Lumboischialgie statt Oseochondrose als Haupdiagnose

  • Hallo,

    folgendes Problem taucht bei uns im Haus immer wieder auf: Ein Patient kommt mit Rückenschmerzen, es wird eine Röntgenaufnahme gemacht und eine Osteochondrose festgestellt und die Behandlung erfolgt mittels eines Göttinger Tropfes. Lt. MDK ist nicht die Osteochondrose (M42.16) sondern die Lumboischialgie (M54.4) als Hauptdiagnose zu kodieren. Habt ihr dieses Problem auch, wie wird das im Forum gesehen? Ich wäre für eine Antwort sehr dankbar, da ich diese Fallkonstelation immer wieder habe.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    ist eigentlich ganz einfach.

    Osteochondrose als Erstdiagnose, bei Vorstellung mit Rückenschmerzen:
    DKR D002
    Zuweisung der zugrunde liegenden Krankheit als Hauptdiagnose
    Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist und behandelt wird bzw. während des Krankenhausaufenthaltes diagnostiziert wird, so ist die zugrunde liegende Krankheit als Hauptdiagnose zu kodieren.
    Osteochondrose = HD

    Osteochondose bekannt, Behandlung der Rückenschmerzen:
    DKR D002
    Zuweisung eines Symptoms als Hauptdiagnose
    Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, jedoch nur das Symptom behandelt wird, ist das Symptom als Hauptdiagnose und die zugrunde liegende Krankheit als Nebendiagnose zu kodieren.
    Rückenschmerzen = HD

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo

    und um dies noch einmal zu ergänzen und zu werten. Sie behandeln nicht die Osteochondrose sondern die Lumbalgie bzw. Lumboischalgie mit dem Göttinger Tropf.

    Diese Runde geht an den MDK.

    Gruß

    Dr. F. Schemmann
    FA f. Orthopädie, Chirurgie, O&U

  • Liebe Kollegen,

    warum soll in diesem Fall nicht die 1806g zur Anwendung kommen, schließlich gibt es eine eigene spezielle Codierrichtlinie zum Thema Schmerz. Bei Patienten mit chronischen Schmerzen, die nicht ausschließlich zur Schmerzbehandlung aufgenommen werden, müßte nach dieser DKR entsprechend "In allen anderen Fällen von chronischem Schmerz muss die Erkrankung, die den Schmerz verursacht, als Hauptdiagnose angegeben werden, soweit diese für die stationäre Behandlung verantwortlich war. " die Osteochondrose als Hauptdiagnose verschlüsselt werden.

    Zu beachten wäre der Passus "nicht ausschließlich zur Schmerzbehandlung". Da im geschilderten Fall aber auch eine Diagnostik durchgeführt wurde, wäre für mich die Osteochondrose als Hauptdiagnose zu verschlüsseln.


    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • hallo Tango!

    Ihre ärzte sind wirklich in der lage nach einer einzigen konventionellen Rö-LWS die ursache für die (akuten) rückenschmerzen oder lumboischialgie festzustellen: Osteochondrose ?
    Glückwunsch! Andere können das nicht.
    Wie aber erklären Ihre ärzte nach einigen wochen das verschwinden der schmerzen trotz persistenz der röntgenologischen veränderungen?
    Mit ihrer therapie, dem Göttinger tropf?

    Meiner erfahrung nach wurden diese Rö-LWS gemacht, seil man sich nicht blamieren wollte, weil man nicht knochenfraß (maligne oder motten) mit analgetika und/ oder cortison behandeln wollte.

    Und was mich am meisten an der diagnostik Ihrer ärzte verblüfft: warum osteochondrose M42.16 und nicht Spondylose M47.86/ Spondylopathie oder der DD angemessen am besten M54.5?

    mfg ET.gkv

  • Hallo,liebes Forum,
    ich hänge meinen Fall hier mal dran, weil Herr Selter kurz zuvor die Kodierrichtlinie anspricht, um die es mir geht:
    In unserem Fall wird bei einer Patientin ein neurogener Spitzfuß operiert, der zurückgeht auf eine infantile Zerebralparese. Kodiert habe ich den Spitzfuß als HD, mit der G80.9 (Infant. Cerebralparese) als ND. Diese Diagnose soll gestrichen werden (warum wohl??) mit dem Argument, dass das Pat.management nicht beeinflusst wurde. Ich zitierte oben angeführte Kodierrichtlinie D002, woraufhin der MDK argumentiert, diese greife nicht, sondern die DKR D003L (also erhöhter Aufwand therapeutisch, diagn. etc.). Explizit geht der erhöhte Aufwand aus den Unterlagen nicht hervor- müsste er das?
    Ratlose Grüße Elodie

  • Hallo Elodie,

    Ihre Argumentation ist interessant.

