Wer darf kodieren, freigeben und korrigieren?

  • Hallo und guten Morgen,

    wer haftet für fehlerhafte Kodierung?

    Bsp.: Kodierfachkraft kodiert und vidiert die Fälle alleine, ohne das ein Arzt dies überprüft.
    MDK Gutachten werden auch von der Kodierfachkraft alleine bearbeitet, d.h.
    Gutachten geschrieben und Niederschlagungen der Contra Gutachten werden selbstständig von der Kodierfachkraft übernommen.
    Ohne das ein Arzt "drüberschaut"

    Wenn angenommen die Kodierung mangelhaft ist und dadurch der Erlös deutlich gesenkt wird,
    die Niederschlagungen doch keine waren.....

    Wer muss dafür "gerade stehen"
    Wer kommt für den entstandene Schaden auf??????

    Grüßle

  • Moin.

    enomis:

    "Fehler" passieren. Immer wieder und überall.

    Sie können nicht alle "Fehlerquellen" ausschließen. Auch ein kodierender Arzt wird das nicht können. Auch mein Chef (Chirurg) macht "Fehler" bei der Kodierung; wenn ich so etwas feststelle, sag ich ihm das und diskutiere es auch aus, wenn wir unterschiedlicher Ansicht bei der Kodierung sind. Ich glaube auch nicht, dass jemand wie z.B. Herr Selter oder Herr Bartkowski oder oder oder.... sich selbst als völlig "Fehlerfrei" bei der Kodierung ansehen, denn dazu gibt es in den DKR zu viele "Fehlerquellen" (wobei das oftmals auch eher unterschiedliche Ansichten sind, wie man einen Sachverhalt korrekt kodiert).

    "[...]Wenn angenommen die Kodierung mangelhaft ist und dadurch der Erlös deutlich gesenkt wird,
    die Niederschlagungen doch keine waren.....[...]
    Wenn das der Fall ist sollte eher geschaut werden ob Schulungsbedarf besteht, denn wenn der Erlös schon deutlich gesenkt wird aufgrund von Fehlerhafter Kodierung, dann scheint irgendwas nicht zu passen mit der Ausbildung.

    "[...]Wer muss dafür "gerade stehen"
    Wer kommt für den entstandene Schaden auf[...]"

    Gegenfrage: Bekommen Sie einen Bonus, wenn Sie (lege artis) richtig viel Geld rausholen? Nein? Dann wissen Sie wer für den Schaden aufkommt, sofern Sie nach bestem Wissen und Gewissen kodieren. (Bis auf den Anschiß, den bekämen Sie. Wäre aber meiner Ansicht nach sehr schlechter Stil.)

    Wenn Sie natürlich nachweisbar vorsätzlich Fehler machen sieht es ganz anders aus.

    Genau so bei den MDK Anfragen. (By the way: Eine Kodierfachkraft die ein "Gutachten" schreibt? Ich verfasse maximal Widersprüche zu ärztlichen Gutachten, die ich mit Hilfe der DKR zerlege.)

    Also: Wenn Sie von der Geschäftsführung beauftragt wurden diesen Job zu übernehmen, dann gehe ich davon aus, dass diese sich über Ihre Fähigkeiten und Kenntnisse ein Bild verschafft haben. Und wenn Sie dann nach bestem Wissen und Gewissen kodieren bzw. arbeiten, kann Ihnen keiner was wollen. Dazu gehört auch, dass Sie ihre eigenen Grenzen kennen, und die Dinge abgeben, mit denen Sie nicht klar kommen.
    (Ich würde z.B. in meiner jetzigen Position niemals Haftpflichtfälle oder Gerichtsfälle bearbeiten; dafür wurde ich nicht eingestellt und auch meine Verantwortungszulage ist dafür nicht hoch genug :P ).

