Neues vom BSG / LSG

  • Hallo Medman2,
    bevor ich Sie jetzt mit langen Ausführungen überschütte, überlasse ich dies aus Zeitgründen doch einfach Wikipedia... ;) Zusammenfassend: Eine Norm ist grds. immer auslegungsfähig, da es sich immer um abstrakte Regelungen handelt; bei den Auslegungsmethoden gibt es keine feste Rangfolge, üblicherweise beginnt man aber mit dem Wortlaut; die Grenzen der Auslegung werden im Bereich der Rechtssetzung durch die Gerichte tangiert, da die wesentlichen Entscheidungen dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben müssen.
    Beste Grüße, RA Berbuir

  • in dem Zusammenhang mal ein Zitat aus einer aktuellen Entscheidung des BVerfG vom 23.05.2016 (1 BvR 2230/15):

    "Richterliche Rechtsfortbildung überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft."

    noch Fragen? :huh::thumbup:

  • Moin,

    das entspricht ja sicher dem Empfinden der meisten hier im Forum. Und wie kann man da jetzt praktisch für das BSG etwas draus ableiten? Ich habe das bisher immer so verstanden, dass das BSG sich rechtsmechanisch so geschickt verhält, dass eine Überprüfung durch das BVG faktisch chancenlos ist. Gibt einem das einen neuen Hebel?

    Gruß

    merguet

  • Ach, und noch eine Frage dazu,
    bezog sich denn das BVG Urteil auf eine sozialrechtliche Entscheidung?

    Gruß

    merguet

  • Hallo merguet,
    wie ich gestern auf einer KGNW-Veranstaltung erfahren habe, werden wohl mindestens zwei der Verfahren über die am 25.10. entscheiden wurde mit der Verfassungsbeschwerde weiterverfolgt, wir werden also sehen, ob man hier eine Korrektur erreichen kann. Die zitierte BVerfG-Entscheidung bezog sich auf einen versicherungsrechtlichen Fall des BGH, die Aussagen sind allerdings grundsätzliche auf alle Rechtszweige übertragbar.
    Schönes WE!
    RA Berbuir

  • Die Verfassungsbeschwerde bzgl. der Mindestmengen bei Perinatalzentren wurde vom BVerfG aus letztlich formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Trostpflaster ist evtl dieses Fazit "Nach allem ist eine Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Argumenten der Beschwerdeführer, vor allem mit den durchaus gewichtigen Zweifeln an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses als Institution nicht veranlasst." Mal sehen, ob das in einem anderen Verfahren nochmal geklärt wird...

  • Guten Tag,
    ich bin ja nur Internist; aber ich finde es sind schwere Geschütze die das BSG jetzt im Urteil vom 25.10.2016 (B 1 KR 6/16 R) gegen das LSG auffährt:

    Dem vorbefassten Spruchkörper des LSG sind nicht nur lediglich Rechtsfehler unterlaufen, die den erkennenden Senat zur Zurückverweisung der Sache zwingen. Der in dessen Entscheidung liegende gezielte Versuch, die dem LSG-Spruchkörper bekannte höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Anforderungen des Nachweises von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit (vgl zB - vom LSG selbst zitiert - BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, dort mit Hinweis auf den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 25.9.2007 - GS 1/06 = BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10) ohne Revisionszulassung zu unterlaufen, lässt befürchten, dass es dem Vordergericht schwerfallen wird, sich die rechtliche Beurteilung, die zur Aufhebung des LSG-Urteils führt, voll zu eigen zu machen. Würde man hingegen dem LSG-Spruchkörper unterstellen, ihm seien bei seiner Entscheidungsfindung die oben aufgezeigten Rechtssätze im Beschluss des Großen Senats des BSG trotz deren zentraler Bedeutung für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser und ihrer Wiedergabe im von ihm zitierten BSG-Urteil des erkennenden Senats nicht präsent gewesen, fehlte es ihm an der notwendigen Sachkompetenz

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Guten Morgen,
    am 13.12.2016 spricht der 1. Senat mal wieder Recht. Eine interessante Auslegung des LSG Baden-Württemberg dürfte dabei behandelt werden, die nach meiner Kenntnis bisher so vom BSG noch nicht bestätigt wurde:
    Für die Zukunft habe die Klägerin zwar keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine ambulante IVIG. Sie könne IVIG aber als teilstationäre Krankenhausbehandlung beanspruchen. Die Behandlungsmethode biete das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative§ 137c Abs 3 SGB V).

    Seit wann ist (teil)stationäre Versorgung als Ersatz für eine ambulant nicht gerechtfertigte Therapie zulässig?

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Horndasch,

    mangels eigener Betroffenheit habe ich wenig Sinn, mich in die Problematik der "PSV" einzulesen.

    Das zugrunde liegende Urteil muss aber fast so hanebüchen gewesen sein, als wenn jemand behauptet, Abrechnungsprüfung habe nichts mit der Pflicht, bei Auffälligkeiten zur Prüfung der Abrechnung den MDK einschalten zu müssen, zu tun und sei auch keine Auffälligkeitsprüfung.

    Viele Grüße

    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (10. Dezember 2016 um 10:24)

  • Guten Tag,
    hier ein paar Gedanken des BSG aus dem Terminbericht zur gestrigen Sitzung:
    Ein Anspruch der Klägerin auf IVIG besteht schließlich auch nicht im Rahmen einer teilstationären Krankenhausbehandlung. Für die Arzneimittelversorgung gelten im Krankenhaus grundsätzlich keine von der vertragsärztlichen Versorgung abweichenden Maßstäbe. Im Übrigen ist teilstationäre Behandlung gegenüber der ambulanten Versorgung nachrangig. Die Infusionsbehandlung mit Immunglobulinen erfolgte bei der Klägerin vertragsärztlich in der Institutsambulanz, stationäre Behandlung war nicht erforderlich.

    Die Beklagte lehnte es zu Recht ab, den "austherapierten" Versicherten, den verstorbenen Ehemann der Klägerin, mit dem Fertigarzneimittel Avastin zur Behandlung seines rezidivierenden Glioblastoms, einer regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit, zu versorgen. Der Versicherte konnte dies mangels indikationsgerechter Zulassung weder nach allgemeinen Grundsätzen noch wegen fehlender Studien der Phase III nach denen des Off-Lable-Use beanspruchen. Ein Anspruch nach Maßgabe der gesetzlich geregelten grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts (§ 2 Abs 1a SGB V) scheitert an der Unvereinbarkeit mit Wertungen des Arzneimittelrechts.
    ....
    Solche institutionellen Sicherungen dürfen nicht durch eine vermeintlich großzügige richterrechtliche Zuerkennung von Ansprüchen systematisch unterlaufen werden, um für die betroffenen Versicherten inakzeptable unkalkulierbare Risiken von Gesundheitsschäden zu vermeiden.


    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch