Neues vom BSG / LSG

  • Hallo Bernd F., es geht aber diesmal nicht um fiktiv wirtschaftliches Alternativverhalten sondern um eine "banale" Beurlaubung, die die Vertragsparteien ja auch so in die FPV aufgenommen haben. Der Ausgang des Verfahrens ist aber auf jeden Fall spannend und richtungsweisend...

    Korrekt.

    Dies wird von allen Beteiligten vor dem Hintergrund der unsäglichen Rechtsprechung zum "fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten" (fwA) gerne vergessen.

    Die Regelungen zur Beurlaubung in § 1 Abs. 7 FPV finden sich unverändert seit 2006 in der FPV und stellen somit eine vertragliche Grundlage nach § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG dar.

    (Wäre dem nicht so dürfte es in der Praxis lediglich die FZF aufgrund von Komplikationen geben, da nur diese im KHEntgG explizit benannt ist.)

    Wenn der Gesetzgeber "Rechtssicherheit" wollte, hat er in meinen Augen schlecht gearbeitet:

    Auch in den amtlichen Begründungen wird immer nur darauf abgestellt, das eine FZF aus rein wirtschaftlichen Gründen unterbleiben soll - von "Beurlaubung" steht nirgends etwas (oder ich habe es übersehen). Im Gesetztestext steht auch nicht, dass eine FZF bei Beurlaubung unterbleiben soll. Hier fehlte entweder die Sachkenntnis oder es wurde schlampig gearbeitet.

    Spannend wird sein, ob und wie Herr Prof. Dr. Schlegl die Rechtsprechung seines Vorgängers einfängt - bisher hat Herr Schlegl sich meines Erachtens nur in Schadensbegrenzung geübt ("10-Tages-Frist"), die Feststellungen seines Vorgängers dahingehend, wie "Beurlaubung" iS des § 1 Abs. 7 FPV zu verstehen sei jedoch nicht angegriffen.

    fwA = seit 01.01.2019 anerkannt vom Tisch

    § 1 abs. 7 FPV = immer noch gültig?


    [Absatz zur "Rechtssicherheit" nachträglich eingefügt]

    Einmal editiert, zuletzt von J. Da Silva (8. Mai 2023 um 08:15)

  • Hallo J. Da Silva,

    besten Dank für Ihren Hinweis auf die FPV:

    • "Eine Beurlaubung liegt vor, wenn ein Patient oder eine Patientin mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist."

    Das meint offensichtlich, dass ein Patient auf eigenen Wunsch beurlaubt wird. Da steht, dass der Patient unterbricht, nicht, dass die Behandlung unterbrochen wird.

    Ich darf auch mal aus einem Landesvertrag nach § 112 SGB V zitieren:

    • "Beurlaubung - (1) Beurlaubungen von Patienten sollen grundsätzlich nicht durchgeführt werden. Ist aus zwingenden Gründen eine Unterbrechung der stationären Behandlung von mehr als einem Tag erforderlich, wird der Patient entlassen und wieder aufgenommen. ..."

    Viele Grüße

    M2

  • Hallo M2,

    da fängt der allgemeine Denkfehler meines Erachtens bereits an, da zeitlich mit den Sätzen zur Beurlaubung folgende Klarstellung als Anhang zur FPV veröffentlicht wurde:

    "2. Anwendung der Beurlaubungsregelung

    Die Vorgaben zur Beurlaubung finden keine Anwendung bei onkologischen Behandlungszyklen, bei denen eine medizinisch sinnvolle Vorgehensweise mit mehreren geplanten Aufenthalten zu Grunde liegt. Es handelt sich in diesen Fällen um einzelne abgeschlossene Behandlungen, die durch eine reguläre Entlassung beendet werden."

    Wenn also immer schon (zumindest aber seit 2006 mit Einführung der Regelungen zur Beurlaubung) für alle Seiten klar gewesen ist, dass eine Beurlaubung nur vom Patientenwillen ausgehen könne, hätte es dieser Klarstellung nicht bedurft:

    Es ist ja nicht Wunsch der Patienten, für eine bestimmte Chemo- oder Bestrahlungstherapie alle 4 Wochen für X Tage in die Klinik zu gehen sondern in der Natur der jeweiligen Therapie begründet.

    Diese bis heute existente Klarstellung belegt somit meines Erachtens, dass es eben nicht immer schon allen klar war, dass eine Beurlaubung nur vom Patienten ausgehen kann.