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

  • Hallo zusammen,

    kann Papiertiger nur zustimmen. Bei uns ist es seit 2004 so, dass der Stationsarzt die Aufnahme- und Fachabteilungsdiagnosen eingibt, die Fachabteilung vidiert und uns dann die Akten überlässt. Weil wir durch die Visiten die Patienten kennen, bei unklaren Konstellationen in der Regel rückfragen, ist das kein Problem. Die Ärzte sind froh, von diesen Arbeiten entlastet zu sein und arbeiten meistens unkompliziert zu. Wenn eine Frage so nicht lösbar ist, gibt es auch noch das MC des Hauses. Stellungnahmen schreiben bei uns Ärzte bzw. das MC. Eindeutige Anfragen des MDK und Anforderungen von Unterlagen bearbeiten wir selbst. Diese Arbeitsteilung hat sich über die Jahre bewährt. Es kommt immer drauf an, wie die Struktur einer Klinik ist. Hier gibt es auch Abteilungen, die das anders gestalten.

    Schönen Tag noch

    Anne 8)

  • Hallo und guten Morgen,

    das Sächsische Landesarbeitsgericht hat am 01. Dezember 2010 in zweiter Instanz einer Klinik Recht gegeben, die einen leitenden Arzt der Abteilung Unfallchirurgie gekündigt hatte (Az.: 2 Sa 56/10).

    Nachdem der Cheafarzt eine OPS-Kodierung vergessen hatte, machte ihn das Medizincontrolling per E-Mail darauf aufmerksam und erinnerte ihn daran, dass die Abrechnung nicht abgeschlossen werden könne. Dass der Cheafrzt dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist, sah das Gericht als schuldhaft an.

    Das zweite schuldhafte Verhalten war nach Ansicht des Gerichts das Fehlen von Anamnesedaten und zur genauen Indikation eines operierten Patienten, was im Rahmen einer späteren MDK-Beanstandung dazu geführt hatte, dass die zwei Aufenthalte mit den daraus sich ergebenden Erlöseinbußen zusammengeführt wurden.

    Die "Kontrollinstanz" des Medizincontrollings liess das Gericht nicht gelten: "Auch wenn dies die Aufgabe des Medizincontrollings sein sollte oder es sich um eine wünschenswerte Aufgabe dieses Controllings handelte, vermag keine Kontrolle die gemäß § 613 Satz 1 BGB in Person des Arbeitnehmers zu leistende Dienstpflicht zu ersetzen."

    Schliesslich war es nach einer vergessenen Kodierung nachts nach einer Not-Op zum Aussprechen der Kündigung nach diesen beiden vorangegangenen Abmahnungen gekommen.

    Die erstinstanzliche Entscheidung (2 Ca 2182/09 ArbG Bautzen) hatte berücksichtigt, dass nicht nicht vorsätzlich gehandelt worden sei und zugunsten des Chefarztes entschieden.

    Diese (sicherlich sehr krasse) Einzelfallentscheidung wurde vom Ärzteblatt (Dtsch Arztebl 2011; 108(30):127) kommentiert mit den Worten: "Es ist im Ergebnis empfehlenswert, vertraglich zu regeln, dass der Arzt eine Rückmeldung durch das Controlling oder eine andere eingerichtete Stelle erhält, um eventuelle Fehler korrigieren zu können."

    Grüße

    Olanza

  • Diese (sicherlich sehr krasse) Einzelfallentscheidung wurde vom Ärzteblatt (Dtsch Arztebl 2011; 108(30):127) kommentiert mit den Worten: "Es ist im Ergebnis empfehlenswert, vertraglich zu regeln, dass der Arzt eine Rückmeldung durch das Controlling oder eine andere eingerichtete Stelle erhält, um eventuelle Fehler korrigieren zu können."


    Wenn man Leute rausschmeissen will, wird man dazu Mittel und Wege finden. Im vorliegenden Fall klingt das danach, aber aufgrund solcher personalpolitischen Häßlichkeiten und Einzelfälle kann man keine Workflows aufbauen.

    Zitat

    Kodierer dürfen keine Diagnosen stellen.


    Einspruch, Euer Ehren:
    In bestimmten Fällen (das asbach-uralte Beispiel mit der Kalinor-Brause und der Hypokaliämie :sleeping: ) sollten sie das gemäß DKR auch bitte tun. Da fällt mir auch noch ein bunter Strauss weiterer Beispiele ein, die nach medizinischer Sicht nicht offensichtlich, aber nach DKR korrekt sind.