    Mal "by the way": ein erhöhter Aufwand wird zur Kodierbarkeit von Nebendiagnosen immer wieder gefordert, ist aber laut DKR D003 nicht erforderlich. Erforderlich ist lediglich die Beeinflussung des Patientenmanagements. Das kann sogar mal mit einem geringeren Aufwand verbunden sein. Z.B. kann auf die Anwendung von Kontrastmittel bei einer Röntgenuntersuchung aufgrund einer Niereninsuffizienz verzichtet werden (weniger Aufwand) und damit die Niereninsuffizienz kodierbar sein.

    In Ihrem Fall ist die zugrundeliegende kodiersystematische Frage aber eine andere. Zur Kodierbarkeit einer Nebendiagnose ist eine Beeinflussung des Patientenmanagements nicht in jedem Fall erforderlich (DKR D003). Die von Ihnen in Bezug genommene Kodierregel DKR D002 (Zuweisung eines Symptoms als Hauptdiagnose - Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, jedoch nur das Symptom behandelt wird, ist das Symptom als Hauptdiagnose und die zugrunde liegende Krankheit als Nebendiagnose zu kodieren) reicht aus, um in derartigen Fällen die zugrunde liegende Erkrankung ohne Beeinflussung des Patientenmanagements als Nebendiagnose zu kodieren. Die Kriterien der Nebendiagnosendefinition (gemäß DKR D003) gelten hier nicht

    Es stellt sich nur die Frage, ob der neurogene Spitzfuß lediglich ein Symptom oder ein eigenständiges Krankheitsbild ist.

    Viele Grüße

    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (29. Juli 2015 um 20:24)

  • Hallo Medman2,
    Ihre letzte Frage hat der MDK überhaupt nicht angesprochen, aber so wie die Dinge liegen, ist hier von einem Zusammenhang auszugehen.
    Es wäre jetzt noch interessant, warum Ihrer Meinung nach die Nebendiagnosendefinition nicht zur Anwendung kommt. Das muss ich ja in einer erneuten Stellungnahme darlegen. Ansonsten denke ich wirklich darüber nach, dass unser Haus den Fall einklagt. Viele Grüße Elodie

  • Hallo Medman2,
    ...
    Es wäre jetzt noch interessant, warum Ihrer Meinung nach die Nebendiagnosendefinition nicht zur Anwendung kommt. ...

    Hallo Elodie,

    inhaltlich beschreibt die Kodierrichtlinie genau den Fall, dass keine Beeinflussung des Patientenmanagements erfolgte ("... die zugrunde liegende Krankheit zum
    Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, jedoch nur das Symptom behandelt wird ...") und sagt, dass die zugrunde liegende Erkrankung als Nebendiagnose zu kodieren ist, ohne dass dafür weitere Voraussetzungen genannt werden.

    Formal finden Sie in den DKR an verschiedenen Stellen Formulierungen wie "Die Kriterien der Nebendiagnosendefinition (siehe DKR D003 Nebendiagnosen (Seite 9)) sind zu beachten.", z.B. bei "Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen als Nebendiagnose". An der von Ihnen in Bezug genommenen Stelle der DKR D002 findet sich dies nicht. Deshalb sind im Rahmen der Kodierung der zugrunde liegenden Krankheit als Nebendiagnose bei Kodierung eines Symptoms als Hauptdiagnose (DKR D002) die Kriterien der Nebendiagnosendefinition gemäß DKR D003 nicht zu erfüllen. Inhaltlich wäre eine entsprechende Formulierung an dieser Stelle ganz besonders zu fordern, wenn denn die weiteren Kriterien der Nebendiagnosendefinition erfüllt sein müssten.

    Meine letzte Frage wird der MDK im gerichtlichen Streitfall mit hoher Wahrscheinlichkeit ansprechen.

    Viele Grüße

    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (30. Juli 2015 um 13:13)