    Meiner Wahrnehmung nach gehört aber auch zum Bild, dass für die meisten Beteiligten zumindest bis zur Ära Hauck das von Ihnen favorisierte Bild der Beurlaubung den Alltag und das Denken bestimmt hat, inklusive der Landesverträge (die seit Hauck allerdings diesbezüglich für nichtig erklärt wurden, ebenso wie seine generelle Sicht auf "Beurlaubung iS § 1 Abs. 7 FPV" bis heute nicht wesentlich angegriffen wurde).

    Ich würde mir jedoch wünschen, dass der 1. Senat auf diese Diskussion jetzt einen endgültigen Deckel setzt und abschließend klar unnd eindeutig regelt, ob Beurlaubung auch nach dem 01.01.2019 noch gilt und wenn ja in welchem Rahmen.

    Die Selbstverwaltung hat es ja wieder einmal nicht geschafft (und beklagt sich dann darüber, dass das andere tun). Obwohl man § 1 Abs. 7 FPV aus meiner Sicht schlicht und ergreifend nur hätte umformulieren müssen: "Eine Beurlaubung setzt den Wunsch und die Initiative des Patienten voraus". Dann noch die Klarstellung raus und man hätte zumindest prospektiv Ruhe gehabt.

  • "... Wenn also immer schon (zumindest aber seit 2006 mit Einführung der Regelungen zur Beurlaubung) für alle Seiten klar gewesen ist, dass eine Beurlaubung nur vom Patientenwillen ausgehen könne, hätte es dieser Klarstellung nicht bedurft ... "

    Hallo J. Da Silva,

    sorry, das überzeugt mich nicht. Wenn für die spezielle Konstellation onkologischer Patienten mit ,fraktionierten Behandlungen' klargestellt wird, dass - insbesondere - die zwischenzeitlichen Intervalle ohne Behandlung keine Beurlaubung darstellen, impliziert das m.E. nicht, ansonsten umfasse eine Beurlaubung auch behandlungsfreie Intervalle mit Patientenabwesenheit ohne den ausdrücklichen Willen des Patienten.

    "... Es ist ja nicht Wunsch der Patienten, für eine bestimmte Chemo- oder Bestrahlungstherapie alle 4 Wochen für X Tage in die Klinik zu gehen sondern in der Natur der jeweiligen Therapie begründet ..."

    Nein, ist es nicht. Aber es könnte Wunsch des Patienten sein, zwischen den Behandlungszyklen die stationäre Behandlung zu unterbrechen.

    Ich darf darauf hinweisen, dass es sich bei der FPV, sowohl bei einer Vereinbarung wie auch bei einer Ersatzvornahme im Sinne einer Verordnung, um eine Abrechnungsbestimmung handelt, die eng am Wortlaut auszulegen ist. Und in der FPV ist nun einmal der Wille des Patienten kodifiziert.

    Wenn der werte Herr Hauck das Wirtschaftlichkeitsgebot über alles gestellt und damit Landesverträge außer Kraft gesetzt hat, war es halt so. Ggf. ist das dann auch für die FPV so. Aber vereinbart ist es halt nicht.

    Viele Grüße und einen sonnigen Tag

    M2

  • Sehr geehrter Herr M2,

    dann kommen wir in dem Punkt nicht zusammen - ich sehe den Patientenwillen entgegen Ihrer Auffassung in der FPV nicht kodifiziert (das BSG auch unter Hauck und Schlegel ja auch nicht...) und teile Ihre Argumentation nicht (gleichwohl ich das als Medizincontroller damals so wie Sie gehandhabt habe).

    Es ist aber letztlich auch so eine typische DRG-Diskussion wo die Endanwender sich die Köpfe heiß überlegen und am Ende Gerichte entscheiden, wie sie entscheiden und die Selbstverwaltung Ihren Einsatz verschläft (bzw. eher die DKG - die Kassen dürften kein übergeordnetes Interesse an eindeutigen Formulierungen in der FPV haben).

    Wie oben dargelegt wären alle Diskussionen mit einer minimalen Anpassung des Textes vom Tisch gewesen - jetzt sind beide Seiten auf die Interpretation des BSG angewiesen (sofern Herr Schlegel nicht eine Möglichkeit findet, sich irgendwie um ein klares Statement herumzuformulieren).

    Ob Sie es glauben oder nicht:

    Ungeachtet meiner Ihnen entgegenstehenden Auffassung hoffe ich, dass das BSG insgesamt "Ihrer" Linie folgt und die Sache "Beurlaubung/fwA" zu Gunsten der Kliniken abschließt.

  • Wobei sich das BSG den Hinweis auf die "offensichtlichen Missbrauchsfälle" aus meiner Sicht auch gerne hätte sparen können...

    Ansonsten scheint das Thema "FZF wegen Beurlaubung" (egal ob fiktiv oder real) endlich vom Tisch und Klarheit zu herrschen.