Hallo Forum,
vorab möchte ich mich für die Länge meines nun folgenden Beitrages entschuldigen, aber ich hatte heute eine sehr merkwürdige telefonische Fallbesprechung mit dem MDK...
Folgender Sachverhalt lag zugrunde:
a) Am 04.05. stellt sich eine Patienten nach einem Sturz aufs Gesicht und die Hand in unserer Notfallambulanz vor. Im CCT zeigt sich ein subgaleales Hämatom sowie eine Nasenbeinfraktur, die Röntgenuntersuchung zeigte eine Fraktur eines Mittelhandknochens. Es erfolgt die ambulante Notfallbehandlung. Es bestand keine Amnesie oder Bewusstlosigkeit.
b) Am 05.05. stellt sich die Patienten mit anhaltenden Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Schwindel erneut in unserer Ambulanz vor. Es erfolgt die stationäre Aufnahme. Noch am Aufnahmetag wird ein neurologisches Konsil durchgeführt, welches eine Commotio cerebri beschreibt und den Verdacht äußert, dass der Sturz im Rahmen einer hypertensiven Entgleisung passierte. Während des stationären Aufenthaltes zeigten sich wiederholt hypertensive Blutdruckwerte (RR syst. 160), so dass im Verlauf ein 24h EKG, eine 24h RR-Messung, sowie eine Echokardiographie erfolgte. Die Patientin erhielt Analgetika, sowie natürlich den internistischen Empfehlungen folgend RR-Medikamente (bei der Patientin ist ein Hypertonus schon bekannt gewesen – es bestand daher schon eine Dauermedikation). Im Verlauf zeigte sich zudem, dass die Patientin aufgrund fam. Probleme „überlagert“ war. Des weiteren erfolgte im Verlauf bei beklagten US-Schmerzen ein Thromboseausschluss (mittels Duplex) – ursächlich war jedoch eine Gonarthrose. Insgesamt wurde die Patientin 9d auf der unfallchirurgischen Station behandelt.
Als HD haben wir die S06.0 kodiert. Der MDK hat zweimal in einer „Stellungnahme“ festgehalten, dass die Z04.3 als HD zu kodieren sei. Unser Einspruch bezog sich auf die Hinweise der ICDs aus dem Z-Kapitel, sowie auf die Kodierrichtlinien... Leider ohne Erfolg.
Im heutigen Versuch, den Fall telefonisch mit dem MDK zu klären habe ich folgende Auffassung/Begründung unterbreitet bekommen
- Die S06.0 ist eine Fehldiagnose (wortwörtlich so gesagt), da weder Amnesie, noch Bewusstlosigkeit vorlag. Sollte es zudem eine Commotio gewesen sein, hätten wir am 04.05. einen Behandlungsfehler begangen, weil wir die Patientin nicht direkt stationär aufgenommen haben (also Legitimation für jedwede stationäre Aufnahme bei einer Commotio?!)
- Die Symptome waren nicht objektivierbar (z.B durch eine Pupillendifferenz) so dass es demnach keine Symptome für die Kodierung gibt. Meine Frage, was denn dann Übelkeit/Erbrechen/Kopfschmerzen/Schwindel wären, hieß es: Beschwerden, aber keine Symptome... (ehrlich war, exakt so geäußert...)
Bei einer Symptomkodierung als HD würde lt.dem MDK dann eine primäre Fehlbelegung vorliegen (hhhm, Beurteilung der stationären Behandlungsnotwendigkeit aus der ex-ante Sicht mit retrospektiv festzulegender HD scheint nicht ganz verstanden worden zu sein)
- Laut dem MDK haben wir die Patientin also nur zur Beobachtung aufgenommen, um Schlimmeres auszuschließen – daher der Vorschlag der Z04.3.
Meine Argumente, die jedoch gegen eine Wand liefen waren folgende:
Die Patientin stellt sich mit Symptomen (ich sehe keinen Unterschied zwischen „Symptom“ und „Beschwerde“) vor, so dass grundsätzlich schon mal eine HD aus dem Z-Kapitel ausscheidet. Der Neurologe wertet die Symptome im Rahmen einer Commotio, so dass diese als HD gewählt wurde. Sollte die Diagnose „Commotio“ nur mit einer Amnesie und Bewusstlosigkeit gestellt werden können (wozu ich gerne Ihre Meinungen hören würde), käme alternativ eine Schädelprellung in Betracht, da ja schließlich ein adäquates Trauma (mit Nasenbeinfraktur und MHK-Fraktur) am Vortag vorlag. Selbst wenn man die Diskussion bis zum Äußersten führen möchte, könnte man darüber philosophieren, ob die Symptome nicht auch von den hypertensiven RR-Werten kommen könnten, dann könnte man nach Ressourcenverbrauch die HD wählen. Als allerletzte Möglichkeit könnte man auch das zur Aufnahme führende Symptom als HD kodieren, wenn die Ursache für die Symptome nicht eindeutig geklärt werden kann – aber wie man es dreht und wendet, die Z04.3 scheidet in meinen Augen völlig aus!
Auch meine erneuten Hinweise auf die Kodierrichtlinien und vor allem auch auf die MDK-Kodierempfehlungen zum Thema Commotio ließen den Gutachter unbeeindruckt. Eine dezidierte Stellungnahme schreibt der „Gutachter“ auch nicht mehr, weil er ja schon zweimal was geschrieben hat (allerdings ohne die beeindruckende Gesprächsführung am Telefon).
Meine konkreten Fragen:
Wie schätzen Sie den Fall ein?!
Ist eine Amnesie / Bewusstlosigkeit eine Bedingung zur Kodierung der Commotio?
Ist jemanden schon mal eine ähnliche Diskussion widerfahren, bei der man wirklich denkt, im falschen Film zu sein?!
Freu mich über Ihre Meinungen! GK-Nicole
P.S.
Der Krankenkasse habe ich vorgeschlagen, den Fall über einen zweiten Gutachter bewerten zu lassen.