Chron. Niereninsuffizienz / nicht behandlungsbedürftig

  • Hallo liebes Forum,

    bei einigen KH ist mir aufgefallen, dass die Kodierung der chron. Niereninsuffizienz hoch im Kurs steht.

    Da wir hier in die Regressprüfung bezgl. Fremdverschulden einsteigen, schreiben wir die Mitglieder an, ob sie wüssten wie ihre Niereninsuffizienz zu Stande kam.

    Viele wissen dann noch nicht einmal, dass sie eine Niereninsuffizienz haben, sind weder dialyse- noch medikamentenpflichtig. Wie sich herausstellt, fusst die Kodierung meist in leicht veränderten Nierenwerten, die jedoch so gering sind, dass sie weder dem Patienten gegenüber erwähnt werden, noch im Entlassungsbericht auftauchen, um den Niedergelassenen auf ein eventuelle Überwachung hinzuweisen.

    Für mich stellt sich nunmehr die Frage, ob diese leicht abweichenden Werte bereits die Kodierung als ND rechtfertigen. Verwirrenderweise ist die Kodierung in den meisten Fällen alleine gesehen auch nicht abschließend groupingrelevant, was die Motivation der vermehrten Kodierung für mich noch undurchsichtiger macht.

    Da mich jedoch nicht nur die Kostenrelevanz sondern vielmehr die korrekte Kodierung interessiert, bitte ich um Hinweise für eine Abgrenzung kodierbar/nicht kodierbar. Haben leicht abweichende Werte tatsächlich schon so entscheidenden Einfluss auf die Behandlung, dass von \"Mehraufwand\" die Rede sein kann?

    Vielen Dank und MFG
    Martin Wittwer

    :t_teufelboese: Abrechnungssachbearbeiter :t_teufelboese:

    Alle Menschen sind klug - die einen vorher, die anderen nachher.

    Voltaire ( 1694-1778 )

  • Hallo Erlösminimierer,

    im von Ihnen geschilderten Fall (Labor: Nierenretentionsparameter (z. B. Krea) erhöht, keine Medikation, keine witere Therapie keine Dialyse, anscheinend ja noch nicht mal Informationsgespräch) ist die Antwort klar. Darf nicht kodiert werden.
    Die entsprechende Regelung finden Sie in den DKR. Befinde mich gerade in einer Wochenendsituation, habe deshalb keine DKR dabei und kann sie noch nicht auswendig. Die Hinweise finden Sie aber unter Nebendiagnosen, dort unter einer Überschrift die so ähnlich lautet wie Laborkontrollen.

    Schönes Rest-We
    D. Duck

    Mit freundlichen Grüßen

    D. Duck

  • Hallo Erlösminimierer,

    aus Sicht der Krankenkassen sollte man froh sein, dass der chronischen Niereninsuffizienz mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, dies insbesondere in Anbetracht der progostizierten Steigerung der Dialysepatienten.
    Siehe auch \"Die stille Katastrophe\" Der Spiegel Mai 2000.

    Medizinisch gesehen wird die Niereninsuffizienz in der Regel über den Kreatininwert im Serum erfasst. Dieser Parameter wird jedoch erst bei einem Abfall der Nierenfunktion um ca. 50% pathologisch. D.h. nahezu jeder Patient bei dem ein erhöhtes Kreatinin festgestellt wird, hat bereits eine Niereninsuffizienz im Stadium II WHO und nur noch 50% der Nierenfunktion eines Gesunden !!!
    Dies ist von erheblicher medizinischer Relevanz, z.B. resultieren doch die meisten unerwünschten Nebenwirkungen von Medikamenten aus der Nichtbeachtung oder Fehleinschätzung einer eingeschränkten Nierenfunktion.
    Im Sinne der Kodierrichtlinie ist zu fordern, daß die Niereninsuffizienz durch Bestimmung der Clearance untermauert wurde, hierfür stehen genaue mathematische Formeln und das klassische Urinsammeln zur Verfügung.
    Dies sollte in der Akte dokumentiert sein.
    Das die Patienten von der Niereninsuffizienz nichts wissen, muss nicht der Klinik, sondern den behandelnden Hausärzten angekreidet werden. Das Wissen um Nierenerkrankungen, Beurteilung des Kreatininwertes bei muskelschwachen Frauen und älteren Patienten bei ist weiterhin erschreckend gering.

    N. Bröker

  • Zitat


    Original von D. Duck:

    Die entsprechende Regelung finden Sie in den DKR. Befinde mich gerade in einer Wochenendsituation, habe deshalb keine DKR dabei und kann sie noch nicht auswendig. Die Hinweise finden Sie aber unter Nebendiagnosen, dort unter einer Überschrift die so ähnlich lautet wie Laborkontrollen.

    Hallo D.Duck,

    da kann man doch helfen. Es heisst in den Kodierrichtlinien:


    Zitat

    Abnorme Befunde
    Abnorme Labor-, Röntgen-, Pathologie- und andere diagnostische Befunde werden nicht kodiert, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder einer weiterführenden Diagnostik (nicht allein Kontrolle der abnormen Werte).

    Schönes Wochenende

    Mr. Freundlich

    • Offizieller Beitrag

    Guten Abend,

    Zitat


    Original von Erlösminimierer:

    Da wir hier in die Regressprüfung bezgl. Fremdverschulden einsteigen, schreiben wir die Mitglieder an, ob sie wüssten wie ihre Niereninsuffizienz zu Stande kam.


    Ich bezweifele, dass diese Maßnahme zur „Wahrheitsfindung“ dient.
    Es ist bekannt, daß beispielsweise jeder fünfte Patient im Krankenhaus Medikamente zusätzlich einnimmt, ohne dass der behandelnde Arzt (trotz Nachfragen!) hierüber informiert wird.


    Zitat


    Original von Erlösminimierer:

    bei einigen KH ist mir aufgefallen, dass die Kodierung der chron. Niereninsuffizienz hoch im Kurs steht.


    Jeder sechste Patient auf einer normalen Station für Innere Medizin hat eine Nierenfunktionsstörung.

    Ab dem 70. Lebensjahr ist mit einer um 50% reduzierten Kreatininclearance zu rechnen. Das Serum-Kreatinin allein ist wenig hilfreich bei der Diagnose einer Nierenfunktionsstörung, siehe Beitrag Dr. Broeker.

    Das Herzmedikament Digoxin kann dann zu schweren Rhythmusstörungen führen, das Magenmittel Ranitidin zu Verwirrung, die Herpes-Arznei Aciclovir bis ins Koma.
    Ältere Patienten scheiden Medikamente häufig schlechter aus. Durch Anpassung eines Magensäureblockers bei gestörter Nierenfunktion lässt sich das Risiko für Verwirrtheit um 60% senken. Aufgrund der individuellen Streuungen der pharmakokinetischen Parameter sind trotz der Anpassung der Dosierung Therapiekontrollen erforderlich.

    Durch Dosisanpassung können Akkumulation und damit das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen und unnötige Kosten reduziert werden. Die Berücksichtigung und Behandlung auch leicht erhöhter Nierenretenionswerte ist eine notwendig Maßnahme zur Verbesserung der Patientensicherheit bei medikamentöser Arzneimitteltherapie.
    Damit ist m.E. auch die Kodierung als relevante Nebendiagnose gerechtfertigt.


    Gruß
    E. Rembs

  • Hallo liebe Mitstreiter,

    ich habe z.Zt. ein gutes Beispiel zur chronischen Niereninsuffizienz / N18.82. Ein Begutachtungsfall durch den MDK. :kong:
    Eine 60 jährige Patientin kommt mit dekompensierter Herzinsuffizienz und chron. Vorhofflimmern zur stationären Aufnahme. Bei Aufnahme einen Kreatinwert/Serum von 1,9. Im Verlauf werden noch 7 weitere Kreatininkontrollen durchgeführt, die alle im Bereich zwischen 1,9 und 1,7 lagen. :deal:
    Therapiert wird u.a. mit Lasix 40 (1-1-0). Weitere Medikamente Coric plus / Allopurinol / Metohexal / Cordarex und Marcumar. Als Nebendiagnose habe ich die N18.82 kodiert. :d_gutefrage:
    Das Urteil des Gutachters: Eine chronische Niereninsuffizienz darf nur mit einer Kreat-Clearance-Bestimmung kodiert werden! 8o8o

    Bin auf Meinungen sehr gespannt.


    Gruß

    ochpowi

  • Hallo ochpowi,

    habe nochmals in meinen vielen Büchern nachgeschaut: konnte nichts finden, daß besagt, daß die Angabe der chron. Niereninsuff. nur mit einer Krea-Clearance erlaubt ist. Würde mich interessieren wo das steht?
    N18.82 hätte ich auch kodiert weil Lasix gegeben, vermutlich auch Einfuhr-Ausfuhr-Bilanzierung durchgeführt und 7-malige Kontrolle des Kreas.
    mfg
    ag

  • Hallo ag,

    ohne Bestimmung einer Clearance ist die Kodierung der N18.8x nicht möglich, da in der Systematik eine Stadieneinteilung hinterlegt ist.
    Ausreichend hierfür ist die Berechnung der Clearance z.B. nach Cockroft:

    Körpergewicht x (140-Alter)
    72* Kreatinin i.S (mg/dl)

    Bei Frauen werden nur 85 % des errechneten Wertes gewertet.

    mfg


    Bröker

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    Zitat


    Original von ochpowi:

    Das Urteil des Gutachters: Eine chronische Niereninsuffizienz darf nur mit einer Kreat-Clearance-Bestimmung kodiert werden!


    Zitat


    Original von N. Broeker:
    Ausreichend hierfür ist die Berechnung der Clearance z.B. nach Cockroft:


    Formel und Berechnung sollten eigentlich dem Gutachter bekannt sein….


    Online Berechnung:

    http://nephron.com/cgi-bin/CGSI.cgi


    Gruß

    E Rembs

  • Hallo Zusammen,

    vielen Dank für die vielen und sehr aufschlussreichen Antworten. Ich würde die Kodierung bei tatsächlicher Therapierelevanz natürlich auch nicht in Frage stellen, wie z.B. hier geschildert in Sachen Medikamentenwahl und -dosierung usw..

    Auch der Hinweis, das gerade die KH nicht bekannte Niereninsuffizienzen erstmals aufdecken hört sich durchaus plausibel an.

    Was mich dann jedoch in den mir vorliegenden Fällen stutzig macht ist, dass eben auch m.E. notwendige über den stationären Aufenthalt notwendige Überwachungen weder dem Mitglied noch dem behandelnden Arzt gegenüber kommuniziert werden (z.B. Entlassungsbericht).

    Frage an die Mediziner: Kann der Kreatenin-Wert einmalig nennenswert ausreissen, sich langfristig jedoch normalisieren und stabilisieren? Oder kann ich im Regelfall bei einem auffälligen Befund bereits auf ein chron. Krankheitsbild schliessen?

    MFG
    Martin Wittwer

    :t_teufelboese: Abrechnungssachbearbeiter :t_teufelboese:

    Alle Menschen sind klug - die einen vorher, die anderen nachher.

    Voltaire ( 1694-1778 )

  • Hallo Mr. Freundlich,
    Danke für die Hilfe,

    Hallo ochpowi,
    in Ihrem Fall und Ihrer Schilderung bin ich aufgrund des Ressourcenverbrauch doch bei Ihnen, die Niereninsuffizienz hat die Wertigkeit einer Nebendiagnose, da Sie ja unter anderem Lasix (Furosemid) verabreicht haben. Dies gilt aber nur für den Fall, dass die Niereninsuffizienz die Lasixgabe verursachte. Sollten sie die Herzinsuffizienz so behandelt haben und die Niereninsuffizienz nur durch Laborkontrollen diagnostiziert und verifiziert haben, sind wir wieder bei einem leidigen Thema. Diese lautet: Rechtfertigt die Gabe eines Medikaments (im Sinne von Ressuorcenverbrauch) die Angabe zweier Nebendiagnosen, für die diese Medikament indiziert ist. Die Sicht der Krankenkassen geht dahin, dass dies nicht so gerechtfertigt ist.

    Sollte sich Ihr Behandlungsfall also so darstellen, dass die Lasixgabe primär aufgrund der Kardialen Insuffizienz erfolgte und die Nierenretentionsparameter lediglich kontrolliert wurden, so ist die Argumentation des MDK nachvollziehbar. Dies zumindest insofern, als das die Niereninsinuffizienz keinen Ressourcenverbrauch darstellt (im Sinne der DKR)

    Gruß
    D. Duck

    Mit freundlichen Grüßen

    D. Duck