliche Nebendiagnose L08.9 nehmen, weil das betroffene Hautareal offenbar zwei Probleme hat.

    MDK-Widerspruchsgutachten
    Der Erreger war nicht Ursache für eine Erkrankung, sondern einfach nur da. Da keine Erkrankung, keine ND, damit haben wir Ressourcenverbrauch ohne ND. Kodes aus U80 bis U85 treffen im Übrigen nicht zu (unstrittig).

    Hört sich verwickelt an, ist es auch. Hat jemand mit vergleichbaren Konstellationen Erfahrung?

    Grüße von der Ostsee.

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • Hallo Herr Bobrowski,

    hier müßte man mal in die Klinik einsteigen. Auf eine irritativ-toxische Dermatitis kann sich natürlich ein gramnegativer Infekt \"draufsetzen\" im Sinne einer Superinfektion. Dann wären in der Tat zwei eigenständige Krankheitsbilder vorhanden, die auch noch unterschiedlich therapiert werden. Dann dürfte es kein Problem sein, den Erreger neben der L08.8 zu codieren. Hier müßten Ihnen eigentlich die Kollegen aus der Abteilung (war es denn die Dermatologie?) weiterhelfen können.

    Der \"gramnegative Infekt\" (vor allem: Hand- bzw. Fußinfekt) ist in der Dermatologie ein gut bekanntes Krankheitsbild, welcher Fachrichtung gehörte denn der Gutachter an?

    Viel Erfolg,

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • Hm. Einerseits gehört Proteus zur Analflora, andererseits stimme ich Herrn Blaschke natürlich zu, Superinfektionen kann es schon geben.

    Nicht vergessen sollte man noch die DKR D012f. Darin heißt es:

    Alle Ausrufezeichenkodes, die in Tabelle 2 aufgeführt sind, sind bei Vorliegen bestimmter Diagnosen obligat anzugeben. Darüber hinaus können diese Ausrufezeichenkodes bei anderen Situationen angegeben werden, wenn dies aus klinischer Sicht sinnvoll ist.

    Tabelle 2: Mit einem Ausrufezeichen gekennzeichnete Kategorien/Kodes, die bei Vorliegen bestimmter Diagnosen obligatorisch anzugeben sind (nicht optional):
    B95.–! Streptokokken und Staphylokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind
    B96.–! Sonstige Bakterien als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind
    [...]

    Viele Grüße

    Prof. Dr. Tim Pietzcker, MBA
    Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie
    Technische Hochschule Ulm

  • Hallo Herr Bobrowski,
    ich kodiere in solchen Fällen als Nebendiagnose Z22.8 (Keimträger sonstiger Infektionskrankheiten)+ den entsprechenden Keim. Keimbestimmung und lokale Antibiose führten zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch. Die Z.22 ist vielleicht keine elegante Lösung, aber scheint mir hier die einzig mögliche, denn wie Herr Pietzcker schon schreibt, ist die Angabe des Keim-Kodes laut DKR obligat. Und irgendwo müssen Sie ja den Keim \"unterbringen\".
    Mfg findus

    MfG findus

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    man muss hier eigentlich schon differenzieren. Die Angabe ist obligat, aber nur, wenn auch eine Infektion hierdurch vorliegt (\"die bei Vorliegen bestimmter Diagnosen obligatorisch anzugeben sind\"). Deshalb steckt ja auch in den B-Kodes \"als Ursache von Krankheiten\" drin.
    Dass dann aber auch \"Darüber hinaus können diese Ausrufezeichenkodes bei anderen Situationen angegeben werden, wenn dies aus klinischer Sicht sinnvoll ist\" geschrieben steht, ist dann der Knackpunkt: Wer sagt, in welcher Situation es klinisch sinnvoll ist? Und, muss dann trotzdem eine Infektion vorliegen (siehe Text B-Kodes)?

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo,
    nun nehmen wir mal an, es handelt sich nicht um eine Kontaktdermatitis, sondern eine Verbrennung. Man findet einen Keim darauf und therapiert antibiotisch/antiseptisch (womöglich nach Resistenzprüfung...).
    Niemand würde doch hier - obwohl der Keim auch da nicht \"Ursache\" ist und womöglich auch keine \"Erkrankung\", sondern einfach nur da war (quasi Urzeugung http://de.wikipedia.org/wiki/Urzeugung ) - die Kodierung anzweifeln.

    Bei uns sind weder Kontaktdermatitiden noch die Verbrennungen so häufig und schon gar nicht die einfach vorhandenen Proteusen auf diesen Wunden, deshalb fehlt mir da die Groupererfahrung, aber man darf annehmen, dass der Proteus bei Verbrennung keine Erlösrelevanz hat und bei der Dermatitis schon. Hier sind wir wieder beim allgemeinen Problem, dass alles, was eine Rolle spielt, mit abenteuerlichsten Begründungen angezweifelt wird - häufig hingegen Nebendiagnosen, die im Brief stehen (als therapiert), in den Gutachten erwähnt, aber nicht berücksichtigt werden (zuletzt min. 3 solcher Fälle bei uns im Hause). Das sind keine unabhängigen Gutachten.

    Viele Grüße
    P. Dietz

  • Hallo Herr Selter,
    im vorliegenden Fall, mit antibiotisch/antiseptisch Therapie, meine ich schon, dass der Passus: \"Darüber hinaus können diese Ausrufezeichenkodes bei anderen Situationen angegeben werden, wenn dies aus klinischer Sicht sinnvoll ist\" erfüllt ist. Man bringt eigentlich zum Ausdruck, dass eine Hauterkrankung vorliegt und zusätzlich eine Keimbesiedlung, die ja ressourcenrelevant war. Das erscheint mir medizinisch sinnvoll, da ja der MDK meinte: \"Der Proteus (B96.2) sei nicht als Sekundärcode zur Kontaktdermatitis (L24.4) zu kodieren.\" (im Sinne von Ursache für L24.4). Aber für die Behandlung war die Keimbesiedlung m.E. schon relevant.
    Mfg findus

    MfG findus