Unterstützung der KK bei evtl. mangelnder Pflegequalität

  • Guten Tag,

    heute erhielt ich ein Anschreiben einer KK mit der Bitte um Übersendung Entlassberichtes, da die Aufnahmediagnose für den stationären Fall (E86) auf eine mangelnde Pflegequalität eines Heimes hinweisen könnte.

    Begebe ich mich hier auf rechtliches Glatteis?
    Die Übersendung eines Kurzberichtes würde den Sachverhalt wahrscheinlich nicht klären können.
    Darf bzw. sollte der MDK nicht eine solche Situation begutachten?
    Die 6 Wochenfrist läuft noch.

    Gruß

    J.Philipp

  • Hallo Herr Philipp,

    die KK hat keinen Anspruch auf den Entlassungsbericht. Bitte verweisen Sie, wie schon von Ihnen beabsichtigt, an den MDK.

    Mit freundlichen Grüßen

    Lunge - Internist / Pneumologe

  • Hallo Herr Philipp,

    wie Sie schon richtig vermutet haben, ist die Sache nicht ganz unproblematisch und auf der Grundlage der von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen nicht abschließend zu beurteilen.

    Grundsätzlich gilt aber, dass Sie andere als die Daten des § 301-Datensatzes nicht an die KK herausgeben dürfen. Den Entlassungsbericht dürfen Sie also nicht herausgeben.

    Auch eine Begutachtung der Behandlungsakten dürfte hier nicht ganz unproblematisch sein, denn diese ist nur in den gesetzlich geregelten Fällen zulässig. Bei diesen Fällen handelt es sich um die §§ 275, 276 SGB V und § 17c KHG. Eine Prüfungskompetenz des MDK im Fall des Verdachts eines Behandlungsfehlers durch Dritte ist diesen Normen nicht zu entnehmen. Man mag darüber streiten, ob Erkenntnisse des MDK, die dieser bei Gelegenheit der Aktenprüfung erlangt hat, verwertbar sind. Eine gezielte Prüfung der Akte auf Fehler Dritter unter (möglicher) Vorspiegelung einer Prüfung im Rahmen des § 275 SGB V etc. erscheint mir jedoch unzulässig. Sollte die KK gleichwohl den MDK beauftragen, nachdem Sie von den möglichen Gründen Kenntnis erlangt haben, kann es nichts schaden, nach dem konkreten Anlass der Prüfung zu fragen.

    Die KK ist selbstverständlich und zum Glück verpflichtet, dem Verdacht auf mangelhafte Pflegequalität und andere Pflichtverletzungen durch Leistungserbringer nachzugehen. Dies nicht nur aus ökonomischen Erwägungen, sondern auch zur Wahrung der Behandlungsstandards und so im Ergebnis im Interesse der Versicherten. Jedoch erscheint es mir zweckmäßiger wegen der Sachnähe vorrangig das Heim anzugehen und dritte Leistungserbringer nur nachrangig und unter Nennung der einschlägigen Ermächtigung. Schließlich müssen Sie, um sich Ihrerseits vor eigenen Pflichtverletzungen zu schützen, überprüfen können, ob das Begeheren der KK rechtmäßig ist.

    Eine mögliche Vorgehensweise wäre, dass Sie der KK Ihre Bedenken mitteilen und die Übersendung des Arztberichtes verweigern. Dabei würde ich nicht erwähnen, dass eine Übersendung nur an den MDK im Rahmen der §§ 275, 276 SGB V, 17c KHG statthaft ist. Sie müssen der KK schließlich keine Schützenhilfe leisten.

    Mit freundlichen Grüßen
    DRGRecht

  • Hallo,

    je nachdem was die KK geschrieben hat. Wenn die KK auf §294a SGB V verweist -> Ihrerseits Verweis auf das letzte Urteil zu diesem §.

    Wenn einfach pauschal der Bericht angefordert wurde, ohne auf irgendwelche §§ oder Urteile zu verweisen -> Schreiben in die Runde Datenschutzkonforme Ablage geben => Sie sind nicht verpflichtet die KK auf eventuelle \"Rechtsirrtümer\" hin zu weisen. M.E. wissen die betroffenen KKn bzw. Sachbearbeiter ganz genau das ihr Verhalten rechtlich nicht abgedeckt ist, aber wenn es ab und zu mal klappt ist das auch gut.