    Sie können also sehr weitgehend delegieren, ein Arzt sollte dennoch in der Validierungskette drin sein und zumindest im Validierungsworkflow des IT-Systems den Fall (per Historie nachvollziehbar) abgesegnet haben, alleine schon, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Lerneffekte auch ankommen.
    Wer einen solchen Workflow nicht hat, dem (oder dessen Geschäftsführung) ist auch nicht mehr zu helfen.

    Sinnvollerweise sollte diese Person dann auch etwaige MDK-Kürzungen abzeichnen oder zumindest Rückmeldung erhalten. Das hilft.

    es grüßt,
    der Kolibri

  • Hallo Olanza und Kolibri,

    betreffs des Gerichtsurteils muss aber auch gesagt werden, dass der betreffende Arzt auch nach mehrfachen bitten des Kodierers (die Patientin war inzwischen seit über drei Wochen verstorben, die OP über vier Wochen her) und dann erfolgter "Ermahnung" durch den Medizincontroller immer noch keine Prozeduren im OP-Programm eingegeben hatte und ein OP-Bericht ebenfalls nicht geschrieben war. Aus dem Nichts kann auch der beste Kodierer bestenfalls Nichts machen.

    Aber das ist sicher nur ein Teil einer "gewissen Strategie" gewesen.

    MfG findus

    MfG findus

    Einmal editiert, zuletzt von Findus (27. Juni 2012 um 14:26)

  • Vielen Dank für die Antworten

    papiertiger:

    ich kodiere seit 7 Jahren und weiche nicht vom 4 Augen - Prinzip ab.

    Bei der MDK Bearbeitung halte ich es so wie du/SIe .

    Ich bin über ein Stellenangebot gestolpert, und wundere mich nur, das die von mir genannten Punkte von einer Kodierfachkraft bei einem Gehalt von TVÖD 6 verlangt werden.

    Im Stellenangebot stand:

    Kodieren und zur Fraktura freigeben

    Eigenständige Bearbeitung der kompletten MDK Sachbearbeitung.

    Ich hatte mich telefonisch mit der Klinik in Verbindung gesetzt und nachgefragt,

    mann/Frau höre und staune, diese Klinik möchte diese Tätigkeit in die Hand einer Kodierfachkraft legen.

    Gewagt, gewagt, aber nicht mein Problem..... :rolleyes:

    schönen Fußballabend

    Grüßle

  • Hallo, Enomis,

    mir ist nicht klar, was daran so gewagt sein soll.
    Die Klinikleitung muss sich davon überzeugen, dass die betreffende Kodierkraft befähigt ist, die Kodierung selbstständig, vollständig und richtig durchzuführen, dann kann sie diese natürlich auch abschließen. Die Letzt-Verantwortung für die korrekte Rechungsstellung trägt ja auch die Klinikleitung und nicht der Arzt. Entscheidend ist, dass die Kodierrichtlinie D001 eingehalten wird, in der steht, dass der ARZT für die AUFLISTUNG (da steht nicht Kodierung) der Diagnosen und Prozeduren verantwortlich ist.

    Ergo: Selbstverständlich kann eine dafür geeignete und ausgebildete Kodierkraft eigenständig kodieren und zur Faktura freigeben, ohne dass ein Arzt in diesen Prozess eingebunden ist, wenn alle kodierten Diagnosen und Prozeduren der Dokumentation zu entnehmen und nachvollziehbar sind. Und hier spielt aus meiner Sicht die Musik. Super-Kodierkräfte neigen gelegentlich zur sicher gutgemeinten, aber manchmal falschen Interpretation, wenn die Akte oder der Op-Bericht nicht eindeutig sind. Hier ist die ärztliche Kontrolle gefragt. Ob das aber nun der kodierunkundige behandelnde Stationsarzt oder der ärztliche Medizincontroller besser können, muss man sicher von Fall zu Fall entscheiden.

    Bei uns wird der überwiegende Teil der Fälle anhand der vollständigen Patientenakte von Kodierkräften in der Kodierung ergänzt und freigegeben -die Stellenanzeige hätte auch von uns sein können - , ohne dass ein Arzt die Kodes abschließend geprüft hätte. Ohne Epikrise und vollständige Befunde geht jedoch bei uns nichts - siehe Kodierrichtlinien.