    Viele Grüße und nicht zu viel gefallen lassen

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

  • Hallo -

    Zitat:

    § 294a
    Mitteilung von Krankheitsursachen und drittverursachten Gesundheitsschäden

    (1)
    Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vor, sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen. Für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, die nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergehen, übermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen den Krankenkassen die erforderlichen Angaben versichertenbezogen.

    (2) Liegen Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 vor, sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, den Krankenkassen die erforderlichen Daten mitzuteilen. Die Versicherten sind über den Grund der Meldung nach Satz 1 und die gemeldeten Daten zu informieren.

    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Hallo,
    gemäss § 116 SGB X (Schadensersatz) hat die KK einen Anspruch.
    Die Rechtsgrundlage für das Auskunftsersuchen müsste aber aus dem Schreiben eindeutig hervorgehen. Die Einwilligung des Betroffenen ist dabei Voraussetzung.
    Und Sie können Kopie-Kosten in Rechnung stellen, was ja bei Rechnungsprüfungen nach SGB V nicht geht.

    Hier das

    Urteil des BGH zur Fallkonstellation

    Liegt eine Einwilligung des Heimbewohners oder seines gesetzlichen Betreuers vor, kann dem Krankenversicherer aus übergegangenem Recht gemäß § 116 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit §§ 401 Abs. 1 analog, 412 BGB ein Anspruch auf Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation gegen Kostenerstattung zustehen.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo allerseits,

    § 294a SGB V ist eine nicht ganz unproblematische Vorschrift. Zwar werden 9 Fälle genannt, in denen eine Meldung an die KK erfolgen soll. Jedoch bleiben die Voraussetzungen dieser Meldepflicht weitgehend im Dunkeln.

    Zunächst ist die Norm ihrer Formulierung nach lediglich auf die sog. aktive Meldung durch den Leistungserbringer ausgelegt. Das KH soll also von sich aus tätig werden. Eine Anfrage der KK auf Grundlage des § 294a SGB V stellt dagegen ein von der Norm nicht vorgesehenes reaktives Vorgehen der KK dar. In weiten Teilen der Literatur wird jedoch davon ausgegangen, dass eine entsprechende Anwendung des § 294a SGB V auf Fälle des reaktiven Vorgehens der KK möglich ist. Man darf also vermuten, dass auch das BSG im Wege der Auslegung der Norm zu demselben Ergebnis käme, würde es in dieser Frage angerufen.

    Problematisch ist das Tatbestandsmerkmal des \"Vorliegens von Anhaltspunkten\". Das LSG Niedersachsen-Bremen hat sich in seiner Entscheidung vom 11.11.2009 (L 1 KR 152/08) damit befasst. Anhaltspunkte bzw. Hinweise sind \"nur dann gegeben, wenn konkrete Tasachen gegeben sind, die einen Verdacht auf eine Leistungszuständigkeit eines anderen sozialen Leistungsträger als die gesetzliche Krankenasse [hier wohl eher Drittschädiger] bzw. eine nennenswerte Wahrscheinlichkeit i.S. eines Anfangsverdachts begründen können. Hinreichend sind solche Tatsachen etwa dann, wenn sie durch eindeutige Befunde oder Berichte gestützt werden\" (so die dort zitierte Literatur).
    Der Begriff des Anfangsverdachts ist im Sozialrecht nicht geregelt und dem Strafprozessrecht zu entnehmen. Er liegt (in für hiesige Zwecke abgewandelter Form) dann vor, wenn es hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Drittschädigung gibt. Wegen der niedrigen Schwelle dieser Verdachtsstufe ist das schon dann der Fall, wenn nach ärztlicher Erfahrung eine Drittschädigung möglich erscheint. Bei offensichtlich unrichtigen, querulatorischen oder auf bloßen Vermutungen basierenden \"Anzeigen\" kann der Anfangsverdacht verneint werden.

    Es stellt sich im Fall des Herrn Philipp die Frage, ob allein die Diagnose E86 im § 301-Datensatz einen Anfangsverdacht begründet. Ich persönlich würde das eher verneinen. Eine Exsikkose kann, muss aber nicht zwangsläufig auf einem Pflegefehler beruhen. Auch die Tatsache, dass sie bei einem Heimbewohner aufgetreten ist, spricht nicht zwingend für einen Pflegefehler. Ich würde noch weitere, über E86 hinausgehende Tatsachen erwarten, die den Verdacht erhärten.