    Die selbständige Bearbeitung von MDK-Anfragen sehen wir differenzierter. Hier greift die Kodierkraft ggf. in den Behandlungsprozess ein, wenn sie z.B. selbständig über die Kürzung von Belegungstagen gemäß MDK-Gutachten entscheiden soll. Hier kommen bei uns IMMER die behandelnden Ärzte ins Spiel und sie allein entscheiden anhand Ihrer Kenntnis des Behandlungsverlaufes, ob dem Begehren der Kostenträger nachgegeben wird. Das Medizincontrolling entscheidet selbständig hier nur über Kodierfragen, wenn sie ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt geklärt werden können.

    Grüße
    AnMa

  • Die Klinikleitung muss sich davon überzeugen, dass die betreffende Kodierkraft befähigt ist, die Kodierung selbstständig, vollständig und richtig durchzuführen, dann kann sie diese natürlich auch abschließen.


    Ergo: Selbstverständlich kann eine dafür geeignete und ausgebildete Kodierkraft eigenständig kodieren und zur Faktura freigeben, ohne dass ein Arzt in diesen Prozess eingebunden ist, wenn alle kodierten Diagnosen und Prozeduren der Dokumentation zu entnehmen und nachvollziehbar sind.


    Guten Morgen "AnMa",

    1.) zeigen Sie uns doch einmal detailliert auf, wie sich Ihre Klinikleitung von der "Befähigung" der Kodierkraft überzeugt?

    2.) Meines Erachtens zäumen Sie das Pferd von hinten auf; die Kodierkraft muss - wenn sie eigenständig kodiert und freigibt - vom Wissensstand in der Lage sein ( und sich diese Frage auch selber stellen) , alle Diagnosen und Prozeduren aus der gesamten Krankenakte (inkl OP-Berichte) herauszulesen, um eine vollständige Kodierung garantieren zu können.

    Einen angemmessener Wissensstand kann - zusätzlich zur Ausbildung - erreicht werden durch z.B. Dienstaufssicht, reg. Fort- und Weiterbildung, Berufserfsahrung, Fachzeitschriften , Foren...

    Kommen wir zu einem Beispiel:

    Ausgebildete MDA-Kraft kommt direkt von der Schule , keine med. Vorkenntnisse ( keine Examen in einem Gesundheitsberuf) , keine Berufserfahrung in der Kodierung, soll eine Fachabteilung kodieren und freigeben ( und jetzt sagen Sie bitte nicht, diese Vorgehensweise ist reine Theorie..)

    Auch die Kodierkraft hat die Grenzen ihrer Fähigkeiten zu erkennen und diese bei der Ausführung der ihr übertragenen Aufgaben zu berücksichtigen; tut sie das nicht und es kommmt zu einem Schaden, kann ich mir vorstellen , dass die Kodierkraft in Regress genommen werden kann.


    Die DKR setzen nicht unser Zivil - und Strafrecht außer Kraft.
    Gruß

    B. Schrader

  • Sehr geehrter Herr Schrader,

    gerne gehe ich auf Ihre Frage ein.

    zu 1. Die Klinikleitung beauftragt mich als Ärztl. MedController zu prüfen, ob die Kodierkraft das Anforderungsprofil erfüllt. Üblicherweise ist dies ein Prozess mit Probekodierungen, Fallbeispielen etc., in dem ich alles kontrolliere und an dessen Ende ich entscheide, ob die Voraussetzungen gegeben sind.

    zu 2. Auch das prüfe ich in einem Prozess, klinische Erfahrung ist m.E. eine unabdingbare Voraussetzung. Daher bevorzugen wir Mitarbeiter, die klinisch tätig waren, z.B. Pflegekräfte mit Kodierausbildung und deshalb sind MDA´s unmittelbar nach der Ausbildung aus meiner Erfahrung eben gerade nicht dazu befähigt, Fälle komplett selbständig zu bearbeiten. Wenn sie Interesse für Klinische Zusammenhänge mitbringen und sich diese aneignen, dann müssen sie trotzdem weiter ausgebildet werden, zumal die Berufsschulen - auch das nach meiner bisherigen regionalen Erfahrung - nur dürftige Kenntnisse zum DRG-System in der MDA-Ausbildung vermitteln.

    Beste Grüße
    AnMa