    Der Senat des LSG fordert in seinem Urteil eine konkrete Tatsachengrundlage. Zu welchem Ergebnis man dabei kommt, ist eine Frage der Bewertung der Tatsachen im Einzelfall. Hier gibt es gewiss nicht nur eine Lösung. Jedoch sind bei der Ausfüllung des Merkmals des \"Vorliegens von Tatsachen\" die Besonderheiten des Datenschutzes zu beachten. § 294a SGB V steht in dem Kapitel Datenschutz. Die Norm weicht den strengen Schutz der Sozialdaten zwar auf, beseitigt ihn indes nicht. Die Norm selber regelt den Umfang dieser \"Aufweichung\" nicht, nennt insbesondere keine Obergrenze der zu übermittelnden Sozialdaten, was daran liegen mag, dass eine genaue Regelung für jeden Einzelfall nicht möglich ist. Die systematische Stellung des § 294a SGB V spricht jedoch dafür, dass der Sozialdatenschutz weiterhin von überragender Bedeutung sein soll. Im Ergebnis gelangt man hier zu einer Abwägung des grundrechtlich geschützten Interesses auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten und dem (evt. rein fiskalisch motivierten) Interesses der KK auf Akteneinsicht. Diese Interessenabwägung muss das KH vornehmen, wenn es eine solche Anfrage von der KK bekommt, u.U. muss also das KH die Interessen des Pat. vor unberechtigten Anfragen schützen.

    Seeehr langer Rede kurzer Sinn: Wenn Sie eine Anfrage nach § 294a SGB V (analog) bekommen, sollten Sie prüfen, ob die KK das Vorliegen von Tatsachen, die für eine drittverursachte Gesundheitsschädigung sprechen konkret darlegt. Dabei können Sie sich der abgewandelten Merkmale des strafprozessualen Begriff des Anfangsverdachts bedienen. Bei alldem sind noch die dargestellten wechselseitigen Interessen abzuwägen, wobei mit zunehmender Stärke des Anfangsverdachts das Interesse auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten vermutlich immer weiter zurücktreten wird.

    Mit freundlichen Grüßen
    DRGRecht

  • Guten Tag,

    Danke für diese Exegese des 294, die den Laien kaum zugägnlich ist. :i_respekt: .

    Nach Auskunft unseres Versicherers kommt es in der Praxis darauf an, dass die Fragestellung hinreichend inhaltlich eingegrenzt ist (womit im Sinne des vorrangegangenen Posts vermutlich der Verdacht beschrieben würde) und den Hinweis auf 116 SGB X und / oder 294 SGBV enthält.

    Generelle Anfragen lehnen wir daher ab. Bei Nachfragen bitten wir um Eingrenzung der Fragestellung und die Nennung einer geeigneten Rechtsgrundlage für die Anfrage.

    Die Entbindung von der Schweigepflicht ist hier nur ein Hilfskonstrukt, da ja inzwischen auch entschieden wurde, dass den Kassen nicht mal dann ein Einsichtsrecht ind ie Sozialdaten zusteht, wenn der Patient schriftlich eingewilligt hat (Habe leider das passende Urteil dazu nicht im Kopf).

    Gruß

    merguet

  • Hallo zusammen,

    Zitat

    Original von Philipp:
    ......da die Aufnahmediagnose für den stationären Fall (E86) auf eine mangelnde Pflegequalität eines Heimes hinweisen [f3]könnte[/f3].

    Ich finde schon bemerkenswert, dass die KK möglicherweise aus nur EINER Aufnahme E86 bei all ihren Mitgliedern derart schlussfolgert.......

    Wir hatten in der Vergangenheit in 2 Fällen die KK via MDK \"ganz vorsichtig\" darüber informiert, daß aus den Pflegeheimen in der Tat Patienten eingewiesen wurden, denen beim besten Willen nicht einmal eine minimale Grundversorgung anzusehen war, intern \"Morbus niger\" genannt. Maximale Exsikkose, entzündete Kathetereintrittstellen (PEG-Sonde), Decubiti - und ORSA gab es gratis dazu. Nichts ist passiert! Das Heim für \"anspruchsvolle Pflege\" weist weiterhin ein, bevorzugt abends ab 21 Uhr oder am Wochenende, oftmals mit der telefonisch vom zuständigen Kollegen gestellten Diagnose Pneumonie.......

    Mit freundlichen Grüßen

    Lunge - Internist / Pneumologe